Herr Rorsted, in den vergangenen Jahren ist in Davos auch eine Debatte über die Zukunft des Kapitalismus geführt worden. War das übereilt?
Ich hatte in diesen Diskussionen nicht erlebt, dass der Kapitalismus grundsätzlich in Frage gestellt wurde. Vielmehr wurden gezielt bestimmte Fehlentwicklungen innerhalb des Systems – insbesondere in der Finanzwelt – kritisch thematisiert.
Und das zu Recht, oder?
Ja, aber bei aller Kritik: Der Kapitalismus hat sich bislang im Vergleich zu allen anderen Systemen überlegen gezeigt. Er bietet Anreize für Innovationen, Impulse für Wachstum und ist immer noch der beste Mechanismus, um knappe Ressourcen in die beste Verwendung zu lenken. Der gestiegene Wohlstand für viele hundert Millionen Menschen in weiten Teilen der Welt ist bestimmt nicht durch Planwirtschaft entstanden.
Wo ist die Welt denn durch die Diskussionen vorangekommen?
Ich denke, es ist wieder ein höheres Maß an Realismus an den Märkten eingezogen. Außerdem sehe ich im internationalen Umfeld den klaren Willen von Politik und Wirtschaft, Probleme und Defizite klar zu benennen.
Und wo sehen Sie noch immer den größten Handlungsbedarf?
Entscheidungen müssen noch konsequenter umgesetzt werden. Hier geht vielfach wertvolle Zeit verloren. Die beste Strategie kann nur greifen, wenn sie auch entschlossen und konsequent umgesetzt wird. Allerdings gebe ich auch zu, dass es ein Unternehmen da leichter hat als die Politik.
Führenden Köpfen, also zum Beispiel Politikern, aber auch Managern, wird nach wie vor wenig Vertrauen entgegengebracht. Das zeigen auch die jüngsten Umfragen, die in Davos veröffentlicht werden – woran liegt das?
Das liegt sicherlich an einzelnen Negativbeispielen, die dann aber große Aufmerksamkeit erhalten. Die große Mehrheit der Manager – und auch Politiker – machen einen ausgezeichneten Job. Daher ist Deutschland auch so gut durch die Krise gekommen. Wirtschaftswachstum, Exportüberschüsse und eine niedrige Arbeitslosigkeit – das alles hat sich nicht von selbst ergeben.
Was würden Sie denn über sich selbst sagen: Verdienen Sie zu viel?
Ich bin der Meinung, dass sich Managergehälter grundsätzlich an der Performance des Unternehmens orientieren sollten. Wenn das Unternehmen besonders erfolgreich ist, dann können sich auch Gehälter entsprechend entwickeln – das gilt natürlich auch umgekehrt.
Aber irgendwo sollte doch eine Grenze sein?
Ja, bei Henkel gibt es sowohl für die kurzfristigen variablen Gehaltsbestandteile als auch für die langfristigen Vergütungsbestandteile bereits seit Jahren eine absolute Obergrenze.
Inwiefern profitiert ein Hersteller von Industrieklebstoffen und Konsumgütern wie Henkel von Diskussionen wie denen hier in Davos?
Man bekommt ein gutes Gefühl dafür, welche Themen für die unterschiedlichen Branchen, aus denen unsere Kunden kommen, derzeit am wichtigsten sind. Das ergibt sich teilweise in den offiziellen Veranstaltungen. Mindestens ebenso wertvoll sind aber die Gespräche am Rand der Veranstaltungen. Hinzu kommen eindrucksvolle Persönlichkeiten aus der Politik, Wissenschaft und Medien. Eine vergleichbare Möglichkeit zum Austausch gibt es in dieser Breite bei keiner anderen Veranstaltung.
Und findet man hier auch potentielle Kandidaten für Übernahmen – eine solche streben Sie bei Henkel ja schon seit geraumer Zeit an?
Dafür muss man nicht nach Davos fahren. Wir haben konkrete Vorstellungen darüber, wo wir uns verstärken wollen, und einen guten Prozess, um mögliche Akquisitionsziele zu identifizieren. Gleichwohl bieten sich aktuell wenig attraktive Gelegenheiten am Markt. Aber es werden sich in den nächsten Jahren noch interessante Möglichkeiten ergeben.
Wie sehen Ihre Erwartungen an die Konjunktur im laufenden Jahr aus? In Europa, Amerika und Asien?
Es gibt erste Anzeichen einer Verbesserung, etwa in Europa und den Vereinigten Staaten. Dennoch sehe ich für dieses Jahr noch keine grundsätzliche und durchgreifende Veränderung der weltwirtschaftlichen Situation gegenüber dem vergangenen Jahr. Asien bleibt, trotz etwas schwächerem Wachstum, weiter sehr wichtig und bietet für global aufgestellte Unternehmen große Möglichkeiten. Auch wenn sich die Lage verbessert hat, bleiben die Märkte weiter volatil. In einer Reihe von Ländern – sei es in Asien oder auch im Nahen Osten – gibt es weiter Unsicherheiten und Risiken.
Wie reagieren Sie darauf?
Vor diesem Hintergrund bleibt es wichtig, flexibel zu sein und sich schnell an sich verändernde Marktbedingungen anzupassen. Das bleibt auch im Jahr 2014 ein entscheidendes Wettbewerbskriterium.
Nehmen wir ein Beispiel: Ist es vorstellbar, dass die erhebliche Luftverschmutzung in den chinesischen Städten dort noch zu einem echten Problem wird?
Ich denke, das ist ein Problem – und es wird auch als solches in China erkannt. Angesichts steigender Umweltbelastungen wird Nachhaltigkeit in China weiter an Bedeutung gewinnen. So wollen die Chinesen in den kommenden Jahren ihr Schienennetz deutlich ausbauen. Zudem sollen alte Kraftwerke durch moderne, effizientere Anlagen ersetzt werden. Das sind wichtige Schritte. In Zukunft wird es immer wichtiger, das Streben nach Wachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Die Entwicklung von Innovationen und neuen Technologien spielt dabei eine zentrale Rolle.
Haben Sie Schwierigkeiten, Mitarbeiter zu finden, die sich dorthin entsenden lassen wollen?
Nein, ganz im Gegenteil.
Tatsächlich?
Ja, eine Reihe unserer Topnachwuchskräfte sind in Schanghai tätig. Von dort steuern wir unser gesamtes Asien-Geschäft. Ein Auslandseinsatz dort bietet den Vorteil, dass unsere Mitarbeiter Verständnis für die Kultur und die geschäftlichen Gepflogenheiten vor Ort erlangen und gleichzeitig in einem der wichtigsten Wachstumsmärkte tätig sind.
Der Autor auf Twitter: www.twitter.com/carstenknop
Die ersten zwei Fragen finde ich ja geschickt, aber
wenn man wirklich dieses Thema besprechen will hätte die 3. Frage nochmals viel direkter nachfassen müssen. Erst dann hätte sich für den “gemeinen” Leser klarer gezeigt ob ein Vorstandsvorsitzender der Henkel AG auf solches Glatteis begeben will…
Unpräzises Denken?
Herr Rorsted verwechselt den Kapitalismus mit dem Markt.