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Chefwissenschafter von Salesforce: Vernetzung fordert mehr Bildung

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Wer glaubt, amerikanische IT-Konzerne beschäftigten nur knallharte Vertriebsprofis, der kennt JP Rangaswami nicht. Der Inder ist kein Vertriebler, kein Programmierer und im engeren Sinne auch kein Lobbyist. Er denkt nach – darüber, wohin sich die Gesellschaft und ihr Verhältnis zur Technik entwickelt und welche Schlüsse sein Arbeitgeber daraus ziehen kann.

Wer glaubt, amerikanische IT-Konzerne beschäftigten nur knallharte Vertriebsprofis, mehr oder weniger schlaue Softwareentwickler und ein paar hochbezahlte Lobbyisten, der kennt JP Rangaswami nicht. Der Inder ist kein Vertriebler, kein Programmierer und im engeren Sinne auch kein Lobbyist. Er denkt nach – darüber, wohin sich die Gesellschaft und ihr Verhältnis zur Technik entwickelt und welche Schlüsse sein Arbeitgeber daraus ziehen kann. Rangaswamis Titel ist „Chief Scientist“, was man mit „Chefwissenschaftler“ übersetzen könnte.

Sein Arbeitgeber heißt Salesforce.com, die Zentrale ist in San Francisco, und das Unternehmen gilt in der Branche als ein Pionier. Denn an Programme, die die Kunden nicht mehr auf ihren Computern installieren, sondern über das Internet aus Rechenzentren in der sogenannten Cloud beziehen, hat der Salesforce-Gründer Marc Benioff von Beginn an geglaubt.

 Salesforce – ein junges Unternehmen

Salesforce.com ist gerade erst 15 Jahre alt geworden – und hat doch erheblich dazu beigetragen, dass mit der Cloud ein neuer Weg aufgestoßen worden ist, um Daten zu verarbeiten. Das aber ist auch schon wieder Geschichte, und Rangaswami muss seine Hand am Puls der Zeit behalten. Dass man immer einen Tick anders denkt als der Rest der Branche, zeigt sich zum Beispiel auch darin, dass Salesforce nicht etwa vom Internet der Dinge spricht, wenn es um die alsbald zu erwartende allumfassende Vernetzung von Maschinen und Menschen geht.

Das Internet der Kunden

Bei Salesforce heißt das so: „Das Internet der Kunden.“ Denn die stünden durch die Vernetzung nicht zuletzt über diverse soziale Netzwerke künftig im Mittelpunkt allen Geschehens. Sie seien es, die individuelle Bestellungen von Produkten auslösten, die immer häufiger sogar in Einzelfertigung produziert würden, zum Beispiel durch sogenannte 3D-Drucker. Salesforce gibt seinen Kunden aus den Unternehmen eine Softwareplattform an die Hand, die es unter anderem ermöglicht, den jeweiligen Konsumenten direkt über die sozialen Netzwerke die Produkte zu verkaufen, die sie möchten. Das heißt, der Bestellvorgang soll funktionieren ohne zum Beispiel Twitter, Facebook oder Google+ für einen etwaigen Bezahlvorgang verlassen zu müssen. „Unsere Kinder leben doch förmlich in diesem Nachrichtenstrom“, sagt Rangaswami. „Und wir müssen es den Unternehmen ermöglichen, an diesem Leben auch auf mobilen Geräten teilzunehmen.“ Irgendwelche Daten von Konsumenten würden dabei von Salesforce nicht gespeichert; man stellt eben nur die Plattform zur Verfügung.

Rangaswami gehört aber nicht zu denen, die eine solche Entwicklung einfach nur unreflektiert gut finden. Die Vernetzung von Mensch und Maschine werde noch eine steile Lernkurve erfordern und in ihrer gesellschaftlichen Konsequenz manche Arbeitsplätze überflüssig machen, räumt er ein. „Aber hatte technischer Fortschritt nicht immer diese Konsequenz?“ Der Fortschritt gebe den Menschen, genauso wie es zum Beispiel durch die Dampfmaschine in der ersten industriellen Revolution geschehen sei, stets die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln: „Die Dampfmaschine hat die breite Schulbildung der Menschen doch überhaupt erst möglich gemacht“, sagt Rangaswami. Das gelte auch heute noch.

 Die Antwort ist: besser Bildung

Nur eine bessere Bildung der Menschen könne die Antwort auf die Vernetzung der Welt sein. Rangaswami, 56 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei Kindern im Alter zwischen 15 und 27 Jahren, hat deshalb einen Plan: „Wenn ich im Ruhestand bin, werde ich eine Schule bauen.“ Es soll eine moderne Schule für das 21. Jahrhundert werden, natürlich voll mit modernster Hard- und Software.

Darum aber geht es Rangaswami nicht allein. Die Lehrer in der Schule sollen ihren Beruf als Berufung verstehen, die Schüler ihre Lehrer kritisieren dürfen – aber auch Kritik akzeptieren. Der Schwerpunkt soll nach seinen Vorstellungen auf der Chancengleichheit statt auf den Ergebnissen liegen; Fehler dürfen gemacht werden. Und wer Fehler macht, soll gefördert werden.

Rangaswami, in Kalkutta geboren und 1980 nach Großbritannien emigriert, war als Wirtschaftswissenschaftler zunächst Finanzjournalist. Danach hat er für verschiedene große Unternehmen an der Schnittstelle zwischen Finanzen und Technik gearbeitet. Er bezeichnet sich selbst als einen „verzögerten Hippie“. Grateful Dead, die Doobie Brothers, Joni Mitchell – das ist sein Musikgeschmack. Selten trifft man in der Informationstechnik Menschen mit einem so breiten Horizont. Sein Blog „Confused of Calcutta“ ist durchaus lesenswert. Und vielleicht hat Rangaswami bis zu seinem Ruhestand ja noch die eine oder andere Idee, die den technologischen Wandel etwas weniger bedrohlich erscheinen lässt.

Der Autor auf Twitter: www.twitter.com/carstenknop


1 Lesermeinung

  1. Algave-Entdecker.com sagt:

    Confused of Calcutta
    Es erfordert schon viel Kreativität, den Flickenteppich von küchenphilosophischen Weisheiten zu vermeintlich neuen Erkenntnissen zu machen. Zu viel Ehre für wenig Inhalt.
    Wo sind die Ansätze, die dazu dienen, soziale Ungleichheiten zu beseitigen? Oder anderweitig sozialen Nutzen bringen?

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