Ad hoc

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Unternehmen bestimmen unser tägliches Leben. Aber was bewegt die Unternehmer? Über Trends, Technologien und Menschen, die sie bestimmen.

Ex-SAP-Vorstand und Infosys-CEO Sikka: „Wir erleben eine umfassende Neugestaltung der Welt“

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Vishal Sikka war bis zum vergangenen Jahr Vorstandsmitglied des deutschen IT-Konzerns SAP. Inzwischen ist er der Chef von Infosys und führt 170 000 Mitarbeiter, die Unternehmen in die digitale Zukunft führen sollen.

Herr Sikka, mit welchen Gedanken begleiten Sie in diesem Jahr das Weltwirtschaftsforum in Davos? Viele Diskussionsrunden drehen sich um die Auswirkungen von Automatisierung und künstlicher Intelligenz auf das Arbeitsleben und die Beschäftigung …

… Ich bin der Überzeugung, dass wir Menschen angesichts der von Ihnen genannten Technologien gefordert sind, unsere ureigenen Fähigkeiten zu nutzen, um uns weiterzuentwickeln. Ich habe mich mein ganzes Leben lang mit diesen Technologien beschäftigt und leite seit kurzem ein großes Dienstleistungsunternehmen, dessen Geschäftstätigkeit sich um menschliche Dienstleistungen in den Bereichen der Computertechnologien dreht. Aus dieser Position heraus möchte ich für eine menschliche Zukunft eintreten.

Wie sehr spielt dabei das Internet der Dinge schon eine Rolle, also die Digitalisierung der Wertschöpfungsketten, die in Amerika „Industrial Internet“ und in Deutschland „Industrie 4.0“ genannt wird?

Industrie 4.0 führt Bereiche wie maschinelles Lernen, Big Data, also die Auswertung riesiger Datenmengen in Echtzeit, und das Internet der Dinge zusammen. Maschine-zu-Maschine-Kommunikation ist ein fester Bestandteil der digitalen Revolution, die wir zurzeit erleben. Diese Digitalisierung der Wertschöpfungskette wird dazu führen, dass einfache Routineaufgaben automatisch erledigt werden. Ich bin davon überzeugt: Das wird der Menschheit zugutekommen und ihr helfen, insgesamt innovativer zu werden.

Gibt es in der Vorbereitung auf dieses Thema große regionale Unterschiede auf der Welt? Sind die Deutschen weiter als andere?

Dank öffentlicher Programme ist Deutschland mit Blick auf Industrie 4.0 tatsächlich sehr gut aufgestellt. Als Mitglied des Senats der deutschen Akademie der Technikwissenschaften Acatech bin ich eng in produktive Diskussionen eingebunden. Dazu kommt die große, innovative Unternehmenslandschaft in Deutschland: Industrie-4.0-Lösungen werden erfolgreich von Unternehmen unterschiedlichster Größen entwickelt, eingeführt und eingesetzt.

Nicht jeder würde diese Bestandsaufnahme so zuversichtlich formulieren.

Es bestehen gewaltige Wachstums- und Verbesserungsmöglichkeiten.

Wo liegen überhaupt die Gründe für eine gewisse Zurückhaltung mancher Unternehmen bei diesem Thema? Hat man Sorgen rund um den Datenschutz? Oder glauben die meisten Betriebe, dass die Zeit eventuell noch nicht reif ist für das „Industrial Internet“?

Der Innovationsvorsprung, den manche erfolgreiche Unternehmen immer noch genießen, könnte sich in der Tat als Hindernis erweisen, wenn er den Blick auf neue Innovationsbedürfnisse versperrt. Digitalisierung und Konnektivität sind aber von entscheidender Bedeutung für langfristige Wettbewerbsvorteile. Der Datenschutz und Fragen rund um die Handhabung geistiger Eigentumsrechte in vollkommen vernetzten Einheiten wiederum eröffnen in Wirklichkeit eine neue Perspektive auf Geschäftsmodelle. Und die Zurückhaltung wird enden, sobald Standards nicht nur eingeführt, sondern fest etabliert sind.

Was sind denn derzeit die Umsatztreiber von Infosys? Womit beschäftigen sich Ihre Kunden im Moment?

Wenn ich Unternehmen betrachte, wird mir klar, dass sie angesichts des softwarebasierten Umbruchs, der digitalen Revolution, zwei Ziele verfolgen. Zum einen wollen sie ihre bestehenden Systeme, ihre aktuellen Geschäftstätigkeiten erneuern, sie wollen sich zurück auf ihren Kernbereich besinnen und diesen effizienter gestalten. Zum anderen wollen sie parallel zu dieser Erneuerung aber auch neue Geschäftsfelder erschließen, Märkte erobern und neue Wege finden, Kunden anzusprechen. Sie müssen Systeme aufbauen, die diese Bestrebungen unterstützen. Diese doppelte Herausforderung von „Erneuerung“ einerseits und „dem Neuen“ an sich andererseits ist die größte Aufgabe, die es für unsere Kunden zu lösen gilt.

Wie gut laufen Ihre Geschäfte vor diesem Hintergrund?

Die eben beschriebene Dualität trifft auch auf uns zu. Das heißt: Auf der einen Seite überarbeiten wir unser gesamtes Dienstleistungsangebot. Und auf der anderen Seite entwickeln wir, genau wie unsere Kunden, ganz neue Fähigkeiten und Angebote.

Nennen Sie Beispiele.

Wir setzen auf einen Ansatz, den wir „Design Thinking“ nennen. Das ist eine kreative und systematische Herangehensweise, um Kundenprobleme zu erkennen und zu lösen, über die Fragestellungen hinaus, deretwegen uns der Kunde beauftragt hat. Vor allem aber verfolgen wir das doppelte Ziel von „Erneuern und Neuem“ mit einer Kultur der Aus- und Weiterbildung und des lebenslangen Lernens. Das kommt bei unseren Kunden gut an.

Stimmt es, dass nach dem Ende der Finanz- und Staatsschuldenkrise die Investitionen in die IT nicht so stark angezogen haben, wie es eigentlich auf der Basis der erheblich verbesserten Ertragslage der Unternehmen auf der Welt zu erwarten gewesen wäre?

Ganz im Gegenteil. Was wir gerade erleben, ist eine umfassende Neugestaltung der Welt – und zwar mit der Hilfe von Software. Vor zwanzig Jahren schrieb Nicholas Negroponte ein großartiges Buch mit dem Titel „Being Digital“. In diesem Buch erläutert er seine Vorstellung, dass Atome und Bits immer weiter miteinander verschmelzen und Atome mehr und mehr zu Bits werden würden – eine unwiderrufliche und exponentielle Entwicklung.

Und das können wir nun beobachten?

Ja, dieser softwaregesteuerte Umbruch unserer Welt beeinflusst jede Branche und Menschen aller Gesellschaftsschichten. Und Investitionen in IT erweisen sich als die wertvollsten Investitionen, die man hier und jetzt tätigen kann.

Wie sieht Ihre Prognose für das laufende Jahr aus?

Ich habe ein gutes Gefühl für die Weltwirtschaft im Jahr 2015. Es bestehen natürlich ganz unterschiedliche Herausforderungen, aber es gibt einfach riesiges Wachstumspotential.


1 Lesermeinung

  1. WWLeser sagt:

    "Der Menschheit"?
    Wem in der Menschheit soll “Industrie 4.0” wohl zugutekommen? Den Mindestlohnempfängern? Den Kriegsflüchtlingen in aller Welt? Den ledigen Müttern hierzulande, die ohne Rücksicht auf die Kindergartenzeiten ihrer Kleinen gnadenlos auf’s Amt bestellt werden? Den Frauen in derjenigen Hälfte der Zivilisation, in der eine Ausbildung für sie als entbehrlich angesehen wird?
    Ein bisschen weniger Wortschwulst hätte es wohl auch getan, Herr Sikka!

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