Ad hoc

Der Chef von Huawei: Herr Ren und die Wassermelone

Unter federführender Mitarbeit von Hendrik Ankenbrand.

Der Mann heißt Ren Zhengfei. Er ist einer der erfolgreichsten Chinesen der Welt, aber bekannt ist er nicht. Das von ihm gegründete Unternehmen kennt man schon eher. Es heißt Huawei und ist der zweitgrößte Telekommunikationsausrüster der Welt. Der Name steht für „China handelt“, und Ren (in China steht der Familienname vorn) füllt diesen Slogan mit Inhalt. Allein im vergangenen Jahr hat Huawei seinen Umsatz um 20,6 Prozent auf 288,2 Milliarden Yuan (heute umgerechnet 42,8 Milliarden Euro) gesteigert. Der Gewinn stieg sogar um 32,7 Prozent auf 27,9 Milliarden Yuan (4,1 Milliarden Euro). Huawei profitiert dabei sowohl vom rasanten Smartphone-Absatz als auch vom Ausbau der Telekommunikationsnetze rund um die Welt.

Ren Zhengfei ist öffentlich kaum sichtbar, auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos konnte man ihn im Januar bei einem seiner ganz seltenen Interviews erleben – und dem Publikum war es sogar erlaubt, Fragen zu stellen, die zuvor mit niemandem abgesprochen waren. Es gibt eigentlich auch nichts, worüber Ren nicht reden sollte. Denn Huawei ist das wohl modernste und innovativste Unternehmen Chinas. Auf jeden Fall ist es der internationalste Konzern der Volksrepublik. Während der Internetkonzern Alibaba aus Hangzhou seinen Umsatz ganz überwiegenden Teil nach wie vor in China erzielt, stammen die Erlöse von Huawei gerade mal zu 38 Prozent aus dem Heimatland. Ein Drittel der 160 000 Mitarbeiter Huaweis haben keinen chinesischen Pass.

Natürlich hat eine chinesische Aufstiegsgeschichte wie die Huaweis zu Beginn nicht ohne den Staat funktioniert. Aber schon 1997, nur neun Jahre nach der Gründung, wagte Huawei den Schritt ins Ausland. Auch weiß Ren als Geschichtenerzähler zu überzeugen; er müsste Termine wie den in Davos also gar nicht scheuen. Huawei-Mitarbeiter loben ihren Chef als Vaterfigur. Nur noch 1,4 Prozent hält er heute am Unternehmen selbst, der gesamte Rest gehört den Angestellten, die ihren Teil der jährlichen Gewinnausschüttung in ihre Altersvorsorge investieren. Wer die chinesische Staatsbürgerschaft besitzt, kann als Anteilseigner gar alle fünf Jahre Vorstand und Beirat wählen – und sich dabei auch selbst auf die Kandidatenliste setzen. Regelrechte Wahlkämpfe werden dann im Huawei-Konzern ausgetragen: der eine Kandidat plädiert dafür, mehr Geld ins Marketing zu stecken, der andere möchte lieber in die Forschung investieren. Das basisdemokratische Modell ist in der hierarchisch geprägten chinesischen Wirtschaft höchst ungewöhnlich und war auch wohl nur Ende der 80er Jahre möglich, als sich die chinesische Gesellschaft und ihre Regierung immer weiter öffneten und allerlei Experimente wagten. 1989, ein Jahr nach der Gründung Huaweis, beendete das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens diese Öffnung vorerst.

Geboren wurde Huawei-Gründer Ren 1944 in der ärmlichen Provinz Guizhou. Die Familie siedelte später ins Hinterland von Hongkong, wo der Vater als Buchhalter in einer Waffenfabrik, die Mutter als Lehrerin arbeitete. Er war das älteste von sieben Kindern. Die Familie war damit weder reich noch arm. Ren drückt das so aus: „Wir hatten Salz zum Kochen, also waren wir wohlhabend.“ Nach seinem Studium an der Universität von Chongqing – nach seinen Worten alles andere als eine führende Bildungsstätte des Landes – ging Ren als Telekom-Entwickler an ein Forschungsinstitut der chinesischen Armee.

Die Verbindungen zu Armee und Partei beschreibt Ren als eher zufällig, er sei allein an zivilen Projekten, zum Beispiel dem Aufbau einer Kunstfaserfabrik, beteiligt gewesen. Tatsächlich war die Volksbefreiungsarmee in den sechziger und siebziger Jahren der einzige Ort in China, der vom Terror der Roten Garden Maos unbehelligt blieb, weil die Truppen selbst in die Kulturrevolution verstrickt waren. Das zog viele Menschen wie Ren an. Als er Huawei gründete, war Ren immerhin schon 44 Jahre alt. Seither wird ihm vorgeworfen, Huawei sei zu eng mit dem chinesischen Staat verbandelt. Auch seine ehemalige Mitgliedschaft in der Armee wird Ren immer wieder zum Vorwurf gemacht. In den Vereinigten Staaten spielt das Unternehmen deshalb in seinem größten Geschäftsbereich der Netzwerktechnik keine Rolle – zum Nachteil der amerikanischen Verbraucher, wie Huawei findet, und selbstverständlich zum Nachteil des eigenen Umsatzes und Gewinns.

Ren hält den Vorwurf sowieso für nicht zutreffend. Huawei habe zu Peking genau dasselbe Verhältnis, wie es Unternehmen in anderen Ländern zu ihrer jeweiligen Regierung hätten. Belastbare Belege für eine Verquickung der Firma mit Staats- und Parteiapparat gibt es tatsächlich nicht. Aber Ren würde deshalb nicht sagen, dass Huawei unfair behandelt wird. Er drückt das in der ihm eigenen, in den Ohren eines Europäers freundlich-umständlichen Art anders aus: Was die Vereinigten Staaten am meisten auszeichne, sei doch ihre Offenheit, sagt Ren mit einem Schmunzeln. Er betrachte die Menschen um sich herum auch nicht als Konkurrenten, sondern als Freunde: „Wir sagen immer, wir teilen die Wassermelone in acht Stücke, und wir wollen nur ein Stück.“ Noch nie habe er eine Anfrage der Regierung bekommen, ihr dabei zu helfen, in die Systeme von Kunden einzudringen.

Das Erfolgsgeheimnis von Huawei sei ohnehin, dass man für die Kunden alles tue – und die größte Bedrohung sei nicht der Wettbewerb. Sie komme von innen, nämlich dann, wenn man zu schnell und nicht nachhaltig genug wachse. Er selbst sei auch gar nicht geheimnisvoll: Er habe einfach nicht viel Ahnung von Technologie und Finanzen. Und wenn das so sei, halte man sich doch besser zurück. „Sonst könnte man sehen, dass die Hose hinten schmutzig ist.“

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