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Neuer Bitkom-Chef: Warum Digitalisierung gesellschaftliches Wohl bringen muss

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Begriffe wie das „Internet der Dinge“ oder „Industrie 4.0“ sind dem soeben neu gewählten neuen Präsidenten des deutschen Digitalverbandes Bitkom zu technisch. Die Digitalisierung der Wirtschaft sei so umfassend, die damit einhergehenden Konsequenzen auf dem Arbeitsmarkt und damit für die Gesellschaft so gravierend, dass es wichtig sei, „die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen, die notwendigen Veränderungen weiter anzustoßen und voranzutreiben“, sagt Thorsten Dirks in seinem ersten Interview als Bitkom-Präsident.

In den kommenden Jahren verändere sich die Welt so rasch wie nie: „Wir erleben derzeit die spannendste, die dichteste Phase, die es in der Wirtschafts- und Technologiegeschichte je gab.“ Die von England einst ausgehende industrielle Revolution habe länger als hundert Jahre gedauert. „Sie umfasste alles in allem fünf Generationen. Heute vollzieht sich eine Revolution ähnlichen Ausmaßes binnen weniger als einer Generation. Die nächste digitale Revolution braucht nur zehn, vielleicht zwanzig Jahre“, sagt Dirks.

Alle Kernbereiche, von der Arbeit bis hin zum Kapital, werden in den kommenden Jahren digital transformiert. Viele der exakt 1500 Unternehmen, die sich unter dem Dach das Bitkom heute versammeln, erleben diesen Prozess seit Jahren. „Zunächst wurde die Telekommunikation, dann wurden die Unterhaltungselektronik und große Teile der Optoelektronik digitalisiert. Dabei gingen in der deutschen Kommunikationstechnik innerhalb von nur 15 Jahren 90 Prozent der Arbeitsplätze verloren, von 200 000 Mitarbeitern blieben 20 000. In der Unterhaltungselektronik gingen durch die Digitalisierung zwei Drittel der Arbeitsplätze verloren“, erinnert Dirks an das, was schon geschehen ist.

Deutschland habe diesen Wandel zwar gut hinter sich gebracht. „Die Aufgaben, die vor uns liegen, sind aber mindestens genauso groß und radikal“, sagt Dirks. Und in seinen Augen steht vor allem der unternehmerische Mittelstand in Deutschland vor bewegenden Jahren, die über den Wohlstand und die Arbeit für Generationen bestimmen werden. „Daher müssen wir die radikalen technischen Veränderungen in gesellschaftlichen Fortschritt übersetzen“, sagt Dirks. Nur so könne Deutschland seinen Wohlstand halten und ausbauen. Deutsche Konzerne und auch große Mittelständler spielten in der Digitalisierung ihrer Branchen mittlerweile zwar Spitzenrollen. „Im breiten Mittelstand aber müssen wir jetzt Tempo machen – und da rede ich nicht von Jahren, sondern von sechs, neun oder maximal zwölf Monaten.“ Vom Mittelstand würden rund 80 Prozent der Gesamtleistung der deutschen Wirtschaft von mehr als 2,6 Billionen Euro erbracht; von ihm müssten „heute, hier und jetzt die Weichen für die Zukunft“ gestellt werden: „Für eine kleine Elektrofirma ist es aber gar nicht so einfach, sich dem Thema Smart Home zu stellen und jedes halbe Jahr die Mitarbeiter zu den notwendigen Qualifizierungen zu schicken. Hier müssen die Verbände Lösungen finden und Wege öffnen, dass auch diese Unternehmen Schritt halten können.“

Die Vernetzung verschiedenster Gruppen,
die dem Ziel dient, mit der Digitalisierung gesellschaftlichen Fortschritt und keinen Rückschritt zu erreichen: das ist Dirks‘ großes Anliegen. Worum es geht, zeigt ein Blick auf jene Branche, für die Dirks nun spricht. Die deutsche Informations- und Kommunikationstechnik ist in den vergangenen Jahren stets stärker gewachsen als die Gesamtwirtschaft. Sie erlöst mittlerweile rund 155 Milliarden Euro im Jahr. Das befeuert auch die anderen Branchen, ist Dirks sich sicher. Für den Verband heiß das auch eine immer engere Zusammenarbeit mit anderen Interessenvertretungen, zum Beispiel mit den Autoherstellern im VDA, den Maschinenbauern im VDMA und der Elektrotechnik im ZVEI. Hier koordiniere man sich inzwischen stärker, als das noch vor wenigen Jahren vorstellbar gewesen sei.

„Wir stehen dank der Arbeit der vergangenen Jahre und der nicht immer ganz schmerzfreien Erfahrungen mit dem technischen Fortschritt hierzulande im internationalen Vergleich auch nicht so schlecht da, wie viele vielleicht glauben“, sagt Dirks. Auch die Leistungsfähigkeit von Deutschlands Kommunikations- und Datennetzen als Grundlage für die gesamte Digitalisierung ist nach seinen Worten alles in allem nicht schlechter als die in Ländern wie Amerika oder Großbritannien. Die Finanzierung des künftigen Netzausbaus sei klar. Die Investitionen belaufen sich auf hohe zweistellige Milliardenbeträge, getragen von den drei großen Mobilfunkunternehmen und einer großen Zahl von Festnetzanbietern. „Bei der vierten Generation der Mobilfunknetze haben wir in Deutschland mittlerweile einen Ausbauzustand von 80 Prozent erreicht. Wir arbeiten an der Entwicklung der fünften Generation und haben gerade die 700 Megahertz-Frequenzen versteigert. Das wird eine größere Bandbreite liefern und noch mehr Geräte als bisher ans Netz bringen.“ Hier weiß Dirks, von was er spricht, denn neben seinem neuen Amt als Bitkom-Präsident ist er auch Vorsitzender des Vorstandes des Mobilfunkanbieters Telefónica Deutschland Holding AG, der in Deutschland hinter O2 und E-Plus steht.

So stehe der deutschen Wirtschaft auf dem Weg in die digitale Welt eine leistungsfähige Infrastruktur zur Verfügung – die sich mit Blick auf die mobile Kommunikation zwar sukzessive zum Mobilfunkstandard der fünften Generation entwickeln, aber nicht vor 2020 Einzug halten wird. Das ist wichtig, denn Ende des Jahrzehnts werden nach den Worten von Dirks in aller Welt rund 50 Milliarden Geräte an den Kommunikationsnetzen hängen. „Das wird Daten von einem bislang unvorstellbaren Ausmaß generieren.“

Was diese Entwicklung für den Digitalverband Bitkom bedeutet: „Wir müssen mit der Erfahrung unserer Unternehmen Vordenker, Gestalter und Treiber der digitalen Revolution sein, ihr eine Richtung geben, die Infrastrukturen bereitstellen, für ihre rechtliche und politische Flankierung sorgen – und sie zum Wohl der Gesellschaft entwickeln“, sagt Dirks.

Unter Mitarbeit von Stephan Finsterbusch.


2 Lesermeinungen

  1. […] Neuer Bitkom-Chef: Warum Digitalisierung gesellschaftliches Wohl bringen muss (Frankfurter Allgemeine Zeitung) […]

  2. MF87 sagt:

    Die Vernetzung bringt nicht immer
    ein persönliches Wohl,und das sollte unabdingbar eben die Kern sein für ein wie sie sagen ein gesellschaftliches Wohl.
    Soeben bekam ich ein Mail einer mein bekannten Freunde,Berufstätig als Pharmaceut,er bestätigte die immer fortschreitende elektronische Patientenakte ,und die immer mehr fehlende Kommunikation zwischen Ärtze und Pharmaceut ,da nicht immer klip und klar sei worum Medikamente benötigt sein,hat zu tun mit die meist hervorragende Kenntnis ,pharmakologisch einerseits und ein ernsthaft mangelnde pharmakologische Kenntis der,Ärtzte andererseits ,und da vieles im hohen Maße digitalisiert sei,macht es die wirklich wichtige persönliche Kommunikation nicht einfacher,nicht für die Pharmaceut ,nicht für die Klient,da dass alles unerlässlich eine beachtliche Depersonalisation bedeutet.
    Da kommt das Prinzip Verantwortung im “Spiel”,Verantwortung in einem extrem durchgeführte digitalisierte Welt.
    Wenn Sie wollen , mein Freund bekommt ernsthaft ethische Probleme!Dass was elektronisch verarbeitet ist und vernetzt hat immer weniger von tun mit das Individu.Oder ich bin,da ich digitalisierbar bin.
    Entscheidungen wie Entlassungen sind nur digitale Kosten Nutzen Frage ,da sollte,es doch ein kritische Grenze geben,anders formuliert ein schleichende gesellschaftliche Änderung könnte beobachtet werden,Tendenz immer weniger Demokratie,oder Pluriformiteit,und immer mehr Uniformiteit[ zB die Idee Zuckenbergs ,einanders Gedachten kennen,meschugge und beängstigend totalitär !].
    Noch immer lesenswert Das Prinzip Verantwortung von Jonas.
    Wieder haben sie ein aktuelle Wirtschaftsgeschichte ins Freie gelassen!

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