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Lufthansa-Chef Carsten Spohr: Im Bauch des Unternehmens

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Carsten Spohr hat ein furchtbares Jahr als Vorstandschef der Lufthansa hinter sich. Ob es jetzt besser wird? Vielleicht. Aber eine schlimme Last bleibt.

Es gibt keinen anderen Vorstandsvorsitzenden in Deutschland, der im ersten Jahr seiner Amtszeit mit derartigen Schwierigkeiten konfrontiert war wie Carsten Spohr, seit dem 1. Mai 2014 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa. Schon die Tarifauseinandersetzung mit den Piloten hätte genügt, aber auch das Kabinenpersonal ist häufig unzufrieden. Der Wettbewerbsdruck ist enorm; das ganze Unternehmen muss deshalb völlig umgebaut werden. Die Auswirkungen dieser Umbauten hat in der Vergangenheit auch mancher Kunde nicht goutiert. Und dann, am 24. März 2015, bringt ein Kopilot der Tochtergesellschaft Germanwings ein Flugzeug in selbstmörderischer Absicht zum Absturz und reißt 149 Menschen mit sich in den Tod, darunter 16 Schülerinnen und Schüler aus Haltern in Westfalen.

Spohr kommt aus der Gegend. Er wurde am 16. Dezember 1966 in Wanne-Eickel geboren; die Emotionalität des Ereignisses erreicht ihn durch den geographischen Bezug noch stärker als ohnehin schon. Der Tag des Germanwings-Absturzes ist der schwärzeste in der Geschichte der Lufthansa. Und er, Spohr, muss zusehen, dass vernünftig mit den Angehörigen umgegangen wird, die richtigen Konsequenzen aus dem Unglück gezogen werden – und obendrein der Konzern weiter funktioniert, das Geld also verdient, das nötig ist, um die gesamte Flugzeugflotte zu erneuern. Natürlich wird darüber gestritten, wie gut ihm das gelingt, und zum Teil sind es erbitterte Auseinandersetzungen: Anwälte von Opfern sind mit Schadenersatzregelungen nicht zufrieden. Wieder andere treibt noch immer die Frage um, wie es passieren konnte, das Krankheit und Selbstmordabsicht des Piloten von seinen Kollegen und seinem Arbeitgeber unbemerkt blieben. Das ist die eine Geschichte. Sie wird Spohr noch lange begleiten – im Detail werden er und sein Unternehmen immer wieder versuchen müssen, Dinge besser zu machen, sei es in der Organisation der Abläufe, in der Technik oder im Verhalten gegenüber den Hinterbliebenen.

Den Angehörigen freilich bringt das alles ihre Lieben nicht zurück. Und Spohr bleibt mit Blick auf seinen unternehmerischen Alltag nur, stets zu betonen, dass Fliegen grundsätzlich das sicherste Transportmittel sei und dies ganz besonders für die Lufthansa und ihre Tochtergesellschaften gelte. Nicht ohne Grund werde jedes zehnte Flugzeug dieser Welt vom Tochterunternehmen Lufthansa Technik gewartet. Sicherheitsregeln würden im Hause eisern befolgt. Schon sein Ausbilder habe ihm einst gesagt, dass man nur in Gott vertrauen könne, den Rest aber kontrollieren müsse. Das sei in der Kultur des Unternehmens tief verankert. Und doch: Ein Restrisiko bleibe.

Das ist das eine. Und dann ist da der Umbau des Konzerns, der Streit mit den 5400 Piloten der Lufthansa. Doch während die Tragödie bleiben wird, hat Spohr Hoffnung, das andere große Thema seiner Amtszeit bald abschließen zu können. Er bewerte das vorgelegte Angebot mit Vorschlägen der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) sehr positiv, sagte Spohr am Dienstagabend im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten. Eine schnelle Einigung bis zum 1. September halte er wegen der Komplexität und Vielzahl der Themen zwar für unrealistisch. Aber „ich freue mich, dass wir wieder reden“, sagte Spohr – und er spüre „im Bauch des Unternehmens“ einen tiefen Wunsch nach Einigung.

Und dann blickt der Mann, der das Glück hat, dass man ihm die Nackenschläge der vergangenen Monate nicht ansieht, mit dem Optimismus, den ein Vorstandschef an den Tag legen muss, in die Zukunft: Lufthansa wolle als größter Luftverkehrskonzern Europas bei der Konsolidierung im Heimatmarkt eine aktive Rolle spielen. Und auf den Angriff von Preisbrechern wie Easyjet oder Ryanair habe man mit der Billigflug-Plattform Eurowings die strategisch richtige Antwort. Das müssen ihm jetzt nur noch die Investoren glauben; denn verglichen mit dem Durchschnitt aller anderen Werte im Aktienindex Dax sind die Papiere der Lufthansa in den vergangenen fünf Jahren stark zurückgeblieben.

Immerhin: Die Kunden buchen weiter rege, und die Bewerbungen stapeln sich. So viel hat der Wirtschaftsingenieur und Pilot Spohr in seinem ersten Amtsjahr als Vorstandschef bei seiner Lufthansa wohl nicht falsch gemacht. Und natürlich fliegt er mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern weiter, auch wenn der Gedanke an Germanwingsflug 4U9525 immer mitfliegt.


2 Lesermeinungen

  1. […] FAZ Ad-hoc: Lufthansa-Chef Carsten Spohr: Im Bauch des Unternehmens […]

  2. MF87 sagt:

    Schadenersatzregelungen
    ja,wie soll ich sagen,hat etwas bitteres und unfassbares ,wie mit den Concorde!
    Und meiner Familie mit ermordeten Angehörigen war Schadenersatz ja ein chuzpe von ein chuzpe ,von….undsoweiter.
    Ach Sie wissen was ich meine.
    Und dieser Lufthansa Chef muß oft tief einatmen!Da bin ich mir sicher.

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