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Bürger können mit den IT-Angeboten des Staates wenig anfangen

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Die IT in deutschen Behörden ist rückständig und nicht vernetzt. Die Bürger wenden sich von den Angeboten ab. Das ist ein Fehler, der viel Geld kostet – ihn zu korrigieren wäre gar nicht teuer.

Der deutsche Staat hat riesige Defizite in der Versorgung seiner Bürger mit elektronischen Dienstleistungen, dem sogenannten E-Government. Ein neues Gutachten für den Normenkontrollrat kommt zu Ergebnissen, die jeden Politiker erschrecken müssen. Denn hier könnte man richtig viel Geld sparen – und müsste auch gar nicht viel Geld investieren, um die entsprechenden Einsparungen zu erreichen.
Zwar komme innerhalb der Verwaltung diverse IT-Unterstützung zum Einsatz, heißt es in dem zum Beginn des Nationalen IT-Gipfels in Berlin vorgelegten Text. Doch den Bürgern bleibe der Weg zum Amt deshalb in der Regel eben nicht erspart. Bislang seien in der Fläche nämlich fast nur Informationsangebote vorhanden. Ein E-Government als vollständig digitales Transaktions- und Interaktionsangebot zur ganzheitlichen Abwicklung von Verwaltungsverfahren ohne Medienbrüche? Das gebe es de facto nicht. Im Gegenteil: Die Hälfte der untersuchten Kommunen stelle jeweils nicht mehr als zwei Online-Dienste zur Verfügung. Damit entsteht ein Teufelskreis. Geringes Angebot, ungenügende Benutzerfreundlichkeit und fehlende Mehrwerte der elektronischen Verwaltungsverfahren führten zu geringer Nutzung. Genauso sei es auch in der Behördenwirklichkeit: Seit einigen Jahren sei sogar eine Tendenz auszumachen, dass nicht mehr, sondern weniger Bürger die Angebote nutzten.

Fehlende Nutzer wiederum führten dazu, dass erhoffte Effizienzgewinne ausblieben und E-Government für die Verwaltung eben keine Entlastung bringe, sondern zum zusätzlichen Kostenfaktor werde. Diese wirtschaftlichen Risiken, gepaart mit rechtlichen Unsicherheiten und organisatorischen Herausforderungen, führten für jede einzelne Verwaltung zu einer schwierigen Anreizstruktur, die den Aufbau neuer Angebote oder die Verbesserung des Bestehenden verhindere, wird beklagt.
Hinzu komme: Der Bürger wolle mit der Verwaltung nichts zu tun haben. Anträge, Formulare oder Meldepflichten würden häufig als notwendiges Übel wahrgenommen. Um E-Government-Angebote auch wirklich zu nutzen, erwarteten die Bürger im Gegenzug aber konkrete Mehrwerte gegenüber den traditionellen – analogen – Verfahren. Als Beispiel werden besondere Nutzerfreundlichkeit und ein deutlich reduzierter Aufwand bei der Abwicklung von Behördenkontakten genannt. Die elektronischen Angebote der Verwaltung müssen deshalb – und noch sehr viel stärker als bei vergleichbaren Lösungen aus der privaten Wirtschaft – besonders einfach, verständlich, nützlich und vertrauensfördernd sein. Genau das sind sie aber offenbar nicht.

Im Gegenteil seien die Bürger häufig nichts anderes als „der Packesel“ für Daten und Nachweise zwischen Behörden. Eine Optimierung des Serviceangebots liege aber auch im eigenen Interesse der Verwaltung. Denn gute Online-Angebote entlasteten die Behörden, da sie im besten Fall eine weitgehende Automatisierung einfacher Massenverfahren ermöglichten. Die Folge: Die Verwaltungsmitarbeiter könnten sich auf beratungsintensive Fälle konzentrieren und hätten in der Folge mehr Zeit für den persönlichen Kontakt.

Daraus ergibt sich für Politiker, die auf die sinnvolle Verwendung von Steuergeldern achten müssen, der vielleicht wichtigste Hinweis: Wirksames E-Government spare nicht weniger als ein Drittel des derzeitigen Aufwandes. Konsequente Digitalisierung der Verwaltungsprozesse, kombiniert mit einer Konsolidierung der eingesetzten E-Government-Komponenten, berge Effizienzpotentiale in Milliardenhöhe. Die Hochrechnung möglicher Entlastungspotentiale zeigte, dass 34 Prozent der derzeitigen Aufwände von Nutzern und Verwaltung eingespart werden könnten.

Rund 13 Milliarden Euro gebe die öffentliche Verwaltung jährlich für die Informationstechnologie aus – vom Personalcomputer am Arbeitsplatz über das Gehalt des Administrators bis hin zum Bürgerserviceportal. Wirksames E-Government durch Optimierung der wichtigsten 60 Verwaltungsleistungen erfordere im Idealfall aber nur Investitionskosten von 1,7 Milliarden Euro für die Entwicklung und den anschließenden fünfjährigen Betrieb.

Bei konsequenter Umsetzung fielen die zusätzlichen Investitionen für wirksames E-Government also bescheiden aus; sowohl in Relation zu den möglichen Einsparpotentialen als auch zu den gegenwärtigen Ausgaben. Die derzeit üblichen isolierten Leuchtturmprojekte hingegen hätten bisher nicht dazu geführt, die eigentlichen Schwierigkeiten beim Aufbau wirksamen E-Governments zu lösen. Stattdessen begünstigen diese Einzelprojekte sogar inkompatible und damit auch wenig massentaugliche (im Fachjargon: skalierbare) Insellösungen. Sie trügen im Zweifel sogar eher zu einer zerklüfteten und heterogenen E-Government-Landschaft bei. Ein stabiles Fundament für ein wirksames E-Government in der Fläche entstehe so nicht. Wirksames E-Government hingegen fasse IT-Komponenten über Zuständigkeitsgrenzen föderaler Ebenen und Ressorts zusammen. Davon aber ist man in Deutschland offenbar weit entfernt.

Der Nationale Normenkontrollrat ist ein beim Bundeskanzleramt eingerichtetes unabhängiges Beratungs- und Kontrollgremium der Bundesregierung. Es soll dafür sorgen, dass bei gesetzlichen Regelungen die Folgekosten für Bürger, Unternehmen und Verwaltung deutlich und nachvollziehbar ausgewiesen werden. Diese Transparenz soll Entscheidungsträgern in Regierung und Parlament helfen, sich die Konsequenzen bewusst zu machen, bevor sie entscheiden. Ziel ist es, dass unnötige Bürokratie und gesetzliche Folgekosten begrenzt und abgebaut werden. Insofern hat sich der Rat mit der IT ein Betätigungsfeld ausgesucht, das perfekt zu seinen Aufgaben passt.


1 Lesermeinung

  1. Fsteiner sagt:

    Auch: Mehrfachentwicklung, weil Bundesländer nicht zusammenarbeiten
    Ich hatte nur Einblick in ein kleines Stück, aber als IT Consultant habe ich einmal an einer Verwaltungssoftware mitgearbeitet. Diese galt nur für ein Bundesland. Es sah so aus, als ob ein (Groß?-) Teil der Software in vielen Bundesländern komplett neu entwickelt wird. Das ist sehr schön für mich und meine Kollegen, denn wir sind sehr teuer. Neben den Kosten sind da natürlich auch die allgemein die Nachteile vieler verschiedener Software, von Anwenderseite bis zu Wartung. Sicher wird das damit begründet, dass ja die Landesgesetze unterschiedlich sind – aber erstens, so sehr dürfte sich das ja nicht unterscheiden, und zweitens, das wäre für mich eher ein Grund der Anpassung, anstatt diesen großen Mehrfachaufwand zu betreiben.

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