Ad hoc

Der Chefverkäufer des TTIP-Abkommens: Bernhard Mattes

Bernhard Mattes ist der Deutschlandchef von Ford – und Präsident der American Chamber of Commerce in Deutschland. Für das umstrittene Freihandelsabkommen kämpft er mit Leidenschaft. Längst hat er gemerkt, dass in dem Wort das Verb “leiden” steckt.

Bernhard Mattes ist im Hauptberuf der Deutschlandchef des amerikanischen Autoherstellers Ford. Zudem ist er aber auch Präsident der American Chamber of Commerce in Deutschland – und deshalb einer der wichtigsten Förderer des Transatlantischen Handelsabkommens TTIP. Mit diesem Hintergrund ist er einer der engagiertesten Lobbyisten für den Vertrag. Und mit der Rollenbeschreibung ist sogleich der negative Zungenschlag in der Debatte, der die gesamte Diskussion über die TTIP-Verhandlungen seit geraumer Zeit prägt.

Den Vertrauensverlust gegenüber den politischen und wirtschaftlichen Eliten, die sich für das Handelsabkommen einsetzen, spürt Mattes natürlich auch. Er bemerkt, wie schwierig es geworden ist, Menschen von den Vorteilen zu überzeugen, die das Handelsabkommen nach seiner Überzeugung für die Wirtschaft insgesamt und die Arbeitsplätze eines jeden Einzelnen hat. Ob der Mann, der in Deutschland schon seit 2002 an der Spitze von Ford steht, deshalb auch schon einmal persönlich beschimpft oder bedroht worden ist? “Nein”, sagt Mattes im Gespräch mit dieser Zeitung. Und er setzt darauf, noch breitere Schichten der Bevölkerung davon überzeugen zu können, dass manche Kritik am Abkommen einfach nur eine Unterstellung sei.

Ob Verbraucherschutz oder Datenschutz, keine europäische Regelung werde nach dem Vertragsabschluss weicher ausfallen als bisher. “Ich weiß von Ford, wie vorsichtig in amerikanischen Unternehmen zum Beispiel mit personenbezogenen Daten umgegangen wird”, beteuert der am 8. Juli 1956 in der VW-Stadt Wolfsburg geborene Mattes. An ihm selbst soll es ohnehin nicht scheitern. Auf diversen TTIP-Foren hat sich Mattes der Kritik am Abkommen schon gestellt; an insgesamt rund 100 Infoveranstaltungen hat die AmCham Germany nach seinen Worten bereits teilgenommen oder hat diese selbst veranstaltet. Mehr sollen es werden. Zudem ist man Partner der Bürgerdialoge der Europa Union, die unter anderem auch der BDI seit 2014 als Partner unterstützt. Zu Beginn der Verhandlungen sei es in Fragen der Transparenz “übertrieben zurückhaltend” zugegangen. In der Hinsicht habe sich aber vieles verbessert.

Die politischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union hätten sich zum Beispiel durch den NSA-Skandal auch nur nach außen hin verschlechtert. Tatsächlich pflegten die Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks nach wie vor einen guten Austausch – und für die Wirtschaft gelte das ohnehin. Für Deutschland hätten sich die Vereinigten Staaten inzwischen zum größten Exportmarkt noch vor Frankreich entwickelt: “Auch die Rückmeldungen unserer amerikanischen Mitgliedsunternehmen mit Blick auf die Investitionsmöglichkeiten am Standort Deutschland sind gut.” Und was die normalen Bürger angehe: “Im Urlaub in den Vereinigten Staaten empfindet man alles Amerikanische plötzlich als positiv – vom Tütenpacker an der Supermarktkasse bis hin zum Motor mit großem Hubraum im Leihwagen. Dann ist weder von Mindestlohn noch von Umweltstandards die Rede.”

Aber Mattes, der vor seiner Zeit bei Ford lange Zeit auch in Diensten des deutschen Wettbewerbers BMW gestanden hat, ist klar, dass solche anekdotischen Hinweise in der TTIP-Debatte nicht helfen. Vielmehr gelte es neben der größeren Transparenz, die auch mit Blick auf die Verhandlungsinhalte des Vertrages inzwischen aber erreicht worden sei, die Menschen auch davon zu überzeugen, dass die Einhaltung ethischer Grundsätze in Unternehmen künftig weiterhin eine große Rolle spielen werde. Es gehe eben nicht darum, Gewinne zu verschieben. Vielmehr gelte: “Was mit europäischen Gesetzen nicht vereinbar ist, wird nicht vereinbart.” Auch ein deutsches Lebensmittelgesetz zum Beispiel werde durch TTIP nicht verändert.

So klingt es auch, wenn man die jüngsten Einlassungen der EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hört. Im Abkommen müssten “anspruchsvolle Normen” für Umwelt und Arbeit festgelegt werden, die in der EU und in den Vereinigten Staaten gelten müssten, hatte Malmström erst vor einigen Tagen gesagt. Sobald eine entsprechende Einigung erzielt sei, sollten beide Seiten darauf dringen, dass die Standards auch global eingeführt würden. Es gehe in der Handelspolitik “nicht einfach nur um unsere Wirtschaftsinteressen, sondern auch um Wertvorstellungen”. Als Beispiele nennt sie die Bekämpfung von Kinderarbeit, unzureichende Arbeitnehmerrechte oder “unverantwortliches” Verhalten von Unternehmen. Der Kommissionsvorschlag ist Teil der von Malmström kürzlich ausgerufenen neuen handelspolitischen Strategie, mit der die Kommission möglichst viel Transparenz schaffen und so den TTIP-Gegnern entgegenkommen will.

Das ist ganz im Sinne von Mattes, der glaubt, dass die Verhandlungen in den Fragen von Zöllen, der gegenseitigen Anerkennung von Standards, der öffentlichen Daseinsvorsorge oder auch der Kultur die Fortschritte in den Verhandlungen schon sehr groß und die Vorwürfe der Kritiker gegenstandslos geworden sind. Offen seien hingegen noch wichtige Punkte im Investitionsschutz. Allerdings ist Mattes’ Meinung hier klar: “Wir brauchen Schutzklauseln und Schiedsgerichtsverfahren mit professionellen Richtern. Die Ansätze des jüngsten EU-Vorschlags gehen in diesen Punkten in die richtige Richtung.”

Mattes hält auch daran fest, dass das Abkommen als Paket zu Ende verhandelt werden muss. Es bringe nichts, nur einzelne Teilbereiche zu verabschieden. Es gebe dafür auch noch genug Zeit. “Präsident Barack Obama hat gesagt, dass er sich bis zum letzten Tag seiner Amtszeit für das Angebot einsetzen wird”, sagt Mattes. “Wir brauchen ein wegweisendes Abkommen, keines, dass zum Beispiel nur mit Zöllen Schluss macht.” Angesichts der Digitalisierung ganzer Industriezweige sei die Wirtschaft mit einer disruptiven Entwicklung konfrontiert, auch hierauf müsse das Abkommen eine Antwort finden.

Vor diesem Hintergrund sei es auch wichtig, mehrere Wochen nach dem “Safe-Harbor”-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wieder Rechtssicherheit für die Unternehmen herzustellen. Derzeit seien global agierende Unternehmen in ihrer Handlungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. “Wir bewegen uns vom transatlantischen digitalen Raum zur digitalen Kleinstaaterei”, sagte Mattes dazu. Es werde dringend eine einheitliche Regelung benötigt. Auch die vermeintliche Lösung, Daten künftig in Europa zu speichern, sei nicht tragfähig.

Alle international tätigen Unternehmen müssten zum Zwecke der Börsenaufsicht oder anderer Aufsichtsbehörden personenbezogene Daten auch in Drittländer transferieren. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei die Verarbeitung von Daten in europäischen Rechenzentren keine Lösung mehr. “Es sei denn, die Unternehmen betreiben ihre Geschäfte ausschließlich im europäischen Raum. Das aber hat mit der Wirklichkeit wenig zu tun”, sagt Mattes. Und spricht dabei aus tiefster eigener Erfahrung.

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