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China hängt Deutschland in der Elektromobilität ab

| 3 Lesermeinungen

Das Wachstum der Elektromobilität wird auf der Welt vom chinesischen Markt getrieben. Denn in den ersten neun Monaten des Jahres 2015 ist der Absatz von Elektroautos in China um 135 Prozent auf 100 000 gestiegen, womit China die Vereinigten Staaten als größten Markt für Elektrofahrzeuge abgelöst hat. In Amerika hingegen ist der Marktanteil sogar von 0,7 auf 0,6 Prozent gefallen. Und Deutschland wird sein Ziel, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen, auf dem bisher eingeschlagen Weg ganz gewiss nicht erreichen.

Insgesamt konnten von Januar bis September auf der ganzen Welt rund 335 000 Elektrofahrzeuge verkauft werden. Im gesamten Jahr werden nach einer Prognose des Center of Automotive Management (CAM) rund 500 000 Elektroautos abgesetzt, wobei dann fast jedes dritte Elektroauto in China neu zugelassen wird. Damit steige China zum Leitmarkt für Elektromobilität auf. Insgesamt aber bleibe der globale Marktanteil von Elektrofahrzeugen mit 0,65 Prozent sehr niedrig. Deutschland hingegen ist derzeit weder Leitmarkt noch Leitanbieter von Elektromobilität. Bis September 2015 wurden hierzulande nur 15 000 Elektrofahrzeuge abgesetzt, was trotz einer Steigerung von 63 Prozent einem Marktanteil von 0,63 Prozent entspricht. Während die rein elektrischen Fahrzeuge um 22 Prozent zulegten, konnten die Plug-in-Fahrzeuge im Vergleich zur selben Zeitspanne des Vorjahres einen Zuwachs um 147 Prozent verbuchen.

Deutlich wird die Verteilung am Beispiel VW Golf: Von den 26 251 verkauften Golf-Modellen im Oktober waren nur 91 Erdgasfahrzeuge, 151 Plug-in-Hybride und 67 reine Elektrofahrzeuge. Bis Oktober wurden von allen Herstellern zusammen 45 000 Autos mit alternativen Antrieben neu zugelassen. So viele Autos verkauft Volkswagen aber allein vom Golf mit konventionellen Motoren in knapp zwei Monaten. Insgesamt ist zu erwarten, dass der E-Absatz im Gesamtjahr in Deutschland nur auf rund 21 000 Fahrzeuge steigen wird (plus 60 Prozent), schreibt das CAM in seiner Auswertung.

Hinzu kommt: Das Wachstum der Elektromobilität ist überall auf der Welt stark von öffentlichen Förderkulissen abhängig, da die Elektroautos bislang – von wenigen Ausnahmen wie Tesla abgesehen – aus Kundensicht kaum wettbewerbsfähig sind. „Es braucht Innovationen, die das Problemcluster Reichweite, Infrastruktur, Preis lösen“, wird dazu Studienleiter Stefan Bratzel zitiert. Seit Jahren sei bekannt, dass die Reichweiten von nur 100 bis 150 Kilometern von den Kunden nicht akzeptiert würden, da es an einer umfassenden Schnellladestruktur mangele. Notwendig seien Reichweiten von mindestens 300 bis 500 Kilometern und eine entsprechende Ladeinfrastruktur. Trotz Einschränkungen der Funktionalität seien die Kosten für Elektroautos zudem zum Teil erheblich höher als bei herkömmlichen Fahrzeugen. Notwendig sei die Neufokussierung der Innovationsaktivitäten der globalen Automobilhersteller in Richtung alternativer Antriebe, insbesondere in Deutschland. Hier gebe es Nachholbedarf. Das zeige die Analyse von rund 2600 Antriebsinnovationen seit 2005: Dabei ergibt sich, dass die weitaus meisten Antriebsinnovationen der Optimierung von konventionellen Benzin- und Dieselmotoren zuzurechnen sind.

Zu den meistverkauften Elektroautos im laufenden Jahr bis einschließlich September zählen die Modelle Nissan Leaf und Tesla Model S, von denen 2015 bislang jeweils mehr als 30 000 elektrische Fahrzeuge abgesetzt werden konnten. Es folgen mit dem Mitsubishi Outlander und dem BYD Qin zwei Plug-in-Hybride mit mehr als 25 000 Verkäufen, gefolgt vom rein elektrisch angetriebenen BMW i3, der nach neun Monaten auf 18 000 Fahrzeuge kommt. Nur je rund 10 000 bis 12 000 Fahrzeuge können die nächstplazierten Modelle Renault Zoe, Volkswagen e-Golf, Chevy Volt und Baic und Golf GTE für sich verbuchen. Modellübergreifend führt die Liste der absatzstärksten Elektroautohersteller Nissan an – mit rund 39 000 Elektrofahrzeugen, gefolgt vom stark expandierenden chinesischen BYD Konzern (37 000) sowie Tesla (33 000), Mitsubishi (32 500), Volkswagen (24 000) und BMW (22 000). In Deutschland werden die hohen Erwartungen an die Elektromobilität bislang also eindeutig nicht erfüllt. Die deutschen Automobilhersteller BMW, Daimler, Volkswagen/Audi hätten in den vergangenen Jahren zwar ihre Kompetenzen im Bereich der Plug-in Hybride und der Elektromobilität ausgebaut. Allerdings reichten die Innovationsanstrengungen derzeit nicht, damit Deutschland der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen könne, ist Bratzel überzeugt.

Insbesondere liege mit der Batteriezelltechnologie ein zentraler Baustein bislang nicht in Deutschland, sondern in Asien. Wenn Deutschland nicht weiter zurückfallen wolle, brauche es eine konzertierte Aktion von Herstellern, Zulieferern und der Regierung, um die nächste oder übernächste Generation von Batteriezellen wieder in Deutschland entwickeln und zum Teil produzieren zu können. Zudem müssten hierzu bessere regulatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden. Nicht zuletzt müsse der Aufbau einer Schnellladeinfrastruktur verstärkt werden, fordert Bratzel. Die Hersteller lassen sich aber noch nicht verdrießen: Volkswagen hat jüngst eine Elektroauto-Offensive angekündigt. Und BMW und Daimler verhandeln darüber, auf diesem Gebiet künftig enger zu kooperieren.


3 Lesermeinungen

  1. […] FAZ Ad-hoc: China hängt Deutschland in der Elektromobilität ab […]

  2. Syntax sagt:

    China hängt Deutschland in der Elektromobilität ab, oder...
    Chinas Miß/Erfolg hängt von Deutschlands Miß/Erfolg ab?
    Wem soll ich jetzt die Daumen drücken, als globaler Weltbürger?
    Möge die humane Vernunftreifung siegen und uns alle zu
    Fußgänger und Fahrradfahrer machen, also zu unermeßlichen
    (Vernunft-Leben-Reinheit-)Energie-Gewinnern:=)

  3. thiotrix sagt:

    Wie sieht die Ökobilanz eines Elektroautos aus?
    Ich erinnere mich an einen Bericht, nach dem 70 % der Energie, die ein Auto „von der Wiege bis zur Bahre“ braucht (also Produktion + Kraftstoffverbrauch während der Laufzeit) auf die Produktion entfällt und nur 30 % auf den gesamten Kraftstoffverbrauch. Wie energieintensiv ist die Herstellung der Batterien (und deren Entsorgung und Wiederaufbereitung)?
    Hier hätte ich gerne konkrete Zahlen. Vermutlich ist die Elektromobilität wieder ein ökologisches Nullsummenspiel oder gar ein Minus, so wie die Biodiesel-Produktion mit Ölpalmen auf gerodeten Regenwaldflächen?
    Wenn es um die CO2-Einsparung geht, ist ein altes Diesel-Schätzen vermutlich die ökologisch beste Alternative! Und das Elektroauto ist bei den gegenwärtigen Preisen und Reichweiten eher ein Spielzeug für große reiche Jungs, aber keine Alternative zur Massenmobilität. Da sind Otto- und Dieselmotoren so schnell nicht zu schlagen.

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