Ad hoc

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Unternehmen bestimmen unser tägliches Leben. Aber was bewegt die Unternehmer? Über Trends, Technologien und Menschen, die sie bestimmen.

Solarflieger Bertrand Piccard: An alle, die lachend auf dem Sofa sitzen

Bertrand Piccard und seine Familie zeigen den Menschen immer wieder, was man erreichen kann. Aber auch, wie man scheitert – und wie man damit am besten umgeht.

Bertrand Piccard ist kein Abenteurer, wenn man das Wort so versteht, dass man ihn mit einem Hasardeur verwechseln könnte. Denn der in Lausanne geborene Piccard ist ein sehr rational denkender Mensch und ein gebildeter obendrein. Das gilt auch für seinen Vater und seinen Großvater – aber es gibt noch etwas Besonderes, das sie alle miteinander verbindet. In der Familie steckt ein Gen, das ganz offensichtlich dazu animiert, immer wieder an neue Grenzen vorzustoßen und auszuprobieren, wie man sich dabei fühlt. Piccard umkreiste als erster Mensch die Erde in einem Ballon, sein Großvater fuhr schon 1932 mit einem Ballon auf 16 940 Meter Höhe in die Stratosphäre. Und sein Vater brach den Tiefseetauch-Weltrekord.

Bertrand Piccard und sein Partner auf dem WEF in Davos.© Carsten KnopBertrand Piccard und sein Partner auf dem WEF in Davos.

Wer diese Aufzählung liest, könnte auf die Idee kommen, dass den Piccards alles gelingt. Das Gegenteil ist der Fall. Von Piccard kann man lernen, wie man mit Niederlagen umgehen sollte. Denn auch davon gibt es reichlich.

Hinfallen, aufstehen, es wieder versuchen – das ist die wahre Geschichte, um die es in der Familie geht. Und die Lehre daraus? „Wenn man es wieder versucht, sollte man es nicht ganz genauso machen wie in dem gescheiterten Versuch zuvor“, sagt Piccard. Das klingt trivial, und doch ist es im Leben nicht immer einfach, diesen Rat auch in die Tat umzusetzen. Piccard und sein Partner André Borschberg müssen seit einigen Monaten genau das tun. Denn ihr gemeinsamer Versuch, als Flugzeugentwickler und Piloten 40 000 Kilometer rund um die Welt zu fliegen, ohne auch nur einmal zu tanken, ist im vergangenen Jahr nicht so verlaufen, wie sie es sich vorgestellt hatten. Das Fluggerät, die Solar Impulse, holt sich den nötigen Antrieb allein aus der Kraft der Sonne. Das hat auch prima geklappt, zunächst. Doch nach der achten und längsten Etappe, welche die Solar Impulse nach ihrem Start in Abu Dhabi letztlich nach Hawaii führte, war erst einmal Schluss.

Es wurde klar, dass die von den Solarzellen aufladbaren Batterien, die das Flugzeug auch nachts am Himmel halten, beschädigt waren. Die 117 Stunden und 52 Minuten lange Etappe über den Pazifik hat sie überhitzt. In diesem Jahr aber soll es weitergehen, sagte Piccard am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. Das Team werde sich dafür wieder zusammenfinden – und gewiss aus alten Fehlern gelernt haben.

Natürlich wurde viel gespottet, als die Unternehmung in Hawaii ein vorläufiges, unerwartetes Ende fand. Aber das sei für sie nichts Neues, sagen Piccard und Borschberg: „Wer scheitert, gibt denjenigen, die sowieso nie aus ihrem Sofa hochkommen, stets die Begründung dafür, dass ihr lethargisches Verhalten richtig ist. Die lachen einfach – und machen selbst nichts.“ Die anderen aber sind das eine. Wie man selbst mit derartigen Rückschlägen umgeht, das ist das andere: „Man muss in der Lage sein, sich selbst zu beobachten und sich mit entsprechendem gedanklichen Abstand selbst zu organisieren“, sagt Borschberg. Und beide wissen: „Ein jeder Mensch kann eine Sache ganz besonders gut.“ Darauf könne man immer aufbauen; ihre jeweiligen Stärken jedenfalls ergänzten sich perfekt.

In Davos will davon auch Kofi Annan, der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, etwas erfahren, der zum gemeinsamen Auftritt der beiden plötzlich im Saal erschien. Es ist ja auch eine unglaubliche Lebensgeschichte, die Piccard vorzuweisen hat. Und wenn es nur darum ginge, der Welt zu zeigen, wie fit man noch sein kann, wenn man am 1. März sein 58. Lebensjahr vollendet. Denn der hauptberufliche Psychiater ist in Topform.

In Extremsituationen begibt er sich auch, um herauszufinden, wie sich der Mensch und sein Bewusstsein in Extremsituationen verhalten: „Es wird Momente der Angst geben“, hatte Piccard schon vor dem Abflug der Solar Impulse zugegeben. Ein Problem sei das aber nicht: „Ich muss nur vermeiden, dass daraus Panik wird.“ Wer Piccard begegnet, bezweifelt freilich, dass dieser Mensch jemals in Panik geraten könnte.

Und doch greifen Piccard und Borschberg auf dem Flug noch zu dem einen oder anderen Trick: Piccard hat sich schon früh mit Hypnosetherapien beschäftigt. Um die Konzentration während des Flugs trotz der enormen Anstrengung hoch zu halten, setzen die beiden Flugpioniere zudem spezielle Yoga- und Meditationstechniken ein. Und an menschlichem Versagen ist das Vorhaben ja auch nicht gescheitert, soweit man davon überhaupt sprechen kann. Es war nur die Technik, von der die beiden Pioniere aber noch immer überzeugt sind. Sie sind sicher, dass sie es in diesem Jahr zurück nach Abu Dhabi schaffen werden – und dass der Siegeszug erneuerbarer Energien auch unten auf dem Boden nicht aufzuhalten sein wird. „Sich zu verändern ist möglich“, sagt Piccard zu allen, die ihr Sofa so lieben.