Hand aufs Herz: Das hätte man doch nicht vermutet – in der heutigen Zeit, nach Wikileaks, nach den Enthüllungen von Edward Snowden, dem Belauschen des Handys der Kanzlerin: Der Chef der amerikanischen Bundespolizei FBI hat vor dem Kongress in Washington gesagt, dass die immer weiter verbesserte Verschlüsselung von Daten ein Problem für die nationale Sicherheit seines Landes und bei Strafermittlungen darstellte. Die Behörden seien daher auf die Kooperation der großen Informationstechnologie-Konzerne wie Apple, Google und Co. angewiesen. Wörtlich sagte er: „Wir kommen nicht an die Daten ran.“
Ist das mit Blick auf die Diskussionen der vergangenen Jahre nicht unglaublich? Und dann sagte er noch: „Die Leute schauen Fernsehen und meinen, wir könnten alles. Aber das ist nicht so: Wir kommen da nicht ran.“ Ein Scherz, oder nicht? Europa streitet mit Amerika über ein Safe-Harbor-Abkommen für seine Daten, alle haben Angst vor der NSA – und das FBI kommt „da nicht ran“? Verrückte Welt.
Dazu passen die Einlassungen von Tim Cook, dem Vorstandschef von Apple. Der schrieb an seine Kunden, dass sein Unternehmen das FBI wie vorgeschrieben unterstütze und den Ermittlern auch alle ihm vorliegenden Daten im Zusammenhang mit dem schrecklichen Attentat vor ein paar Wochen im kalifornischen San Bernadino zur Verfügung stelle. Doch dann fügte er an: „Aber jetzt hat das FBI nach etwas gefragt, was wir nicht haben – und auch zu gefährlich finden, es zu erschaffen.“ Apple ist es im Moment nicht möglich, die automatische Löschfunktion in seinen iPhones abzuschalten, die dazu führt, dass nach zehn falsch eingegebenen Passwörtern alle Daten gelöscht werden. Und Cook will eine solche auch nicht programmieren lassen. Der Konzern betont auch stets, dass er technisch gar nicht in der Lage sei, die Verschlüsselung der Geräte auszuhebeln. Aber was sagt das über den Umgang von Apple mit rechtsstaatlichen Institutionen aus? Es ist eine verrückte Welt.
Das hatte auch unsere österreichische Vermieterin im Skiurlaub gesagt. Sie betreibt mit ihrem Mann in einem umgebauten alten Bauernhof in der Nähe von Bad Gastein einen Übernachtungsbetrieb mit Ferienwohnungen. „Jeden Tag steht man auf und wundert sich beinahe, dass hier noch alles so ist, wie es ist“, war ihr Kommentar zur Flüchtlingskrise. Das war keine radikale Bemerkung. Die hart arbeitende Frau kam einfach nur aus dem Staunen nicht heraus, hatte die mit Flüchtlingen überfüllten Parkhäuser in Salzburg gesehen, voller Menschen, die im Herbst nach Deutschland wollten. Sie hatte in einem Zug nach München erlebt, wie unerwartet der Fernverkehr nach Deutschland eingestellt wurde. Und sie ärgert sich darüber, dass die Gäste jetzt eine neue Frage haben: Wie lässt sich der Rückstau vor dem Grenzübergang bei Bad Reichenhall auf der Heimfahrt am besten umfahren? Die Welt ist verrückt geworden.
In Europa schließen sich nun also die Grenzen. Der Verkehr gerät ins Stocken. Daten wiederum dürfen in die Vereinigten Staaten schon länger nicht mehr so ohne weiteres fließen, obwohl das FBI noch nicht einmal in der Lage ist, den wahren „safe harbor“ eines iPhone zu knacken. Gut, das war jetzt polemisch. Aber in Sachen Digitalisierung eben mindestens so viel falsch wie in der Flüchtlingskrise. Beides hat gravierende Folgen, auch vor der eigenen Haustür.
In einem Gutachten, das jährlich für die Bundesregierung zum Stand von Forschung und Innovation in Deutschland geschrieben wird, heißt es sinngemäß, dass deutsche Unternehmen in der digitalen Wirtschaft erstens allenfalls Mittelmaß seien. Viel mehr Serviceroboter müssten gebaut werden. Bildung, Forschungförderung, vieles liegt im Argen. Gäbe es im Gutachten Schulnoten, stünde am Ende wohl eine Fünf.
Die Kanzlerin nahm das Gutachten entgegen, weiß um die Bedeutung des Themas, hat im Moment allerdings wahrlich andere Sorgen. Immerhin: Vielleicht wird ihr Handy nicht mehr abgehört. Ganz sicher aber: Die Amerikaner können den Inhalt nicht knacken. Vielleicht ist dort der richtige Platz für einen Geheimplan dazu, wie sich das Land so schnell wie möglich fit für die Digitalisierung machen lässt – und derzeit noch wichtiger – zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Vermutlich ist der Speicher an dieser Stelle jedoch ziemlich leer. Und das ist am Ende eines wichtigen Gipfeltreffens in Brüssel die bitterste Erkenntnis der ganzen Woche.