Ad hoc

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Bald fahren wir mit dem Robotertaxi

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Die Autobranche steht vor einem radikalen Wandel. Carsharing und autonomes Fahren sind schon fast ein alter Hut. Aber was wird in diesem Szenario eigentlich aus den Autoherstellern – und den Taxifahrern?

Viel zu selten haben Prognosen von Beratern einen Überraschungseffekt. Dass in den kommenden zehn Jahren Carsharing- und Mitfahrmodelle einen immer größeren Anteil am gesamten Mobilitätsangebot haben werden – diese Aussage ist noch keine Erkenntnis, für die man teure Berater bezahlen müsste. Aber in ihrer jüngsten Untersuchung zur Zukunft des Automarkts haben die entsprechenden Branchenfachleute von Roland Berger dann doch noch etwas zuvor Ungehörtes eingebaut: Sie glauben, dass autonom fahrende Taxis, sogenannte „Robocabs“, bis zum Jahr 2030 voraussichtlich einen Anteil von 30 Prozent am Mobilitätsangebot haben werden. Bis dahin würden dann nur noch 45 Prozent der gefahrenen Kilometer im eigenen Auto zurückgelegt werden. Zum Vergleich: Heute sind es noch 70 Prozent.

Diese radikale Entwicklung werde folgerichtig deutliche Folgen für die gesamte Automobilindustrie haben, davon ist man bei Roland Berger überzeugt. Sie nennen fünf Punkte, die für traditionelle Hersteller besonders wichtig sind, um gegen zukünftige Veränderungen gewappnet zu sein. So sollten traditionelle Unternehmen ihre organisatorischen Strukturen aufbrechen. In Zeiten zunehmender Umweltverschmutzung und dichtbesiedelter Metropolen rückten zudem effiziente, bequeme und umfassende Mobilitätsangebote in den Fokus. Autohersteller sollten drittens stärker die Kundensicht berücksichtigen und sich nicht ausschließlich auf die Produktoptimierung fokussieren. So seien für umfassende Mobilitätsangebote neue Apps, eine breite Datenerfassung und intelligente Algorithmen für die sinnvolle Nutzung von Big Data unverzichtbar. Zudem sollten alle Produktionsabläufe überprüft und Prozessinnovationen in den Vordergrund gestellt werden. Fünftens gelte es, das Geschäftsmodell in Richtung Mobilitätsdienstleistungen anzupassen – bis hin zu den Arbeitsbedingungen: Weg von starren, hierarchisch geprägten Strukturen hin zu einer Kultur, die auch für „Digital Natives“ attraktiv sei.

Eine besonders wichtige Rolle im neuen Ökosystem, auf das sich die Industrie einstellen müsse, spiele das autonome Fahren – bis hin zu Taxis. „Die amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde hat vor kurzem den Computer als möglichen Fahrer zugelassen. Damit ist ein weiterer Meilenstein in Richtung selbstfahrender Autos genommen“, schreibt Wolfgang Bernhart, Partner von Roland Berger. „Robocabs werden sich deshalb in den Großstädten sukzessive als kostengünstige und bequeme Alternative zum eigenen Auto etablieren.“

Doch schon jetzt verändere sich die Haltung der Autofahrer gründlich, unterstützt durch den Trend zur „Shared Economy“. So entstünden auch im Mobilitätsbereich neue Geschäftsmodelle, die mit den traditionellen Automobilherstellern um den Markt konkurrieren. „Natürlich werden auch in Zukunft noch Autos produziert und verkauft werden“, sagt Bernhart. „Aber die margenträchtigsten Geschäftsmodelle finden sich künftig im Bereich der Mobilitätsdienstleistungen. Die entscheidende Frage ist, wer diese Gewinne für sich beanspruchen wird.“

In ihrer Analyse kommen die Fachleute zu dem Ergebnis, dass selbstfahrende Autos bis 2030 rund 40 Prozent des Gesamtgewinns der Automobilbranche ausmachen werden. Die traditionellen Hersteller sind in diesem Szenario die Verlierer. 2015 konnten sie noch knapp 40 Prozent des Gewinns auf sich konzentrieren; 2030 werden es nur noch knapp über 20 Prozent sein. Die Zuliefererindustrie trifft es dabei nicht weniger hart. Nach den Roland-Berger-Berechnungen wird sich ihr Anteil am Gewinn voraussichtlich halbieren: von rund 30 Prozent im Jahr 2015 auf weniger als 15 Prozent 2030.

Auf der anderen Seite würden in diesem neuen Umfeld auch neue Geschäftschancen für die Automobilhersteller entstehen. Zum einen könnten sie sich selbst zu einem wettbewerbsfähigen Anbieter von Mobilitätslösungen weiterentwickeln. Zum anderen könnten manche der heutigen Autobauer sich zukünftig als Zulieferer für Mobilitätsanbieter etablieren, zum Beispiel indem sie sich auf die hocheffiziente Fertigung vollautonomer Fahrzeuge nach den Spezifikationen eines Mobilitätsanbieters spezialisierten.

Sicher sei, dass die traditionellen Automobilhersteller nicht mehr allein auf dem Markt sein werden – neue Akteure drohten, etablierte Spieler nach und nach in die zweite Reihe zu drängen. Dabei würden neue Anbieter mit innovativen Geschäftsmodellen vor allem den direkten Kontakt zu den Endkunden suchen: „Für individuelle Beziehungen zwischen Nutzern von Mobilitätsdiensten und Herstellern von Fahrzeugen gibt es in einer Welt autonom fahrender Robotaxis immer weniger Spielraum und Bedarf“, sagt Roland-Berger-Partner Jan-Philipp Hasenberg. Eine Beobachtung, die damit auch für künftig vielleicht häufiger arbeitslose Taxifahrer gelten dürfte.

Die meisten Autohersteller spürten den Wandel schon
und hätten deshalb neue Angebote auf den Markt gebracht – von Elektroantrieben über Carsharing-Angebote bis hin zu weiteren Mobilitätsservices. Doch nach Ansicht von Roland Berger sind das Initiativen, die im Kerngeschäft nur ungenügend verankert seien. Meistens handele es sich noch um Experimente rund um das bestehende Geschäftsmodell oder um die Optimierung aktueller Technologien.


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