Gerade eben erst mit einem alteingesessenen Frankfurter Kollegen (und Eintracht-Fan) im Zug am früheren Henninger Turm vorbeigefahren: Dort entsteht derzeit ein Gebäude, das äußerlich an den alten, vor Jahren abgerissenen Turm der Brauerei gleichen Namens erinnert. Der Turm war eines der Wahrzeichen der Stadt – jetzt wächst dort ein Bau in die Höhe, der ein exklusiver Wohnturm voller Eigentumswohnungen für Gutbetuchte wird. Der waschechte Frankfurter schaut, legt die Stirn in Falten – und sagt: „Das überflüssigste Gebäude der Stadt.“
Manchmal geht es also aufwärts, ohne dass die Menschen sich darüber richtig freuen können. Und das ist nicht nur an Ort und Stelle des alten Henninger Turms der Fall. Denn die einzige Stadt in Deutschland, die eine echte Skyline zu bieten hat, verändert sich in atemberaubender Geschwindigkeit. Überall wird gebuddelt – und dabei vor allem in die Höhe gebaut. Frankfurt steigt auf.
Das findet längst auch überregional Aufmerksamkeit, wie in dieser Woche ein Blick durch diverse Zeitungen und Zeitschriften gezeigt hat: Denn auch für den höchsten Wohnturm der Republik, den luxuriösen „Grand Tower“ im Europaviertel, haben inzwischen die ersten Arbeiten begonnen. Mit mindestens 172 Metern soll er in den Himmel ragen. Da hat Frankfurt ein Alleinstellungsmerkmal. Denn in München zum Beispiel sind nur kleinere Wohnhochhäuser erlaubt – in diesem Punkt sehen also die Bayern einmal alt aus, was beim Fußball freilich nicht hilft.
In Frankfurt wundert sich vielleicht der eine oder andere, vor allem über die Eintracht, aber von den weltstädtischen Gebäuden wirklich gestört fühlt sich niemand. Es gibt ja schon reichlich davon. Hinzu kommt – hätten Sie es gewusst? –, dass die Stadt jedes Jahr um 15 000 Menschen wächst, aber in der Fläche dieses Wachstum nicht gut verdauen kann. Inzwischen werden sogar Hochhäuser im mittleren Preissegment geplant – zum Beispiel im verkehrsgünstig gelegenen Kaiserlei-Viertel an der Grenze zum in Frankfurt eher unbeliebten Nachbarn Offenbach.
Um sich im wahrsten Sinne des Wortes einmal einen Überblick zu verschaffen, kommt eine eindrucksvolle Liste von Bauvorhaben zusammen: Da gibt es den „Tower 90“ (nomen est omen, natürlich 90 Meter hoch) mit hängenden Gärten und das Porsche Design Wohnhochhaus (Höhe 100 Meter). Mit dem amerikanischen Unternehmen Tishman Speyer, das schon den Messeturm gebaut hat, plant erstmals ein Projektentwickler im Frankfurter Finanzdistrikt einen Wolkenkratzer, der wie in New York Wohnen, Hotels, Gewerbe und Büros unter einem Dach vereint.
Und der „Grand Tower“ wiederum soll auf 47 Stockwerken Platz für rund 400 Luxus-Wohnungen bieten, mit zwei Terrassen sowie Aussichtsplattform für die Bewohner in luftiger Höhe. 19000 Euro kostet ein Quadratmeter in den obersten fünf Geschossen im Durchschnitt, hat die Nachrichtenagentur dpa jüngst ausgerechnet. Wohnen im Hochhaus, das hat Prestige. Entspannung auf dem Markt für Normalverdiener schafft es nicht.
Andererseits: Wer aber einmal in Manhattan gewohnt hat, der weiß, dass das, was in deutschen Ohren nach Luxus klingt, dort schon seit einer kleinen Ewigkeit Normalität ist. Natürlich sind die Wohnungen auch hier teuer, aber von einem echten Luxus würde man dort auch nicht sprechen. 24-Stunden-Empfang, Paketannahme, Wäscherei-, Reinigungs- und Parkservice. Das ist dort Alltag für viele Menschen. Ein Blick in die Zukunft ist es vielleicht auch, ganz gewiss für eine Stadt wie Frankfurt. Spannend ist nur, wie lange es gedauert hat, bis auch dieser Lebensstil aus Amerika zu uns gefunden hat.
Aber jetzt kommt sowieso erst einmal Barack Obama – und der amerikanische Präsident kann sich dann in Hannover einmal den deutschen „way of life“ anschauen. So ein großes Messegelände wie dort wird er in seinem Land übrigens nirgendwo finden. Das ist doch mal ein Pfund. Aber wir Deutsche sind auf so etwas ja selten stolz. Schade eigentlich. Denn auch auf die Frankfurter Skyline könnte man ja stolz sein – ein wenig jedenfalls, gerade auch als Trost für Eintracht-Fans.