Ad hoc

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Unternehmen bestimmen unser tägliches Leben. Aber was bewegt die Unternehmer? Über Trends, Technologien und Menschen, die sie bestimmen.

Lebenselixier im ICE: Auf einen Espresso

Dieser Espresso ist unter anderem in einem ICE entstanden, am Laptop mit drahtlosem Internetzugang. Der Autor war 22 Jahre alt, als der erste dieser Züge in Dienst gestellt wurde – und hat seither im Bahnverkehr nur sehr, sehr wenige Enttäuschungen mit den Hochgeschwindigkeitszügen erlebt. Im Gegenteil: Die Verbindungen vor allem von Frankfurt nach Köln oder Hannover und der Sprinter nach Berlin machen im Leben viele Dinge leichter.

Insofern ist der 2. Juni 1991, der Tag an dem für Bahnreisende in Deutschland das Hochgeschwindigkeitszeitalter begann, ein guter Tag, Hohn und Spott zum Trotz. Wir Deutsche meckern halt gern. Im französischen TGV übrigens sitzt man mit einer Körpergröße von 1,90 Meter doch recht beengt. Auch das muss einmal gesagt werden, so schön es ist, mit dem Zug inzwischen auch von Frankfurt nach Paris fahren zu können.

Halten wir also fest: Früher war nicht alles besser. Die Züge waren es nicht, die Autos auch nicht. Dieselmotoren verbrauchen heute, man glaubt es nach den Diskussionen der vergangenen Monate kaum noch, tatsächlich viel weniger Treibstoff als früher. Übrigens ist auch die Werbung besser geworden. Damals hat die Bahn zum Beispiel mit der Behauptung gelogen, alle redeten vom Wetter, man selbst allerdings nicht. Regen und Schnee waren für die Bahn aber schon ein Problem, als es noch keine Klimaanlagen gab, die dann auch zu viel Sonne zu einer Schwierigkeit werden ließen.

Doch lassen wir das: Heute überzeugt die Bahn schließlich mit einem Werbespot, der wirklich überrascht. Er handelt – ganz pünktlich zum Start der Europameisterschaft in Frankreich – von einem jungen Fußballfan, der an verschiedensten Orten seine Mannschaft anfeuert. Einer der Spieler hat es ihm besonders angetan. Er reist seiner Lieblingsmannschaft hinterher – natürlich auch im ICE. Als er aus dem Zug steigt, fällt er seinem Freund in die Arme – dem Fußballspieler aus dem Fernsehen. Die beiden laufen händchenhaltend auf dem Bahnsteig davon. Das sind doch einmal Bilder, die hängenbleiben: Hier geht es nicht um Verspätungen, sondern um Verbindendes, Überraschendes, Inspirierendes – also um Dinge, die es auf der Welt zu selten gibt.

Sich mit, an und über etwas zu freuen fällt den Menschen allzu häufig zu schwer. Kritik aber ist des Deutschen Lebenselixier. Gerne verbieten wir etwas, regulieren, greifen ein. Ach, die Mietpreisbremse funktioniert gar nicht? Die Mieten sind sogar gestiegen? Regulieren wir also noch mehr. Denn wer nicht hören will, muss fühlen. Aber dass solche Eingriffe gerade dazu herausfordern, nach Umgehungen zu suchen, wird allzu häufig übersehen. „Studie belegt: Gesetz wirkungslos“, war dazu zu lesen. Die beste Antwort wäre dann doch eigentlich: weg damit, wie mit der Plastiktüte beim Rewe. Aber passieren wird das Gegenteil. Und das Ende der Plastiktüte lohnt obendrein einen zweiten Blick, denn die Umweltbilanz anderer Transporthilfen muss nicht unbedingt besser sein.

Nicht weniger Freiheit, sondern mehr – darum muss es unter der Einhaltung moralischer mehr noch als gesetzlicher Vorgaben gehen. Sonst gibt es nicht genug Platz für neue Ideen, für Überraschendes, Inspirierendes. Und weil es in diesem Text ja schon um verbindende Züge gegangen ist, lohnt noch ein Blick auf den Fahrdienst Uber, der – warum eigentlich? – wieder einmal im kalifornischen Silicon Valley erfunden worden ist. Der hat in dieser Woche eine Finanzspritze aus Saudi-Arabien bekommen, exakt 3,5 Milliarden Dollar. Damit hat Uber insgesamt schon 11 Milliarden Dollar eingesammelt, wird mit mehr als 62 Milliarden Dollar bewertet und sitzt in dieser Hinsicht schon einem deutschen Vorzeigeunternehmen wie Daimler im Nacken.

Bei Uber kann man Fahrzeuge mit Fahrer über eine App auf dem Handy bestellen. Das vor erst sechs Jahren gegründete Start-up eckte damit auf der ganzen Welt bei Behörden und der Taxi-Branche an, den Investoren aber ist das gleichgültig. Sie sehen, was die Menschen wollen – und das Geld fließt ebendort hin. Auch der Mitwohndienst Airbnb ist nicht etwa von der TUI in Hannover erfunden worden. Wann endlich kommt die nächste tolle Idee, die die Massen bewegt, wieder aus Deutschland? Darüber sollte man nicht nur auf der nächsten Fahrt mit dem ICE einmal nachdenken, anstatt sich über Verspätungen aufzuregen, oder darüber, dass das WLAN nicht mehr funktioniert. Oh, an dieser Stelle schicken wir diesen Text jetzt lieber schnell nach Frankfurt.