Wie sollen Unternehmen darauf reagieren, dass der Bruch zwischen realer und virtueller Welt verschwindet? Neues Wissen und eine neue Art der Kommunikation sind der Schlüssel.
Für Till Reuter, den Vorstandsvorsitzenden des Augsburger Roboterherstellers Kuka, ist die Sache klar. Erstens: Roboter haben viele Vorteile gegenüber den Menschen. Zweitens: Roboter nehmen den Menschen die Arbeitsplätze nicht weg. „Der Roboter soll dem Menschen die Arbeit und das Leben erleichtern. Wenn Menschen immer wieder die gleiche Tätigkeit wiederholen, ist Automatisierung sinnvoll, weil Roboter ausdauernder und unter ständiger Belastung präziser arbeiten können. Auch bei gesundheitsschädlichen Tätigkeiten wie Überkopfarbeiten können sie den Menschen entlasten“, sagte Reuter im Frühsommer der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Zwar sei die Arbeit eines Roboters in einer Stunde sehr viel billiger als die eines Arbeiters. Aber: „Was er nie können wird, ist, den Menschen zu ersetzen. Der Mensch ist einzigartig, beispielsweise in der Auge-Arm-Koordination und in der Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen“, ist Reuter überzeugt. Der Roboter könne nur Standards wiederholen und auf Basis von Standardsituationen autonome Entscheidungen treffen. Ist also alles gut, auch in der Zukunft der digital-vernetzten Wertschöpfungsketten in der Wirtschaft? Nicht ganz, das räumt auch Reuter ein: „Die einfachen Arbeiten, für die man keine höhere Ausbildung braucht, sind durch die Roboter überdurchschnittlich gefährdet.“
Andere sehen die Dinge auch ganz grundsätzlich wenig rosig: Im Jahr 2025 könnten schlaue Maschinen die Arbeit von 140 Millionen Wissensarbeitern leisten, ergaben Berechnungen der Unternehmensberatung McKinsey. Und darunter dürfte dann wohl auch der eine oder andere sein, der heute selbst gewohnt ist, Entscheidungen zu treffen und andere Menschen zu führen: Wenn Kreditsachbearbeiter, Versicherungsgutachter, Bibliothekare, Pharmaingenieure und sogar Köche ihre Stellen an Computer verlieren können, ist es nicht allzu weit hergeholt, dass von diesem Umbau auch diejenigen betroffen sein könnten, die sich heute noch als Chefs fühlen. Das Phänomen ist nicht neu – aber das Tempo beschleunigt sich plötzlich stark. Zunächst wurde die Telekommunikation, dann wurden die Unterhaltungselektronik und große Teile der Optoelektronik digitalisiert. Dabei gingen allein in der deutschen Kommunikationstechnik innerhalb von nur 15 Jahren 90 Prozent der Arbeitsplätze verloren, von 200 000 Mitarbeitern blieben 20 000. In der Unterhaltungselektronik gingen durch die Digitalisierung zwei Drittel der Arbeitsplätze verloren.
Reuters Antwort auf diese Herausforderung ist so auch von vielen anderen Managern zu hören: „Wir müssen es in unserem Schul- und Universitätssystem schaffen, mehr Menschen höher zu qualifizieren.“ Diese Qualifikationen werden aber nicht nur für eine Welt gebraucht, in der immer häufiger auch Roboter vorkommen, ob sie nun Arbeitsplätze vernichten oder nicht. Der Bruch zwischen der realen und der virtuellen Welt verschwindet überall – und Deutschlands Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführer haben deshalb ein Thema, das beinahe alle ihre Gespräche beherrscht: Wie sollen sie ihr Unternehmen für dieses Zeitalter der Digitalisierung aufstellen?
„Virtuelle Kraftwerke regeln das Zusammenspiel unterschiedlicher Energieerzeuger und -verbraucher. Durch den Einsatz fahrerloser U-Bahnen lässt sich Strom sparen, gleichzeitig lassen sich die Taktraten erhöhen. Und in der industriellen Produktion verschmilzt dank Industrie 4.0 die virtuelle mit der realen Welt zu einem lückenlosen, sich stetig optimierenden Wertschöpfungsnetzwerk“: So beschreibt Joe Kaeser, der Vorstandsvorsitzende von Siemens, die Ausgangslage einer Revolution in der Wirtschaftswelt, die längst begonnen hat.
„Berufe wie Mechaniker oder Elektriker werden in Zukunft deshalb nicht mehr ohne gründliche Software-Kenntnisse auskommen. Arbeiter in modernen Automobilfabriken greifen immer seltener nach dem Schraubenschlüssel – und immer öfter nach ihrem Tablet-PC“, sagt Kaeser. „Um Arbeitskräfte für diese neue Produktionswelt zu rüsten, brauchen wir ein Umdenken in der Ausbildung wie auch in der Weiterbildung.“ Kaeser fasst das in zwei Anglizismen zusammen: „Qualifying“ und „Requalifying“. In Schulen, Betrieben und Hochschulen müsse schon heute viel mehr interdisziplinär gedacht werden. Die Lehrpläne müssten kontinuierlich weiterentwickelt werden, Silodenken sollte auch hier der Vergangenheit angehören.
Die Industrie suche zunehmend qualifizierte Arbeitskräfte, die auch komplexe Prozesse ihrer Fachbereiche über Software steuern könnten. Sie müssen die Technologie nicht nur einsetzen können, sondern ihr die richtige Richtung vorgeben und sie weiterentwickeln. So bringt der Weg zur Industrie 4.0 vor allem ganz neue Arbeitsformen mit sich, das ist heute schon viel deutlicher zu sehen, als etwaige Arbeitsplatzverluste oder -gewinne quantifiziert werden könnten.
Traditionell war die Industrie von einer hauptsächlich vertikalen Kommunikations- und Informationskultur geprägt. Diese Denkweise ist von der erfolgreichen Arbeitsteilung des Taylorismus bestimmt – und von überwiegend hierarchischen Entscheidungsstrukturen. Komplexe Produkte und Systeme, an denen zwangsläufig viele Experten unterschiedlicher Fachrichtungen beteiligt sind, lassen sich aber ohne lateralen Kommunikations- und Informationsfluss nicht wirtschaftlich entwickeln und industrialisieren. Diese These hat zuerst Elmar Degenhart vertreten, der Vorstandschef des Autozulieferers Continental aus Hannover.
Der Grund sei einfach: Für komplexe Produkte, die in einem modernen Fahrzeug arbeiten sollen, bedürfe es der kollektiven Intelligenz einer großen Organisation mit all ihren Fachbereichen. Um an diese Intelligenz heranzukommen, sei eine Netzwerkkultur erforderlich, denn das Wissen für komplexe Produkte sei auf die Köpfe vieler spezialisierter Fachleute verteilt. Da elektronische Systeme zudem von einer großen Schnelllebigkeit mit kurzen Produktlebenszyklen geprägt seien, erwiesen sich die streng hierarchischen Strukturen traditioneller Industrieunternehmen bei der Digitalisierung als Bremse.
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