Ad hoc

Ad hoc

Unternehmen bestimmen unser tägliches Leben. Aber was bewegt die Unternehmer? Über Trends, Technologien und Menschen, die sie bestimmen.

Auf einen Espresso: Vor dem Reformationstag

Der Reformationstag naht. Das Festjahr zum 500. Jahrestag der Reformation beginnt am 31. Oktober. In den darauf folgenden Monaten wird die evangelische Kirche alles in der ihr verbliebenen Macht Stehende tun, um an die Ursprünge des Glaubens zu erinnern: an die Bibel, an Jesus Christus. Es gibt eine neue, revidierte Lutherbibel. In der Amazon-Bestsellerliste schafft sie es etwa auf Platz 50. Damit muss man heutzutage wohl schon ganz zufrieden sein.

Denn den Test zum Beispiel, welche Konfirmanden der evangelischen Kirche, die erst im vergangenen Frühjahr eingesegnet wurden, am Reformationstag noch auswendig das Glaubensbekenntnis aufsagen können, möchte man lieber nicht machen. Vielleicht klappt das Vaterunser noch besser. Derweil berichtet die Tochter, in der Grundschule habe der Religionslehrer hauptsächlich über den Buddhismus gesprochen – und im Gymnasium war irgendwann die Rede davon, es solle ein Gebetsraum eingerichtet werden, der allerdings nicht für Christen gedacht war.

Nun sei hier nichts gegen Toleranz gesagt – im Gegenteil. Doch ein paar Leitplanken sollte das christliche Leben schon noch haben, in der Gesellschaft, in der Politik und in der Wirtschaft. Aber Kinder großziehen, die zwar wunderbar über Gott und die Welt diskutieren können, aber nichts mehr über die Grundlagen des Glaubens wissen, auf denen ihre Welt errichtet worden ist? Das kann nicht die richtige Grundlage sein, für das, was heute und noch mehr in Zukunft von Führungskräften erwartet wird. Denn die Welt wird unübersichtlicher. Ein wenig ethisch-moralischer Halt kann da nicht schaden.

Insofern ist es zwar für den Einzelhandel eine tolle Sache, dass Halloween zu einer zweiten Art Karneval im Herbst geworden ist und für entsprechende Zusatzeinnahmen sorgt. Aber der eine oder andere Gedanke daran, was am 31. Oktober in Deutschland wirklich gefeiert wird, wäre auch nicht schlecht.

Das ist natürlich insofern vermessen, wenn man noch nicht einmal mehr davon ausgehen kann, dass die breite Mehrheit der Deutschen weiß, warum man Pfingsten feiert. Und denken wir lieber nicht allzu lange über Ostern nach, denn selbst dort möchte man die Probe aufs Exempel nicht mehr unbedingt machen. Es ist diese Gesellschaft ohne Halt, die Menschen kurzatmig entscheiden und radikal wählen lässt, die dafür sorgt, dass andere auf der Basis von Reflexen beurteilt werden – anstatt differenzierten Argumenten zuzuhören. Dass bei bestimmten Signalwörtern zwar aufgeheult, der Kontext aber nicht mehr erkannt wird, ist zunächst für alle unangenehm geworden, die beruflich mit öffentlicher Meinungsbildung zu tun haben, könnte eines Tages aber auch die Demokratie gefährden. Ein Schelm, wer dabei auch an das Freihandelsabkommen Ceta denkt.

Übrigens: Wer heute ein Kind taufen möchte und Paten sucht, ohne dafür zunächst auf seine Geschwister zurückgreifen zu können, dem ist auf der Suche nach Paten aus dem Freundeskreis, die noch in der Kirche sind, Glück zu wünschen. Die Telefonate, die man quer durch Deutschland führt, können ernüchternd sein.

Das Schlimme ist: Die Kirche muss alles das im Moment gar nicht stören. Die Einnahmen sprudeln, denn obwohl immer mehr Menschen ausgetreten sind, geht es der Wirtschaft so gut, dass die Steuereinnahmen zu erheblichen Mittelzuflüssen führen. Nur: Wie lange wird das noch so sein? Und wie kompetent äußert sich die Kirche eigentlich selbst zur Wirtschaft, wenn ihre Pfarrer noch nicht einmal mehr in der Lage sind, Kindern nachhaltig das Glaubensbekenntnis beizubringen?

Ob das Reformationsjahr daran etwas ändern wird? Wohl kaum. Am Ende ist alles eine Frage der Haltung. Kinder übrigens finden Lehrer gut, die fordern und fördern, nicht aber solche, die lasch sind und gesundbeten. Das lässt sich auf die Politik und die Wirtschaft und ihre dort noch angesehenen Führungskräfte übertragen. Könnte der Ruf zu mehr Haltung wider den Zeitgeist zum Reformationsjahr nicht auch eine Anregung für die Kirche sein? Luther jedenfalls hat noch für Dinge gekämpft, zu Engagement und konkretem Handeln aufgerufen. Er war auf der Suche nach dem, was besser ist, hat Licht in die Finsternis getragen. Er war zwar nicht perfekt, er war ein freier Christenmensch. Aber er war eben auch genau das: ein Christ. Er konnte nicht anders.