Angeblich kommt alles immer viel schneller, als man denkt. Einerseits. Andererseits ist das Leben meist dann doch ein stiller, ruhiger Fluss. Es ist die Herausforderung aller Unternehmen auf der Welt, in diesem Spannungsfeld das Gespür für das richtige Timing zu entwickeln. Lange unterschätzt man neue Entwicklungen – und behält damit recht. Dann plötzlich ziehen neue Anbieter vorbei, die man zuvor mit Verweis auf die nackten Zahlen lange belächeln konnte, und plötzlich sieht man im wahrsten Sinne des Wortes alt aus.
Das lässt sich in vielen Branchen beobachten, aber angesichts des bevorstehenden Genfer Automobilsalons wollen wir an dieser Stelle doch noch mal einen Espresso auf das trinken, was früher „des Deutschen liebstes Kind“ hieß. Denn angeblich ist das Auto dies ja gar nicht mehr. Die jungen Leute wollen Carsharing, heißt es, Hybridautos oder gar Elektromobilität, wenn man nicht gleich beim Fahrrad bleibt.
Da mag etwas dran sein, aber in Euro und Cent schlägt sich dieser Trend bisher kaum nieder. Und als wir neulich auf einer Baustelle danach fragten, ob die Stellplätze für die Autos denn sogleich auch mit Kabeln zum Anschluss von Ladeboxen für Elektroautos ausgestattet werden könnten, hatte der Elektriker nur ein mitleidiges Lächeln für uns übrig. Wohlgemerkt, in einem Neubau. Von Elektroautos halte er nun wirklich nichts, sagte der Elektriker, übrigens durchaus ein jüngerer Mann. Was wohl die Bundeskanzlerin darüber denkt, die gemeinsam mit dem Rest ihrer Bundesregierung die vielen Förder-Euro für die Elektromobiliät gar nicht loswird? Immerhin 4000 Euro könnte man für ein neues Elektrofahrzeug bekommen. Aber, ach, den Menschen reicht das nicht.
Und die Autoindustrie? Die Konzerne haben zwar auch in homöopathischen Dosen immer mehr Elektroautos im Angebot. Aber die Liste der Neuigkeiten in Genf zeigt, wo der Hammer hängt, Pardon, das Herz der Kunden schlägt. Tuningspezialist Alpina stellt den B5 vor, das ist ein Modell für diejenigen Kunden, denen das Warten auf die offiziellen „M“-Modelle des neuen Fünfer aus der Sportabteilung von BMW zu lange dauert. BMW selbst bringt den Fünfer-Kombi mit nach Genf. Kein kleines Auto übrigens: Sein Ladevolumen ist auf bis zu 1700 Liter gewachsen, 4,94 Meter lang ist das Mobil. Die Benzinmotoren, die für das Modell angeboten werden, kommen mit 252 und 340 PS. Wer will da schon nach einem kleinen Elektromotörchen greifen? Die nächste Runde der Neuwagenkäufe geht eindeutig in der ganz breiten Masse an den Verbrennungsmotor.
Die Kunden wollen es, Umweltfreunde heulen auf. Audi bringt den 400 PS starken RS 3 Sportback mit nach Genf. Reaktion: dito. Ach so – Ferrari übrigens zeigt den 812 Superfast, den stärksten und schnellsten Sportwagen, den die Marke je hervorgebracht hat. Die Daten: 800 PS, 718 Newtonmeter Drehmoment stellt er bereit. Brooom. Wetten, dass das Modell ein paar mehr Besucher anlocken wird in Genf als die Elektromodelle von Smart?
In dieses Marktumfeld führt Opel mit dem Ampera-e bald ein Elektroauto ein, das durchaus alltagstauglich sein soll, weil es eine ordentliche Reichweite hat, die im Alltag gut und gerne 300 Kilometer überschreiten wird, auch wenn man so fährt, wie man es früher mit Benzinmotoren gewohnt war. Allerdings ist dieser Ampera ein Auto aus dem Konzernregal von General Motors. Und die Amerikaner wollen die Opelaner ja bekanntlich loswerden. Selbst wenn künftig garantiert werden würde, dass mit dem Ampera alles beim Alten bleibt – will ein Kunde wirklich noch in die Technik des Herstellers investieren, der mit der Marke eigentlich gar nichts mehr zu tun haben will? Auf Opel kommt die nächste große Marketing-Herausforderung zu. Spötter sagen, dass man das in Rüsselsheim ohnehin am besten könne.
Die richtige Antwort auf den Protz-Ferrari aus Genf könnte aber wenigstens der nächste Elektroporsche sein. Ob das dann auch den Elektriker überzeugt? Gemessen an seinen Rechnungen, könnte er sich den Porsche vermutlich leisten.