Die Zahl der Transaktionen sinkt zwar, aber dafür wird mehr investiert. Vor allem hoffnungsvolle Unternehmen aus der Medizintechnik haben es den Kapitalgebern angetan.
Nach einem eher zurückhaltenden Jahr 2016 scheint sich der Markt für Risikokapital wieder etwas zu beleben. So betrug die Summe der entsprechenden Investitionen in Venture Capital auf der ganzen Welt im ersten Quartal des laufenden Jahres 26,8 Milliarden Dollar. Das entspricht einer Steigerung von 12,6 Prozent gegenüber dem Schlussquartal des vergangenen Jahres. Erheblichen Anteil daran haben einige überraschend große Transaktionen wie zum Beispiel Investitionen in Unternehmen wie den Zimmervermittler Airbnb (in Höhe von 1 Milliarde Dollar) oder das Medizintechnikunternehmen Grail (914 Millionen Dollar). Die Zahl der Transaktionen ist in derselben Zeitspanne allerdings um 8,9 Prozent auf 2716 gesunken.
Vor allem in Europa und den Vereinigten Staaten ist eine Entwicklung weg von einer Vielzahl kleinerer Geschäft hin zu weniger, dafür größeren Investitionen erkennbar. Das sind wesentliche Ergebnisse des aktuellen „Venture Pulse“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG, für den regelmäßig die abgeschlossenen Risikokapital-Investitionen auf der Welt analysiert werden. „Zum Ende des vergangenen Jahres haben sich viele Investoren noch zurückgehalten. Jetzt, wo sich die Aktienmärkte positiv entwickeln und auch der Markt für Börsengänge wieder an Fahrt aufnimmt, gestaltet sich die Lage zusehends positiver“, wird KPMG-Partner Tim Dümichen in der Pressemitteilung zu den „Venture Pulse“-Ergebnissen zitiert. Die geplante Steuerreform in den Vereinigten Staaten könne noch für zusätzlichen Schub sorgen.
Im ersten Quartal dieses Jahres sei der Venture-Capital-Markt zwar auch noch etwas verhalten gewesen, aber die Lage scheine sich aufzuhellen. „Für den Verlauf des Jahres sind wir optimistisch, was Zahl und Summe weiterer Investitionen in Start-ups angeht“, sagt Dümichen.
Auch in Start-ups mit einer Unternehmensbewertung von mindestens 1 Milliarde Euro – die sogenannten „Einhörner“ (Unicorns) – floss im ersten Quartal 2017 wieder mehr Geld: In den ersten drei Monaten kam es bei 14 „Einhörnern“ zu neuen Finanzierungsrunden, in deren Rahmen insgesamt rund 4 Milliarden Dollar in die jeweiligen Unternehmen flossen.
Starkes Interesse zeigten die Kapitalgeber im ersten Quartal des Jahres an Unternehmen aus der Medizintechnik – und hier vor allem in den Vereinigten Staaten, in Kanada und Israel. Insgesamt flossen im ersten Quartal des laufenden Jahres im Rahmen von 362 Transaktionen 4,7 Milliarden Dollar. Bemerkenswert war dabei der Abschluss einer „Series B“-Runde in Höhe von 900 Millionen Dollar beim Medizintechnikunternehmen Grail, das eine Methode zur Krebs-Früherkennung entwickelt hat. „Angesichts der stark steigenden Kosten für Gesundheitsversorgung dürfte das Interesse von Investoren an Medizintechnikunternehmen zunehmen, die effizientere Methoden zur Krankheitsbekämpfung entwickeln oder einen Beitrag zur Kostensenkung leisten“, sagt Dümichen dazu.
In Europa wurden insgesamt umgerechnet 3,4 Milliarden Dollar in 565 Beteiligungen investiert – die Hälfte der Summe floss in die Software-Branche. Branchenübergreifend dominierten die sogenannten „late stage“-Geschäfte, also Investitionen in einer schon fortgeschrittenen Entwicklungsphase des jeweiligen Unternehmens, während sich die Finanzierung von Frühphasen-Projekten seit mehr als einem Jahr im Abwärtstrend befindet. Investoren trachten nach der Beobachtung von KPMG offenbar zunehmend nach weniger riskanten Investments und setzen deshalb verstärkt auf etablierte Start-ups, die schon gezeigt haben, dass ihr Geschäftsmodell trägt.
Der im Vergleich zum Euro und britischem Pfund starke Dollar sorgt für zunehmendes Interesse amerikanischer Investoren – zumal die Unternehmensbewertungen in Amerika sehr hoch sind. „Viele amerikanische Investoren tun sich mit europäischen VC-Partnern zusammen, die dann die Führung bei den Finanzierungsrunden übernehmen. Das ganz große Geld halten einige aber noch zurück – sicherlich auch, weil die Details der geplanten Steuerreform in den Vereinigten Staaten noch nicht stehen“, sagt dazu KPMG-Partner Marius Sternberg
In Deutschland wurden im ersten Quartal umgerechnet rund 400 Millionen Dollar Venture Capital investiert – und damit etwas mehr als im Quartalsdurchschnitt der vergangenen beiden Jahre mit 380 Millionen Dollar. 40 Prozent des Kapitals flossen in Fintech und Life Science-Start-ups. Die Zahl der Transaktionen insgesamt stieg im Vergleich zum Schlussquartal 2016 leicht von 70 auf 73. Der Löwenanteil davon floss abermals nach Berlin.
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