Innerhalb einer Dekade werden zwei Drittel aller Führungsspitzen im Mittelstand ausgewechselt. Doch manche Unternehmen lassen das Modernisierungspotenzial des Generationswechsels liegen.
Das könnte ein Katalysator für die Modernisierung der deutschen Wirtschaft werden: Einer Umfrage im Auftrag der Commerzbank zufolge erwarten 39 Prozent der Unternehmen im deutschen Mittelstand in den kommenden fünf Jahren einen Wechsel an der Führungsspitze. Erst 35 Prozent haben diesen Wechsel schon vollzogen. Damit werden in fünf Jahren zwei Drittel des Mittelstands neue Führungskräfte haben. Mit dem Wechsel eröffnen sich für die Unternehmen viele Chancen. „Zwei Drittel der Befragten erhoffen sich, dass im Zuge des Führungswechsels neue Kompetenzbereiche geschaffen werden. 50 Prozent der Unternehmen rechnen mit einer umfassenden Digitalisierung aller Geschäftsprozesse und Unternehmensaktivitäten sowie einer Intensivierung der Marketing- und Markenbemühungen“, sagt das für die Firmenkunden zuständige Commerzbank-Vorstandsmitglied Michael Reuther im Gespräch.
Der Führungswechsel sei also tatsächlich ein Katalysator, notwendige Veränderungen anzustoßen und umzusetzen. Das zeige die den Erkenntnissen zugrundeliegende Umfrage mit dem Titel “Next Generation: Neues Denken für die Wirtschaft” des Marktforschungsinstituts Kantar TNS unter mehr als 2000 mittelständischen Unternehmen in ganz Deutschland (mit einem Umsatz von mehr als 2,5 Millionen Euro und bis zu oberhalb 100 Millionen Euro) eindeutig. Doch es gibt einen Wermutstropfen. Denn die Commerzbank-Studie legt auch offen, dass dabei die Potenziale häufig ungenutzt bleiben. So berichtet lediglich ein Drittel der Unternehmen, in denen der Führungswechsel schon stattgefunden hat, von neuen Kompetenzbereichen – und lediglich ein Viertel von digital veränderten Prozessen und Aktivitäten.
Aus Sicht der Bank ist das schade, denn: „Mittelständische Unternehmen haben heute ganz klar die besten Chancen, einen grundlegenden Wandel hin zum Unternehmen der Zukunft zu vollziehen. Einerseits ermöglichen ihnen flache Hierarchien und flexible Strukturen große Handlungsfähigkeit. Andererseits können sie Investitionen in die Zukunftsfähigkeit finanziell besser realisieren als zum Beispiel Start-ups“, sagt Reuther. Doch müssen diese Möglichkeiten eben auch genutzt werden, und das gelingt längst nicht immer.
Diejenigen Unternehmen hingegen, denen die Umsetzung von Veränderungen erfolgreich gelungen sei, profitierten von einem Generationswechsel und erfahrenen Managern, die von außen ins Unternehmen kämen, gleichermaßen. Junge Nachfolger und Führungskräfte unter 40 Jahren trügen häufig Gründermentalität in das Unternehmen und trieben unternehmerische Zukunftsprojekte voran. Am effektivsten seien junge Manager allerdings in von ihnen gegründeten Unternehmen. Knapp 10 Prozent der Unternehmen sind solche „Digital Natives“. „Viele von ihnen gehören zu den 15 Prozent der Unternehmen, die in Wachstumsmärkten im Dienstleistungsbereich tätig sind“, sagt Reuther.
Wahr sei aber auch: „In den älteren Unternehmen – und 50 Prozent der Unternehmen sind älter als 30 Jahre – sorgen etablierte Manager überdurchschnittlich häufig für regelmäßige Produktinnovationen.“ Sie hielten das Unternehmen damit konkurrenzfähig. Die Studie zeige auch, dass Unternehmen im Mittelstand von einem heterogenen Spitzenmanagement mit einer gemischten Altersstruktur aus „langjährig dabei“ und „neu eingestiegen“ profitierten. Eine klare Empfehlung, wie sich der Mittelstand in Fragen künftiger Führungskräfte verhalten sollte, fällt Reuther daher schwer. Es kommt auf die richtige Mischung an – in jedem Fall eröffne der entstehende Beratungsbedarf neue Möglichkeiten für die Bank.
Eindeutiger sind die Erkenntnisse ohnehin, wenn es darum geht, was die Mittelständler künftig von ihren Banken erwarten. „So zeigen die befragten Unternehmen ein sehr großes Interesse an neuen digitalen Bankdienstleistungen“, sagt Reuther. Neben der Entwicklung neuer Software und Apps erwarten 52 Prozent der Mittelständler intelligente Lösungen, die Bank-Services in die eigenen IT-Systeme integrieren. Die persönliche Beratung bleibe dabei zwar hoch im Kurs: Jeder zweite Unternehmer oder Manager kann sich aber vorstellen, den Kontakt zur Bank über Video-Chats herzustellen.
Zudem versucht sich das Institut nach den Worten von Reuther auch in der Beratung rund um die Digitalisierung der Geschäftsprozesse der Kunden als solche: „So hat die Bank die Plattform ‚Open Space‘ in Berlin gegründet, in dem sich Start-ups mit klassischen Mittelständlern vernetzen und zukunftsfähige digitale Projekte entwickeln und erproben – und wir beschäftigen aktuell bereits rund 600 Mitarbeiter auf unserem ‚Digitalen Campus‘, die allein damit befasst sind, die Geschäftsprozesse der Bank zu digitalisieren. Davon wird auch das Angebot für Firmenkunden profitieren.
“Klar sei auch zu erkennen, dass die Finanzierung von Unternehmen insgesamt aus einem breiteren Mix und längst nicht mehr nur aus dem klassischen Bankkredit bestehe – die Bank müsse sich ebenso wie ihre Kunden auf diese diversen Veränderungen einstellen und versuche Alt und Neu ihrerseits mit der Hilfe von Ideen aus der Start-up-Szene zu verbinden: „Deshalb schauen wir uns in unserem ‚Main Incubator‘ verschiedene Geschäftsmodelle an und fördern solche, die uns auch selbst voranbringen könnten. Abhängig vom jeweiligen Entwicklungsniveau des Start-ups versuchen wir, sie mit einer Beteiligung durch Main Incubator oder unseren Fonds Commerz-Ventures auf die nächste Entwicklungsstufe zu heben“, sagt Reuther. Und es klingt durch, dass er glaubt, dass von solchen Ansätzen auch mancher Mittelständler lernen könnte – ob mit oder ohne bevorstehenden Führungswechsel.
Die Chance, die allem innewohnt...
kann auch zur….Plattitüde…werden…oder ist sie es schon?