Während in den Vereinigten Staaten einflussreiche Wirtschaftslenker früh auf den Kurznachrichtendienst Twitter gesetzt haben und mit ihren Tweets teilweise ein Millionenpublikum erreichen, gibt es in Deutschland und Europa mit Ausnahme etwa des SAP-Vorstandsvorsitzenden Bill McDermott bislang kaum Konzernchefs, die die Vorteile von Twitter so nutzen, dass sie damit vergleichbare Reichweiten erzielen. Doch wie genau unterscheidet sich die Vorstands-Kommunikation via Twitter zwischen Europa und den Vereinigten Staaten?
Um den Status-quo der Verbreitung von Twitter als Kommunikationskanal für Vorstandschefs zu erheben, hat die strategische Kommunikationsberatung Hering Schuppener die Vorstandsvorsitzenden der jeweils 200 größten europäischen und US-amerikanischen börsennotierten Unternehmen untersucht. Die Unternehmen aus STOXX Europe 600 beziehungsweise FORTUNE 500 wurden hierbei nach Marktkapitalisierung geordnet. Im Ergebnis betreiben rund 13 Prozent dieser europäischen Vorstandsvorsitzenden einen aktiven Twitter-Account, während 18 Prozent der amerikanischen Vorstandschefs auf Twitter aktiv sind.
Die amerikanischen Manager sind dabei im Durchschnitt seit fünfeinhalb Jahren auf Twitter und haben im Schnitt knapp 565.000 Follower, während die europäischen Chefs seit durchschnittlich viereinviertel Jahren via Twitter kommunizieren und ihnen im Schnitt knapp 6000 Accounts folgen. Die drei reichweitenstärksten STOXX Vorstandschefs Paul Polman, Unilever, und Stéphane Richard, Orange, sowie Bill McDermott, SA,P und FORTUNE CEOs Elon Musk, Tesla, und Tim Cook, Apple, sowie Marissa Mayer, ehemals Yahoo, wurden quantitativ und qualitativ untersucht.
In der Betrachtung der Kennzahlen werden signifikante Unterschiede dies- und jenseits des Atlantiks deutlich. Während Bill McDermott, Stéphane Richard und Paul Polman jeweils etwas mehr als 30.000 Follower aufweisen, folgen ihren amerikanischen Pendants Elon Musk, Tim Cook und Marissa Mayer jeweils mehrere Millionen Menschen. Musk, Cook und Mayer weisen zudem im Vergleich zu den Unternehmen, denen sie vor – stehen, ein Vielfaches (im Durchschnitt rund 390 Prozent) an Followern auf, während die europäischen CEOs lediglich einen Bruchteil der Followerschaft ihrer Unternehmen (im Durchschnitt 15,5 Prozent) erreichen.
Dies scheint weniger damit begründet sein, dass Musk, Cook und Mayer deutlich aktiver auf Twitter sind oder den Kanal frühzeitiger für sich entdeckt haben, sondern vielmehr damit, dass die US-amerikanischen Vorstandschefs jenseits ihrer Funktion selbst zu Marken mit entsprechenden Reichweiten geworden sind. Denn auch wenn man diese drei sehr prominenten Akteure bewusst nicht in der Berechnung berücksichtigt: Die amerikanischen Manager haben ganz offensichtlich eine deutliche höhere Strahlkraft als ihre europäischen Kollegen.
Bei der Betrachtung der thematischen Ausrichtung der erfolgreichsten amerikanischen und europäischen Chefs auf Twitter wird sehr deutlich, dass alle Accounts stets mehrere Themen aktiv und kontinuierlich besetzen. Diese Themen übersteigen dabei die erwartbare Kommunikation zu unternehmensnahen Inhalten. So besetzen die untersuchten Accounts auch gesellschaftspolitische Themen wie Women Empowerment oder Sustainability. Die drei untersuchten amerikanischen Vorstandschefs präsentieren sich dabei als deutlich meinungsfreudiger und privater als ihre europäischen Pendants. So kommentiert Elon Musk etwa regelmäßig politische oder gesellschaftliche Zusammenhänge, während Marissa Mayer persönliche Einblicke jenseits ihrer professionellen Rolle gibt. Elon Musk und Tim Cook kommunizieren zudem besonders stark zum Thema „Customer Stories“, indem sie über Retweets und Antworten mit begeisterten Kunden interagieren und so deren positive Produkterfahrungen amplifizieren bzw. auf deren Anfragen eingehen.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen nach der Meinung der Berater: Erfolgreich auf Twitter seien vor allem die Vorstandsvorsitzenden, die ihren Followern regelmäßig relevante und auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnittene Informationen zur Verfügung stellten. Hierzu zähle zum Beispiel die Exklusivität von Informationen, die über den Twitter-Account veröffentlicht werden. So könnten dort beispielsweise Neuigkeiten platziert werden, bevor sie über die etablierten Kommunikationswege zur Verfügung gestellt werden.
Gleichzeitig müsse eine enge Abstimmung und Verzahnung sowohl mit den anderen digitalen Kanälen des Unternehmens als auch mit der gesamten Unternehmenskommunikation sichergestellt werden, um eine konsistente Außendarstellung des Unternehmens zu gewährleisten. Neben den Mehrwerten Exklusivität und Aktualität biete ein Twitter-Account dem Vorstandsvorsitzenden die Gelegenheit, Inhalten und Themen eine persönliche Note beizufügen. Zu unterscheiden sei dabei, dass eine persönliche Note keinesfalls eine private Darstellung des Vorstandschefs meine. Vielmehr gehe es um e0ine Nähe im professionellen Rahmen, um durch persönliche Sichtweisen auf virulente Themen Authentizität, Vertrauen und Sympathie bei relevanten Mulitplikatoren und Stakeholdern zu erreichen.