Dieser Vergleich hat uns in dieser Woche am meisten überrascht. Ein einzelnes Produkt, das in diesen Tagen zehn Jahre alt wird, hat seinem Hersteller im vergangenen Jahr einen höheren Umsatz beschert, als einzelne deutsche Konzerne wie etwa Allianz, BMW, Siemens, Deutsche Post, Deutsche Telekom oder Münchener Rück jeweils insgesamt gemacht haben – im gesamten Jahr mit allen ihren Produkten und Angeboten.
Ein Produkt, nach zehn Jahren – und bei den zum Vergleich herangezogenen deutschen Konzernen handelt es sich wahrlich nicht um schmalbrüstige Schwächlinge. Interessant ist, dass in dem Vergleich nur die Umsätze herangezogen wurden. Das geschah vermutlich, um die Nerven der Deutschen zu schonen. Denn hätte man die Gewinne verglichen, die aus dem umgesetzten Geld am Ende übrig bleiben, hätte das Bild nochmals erheblich deprimierender ausgesehen. Von den Margen, die Apple erzielt, können andere nur träumen. Allerdings sollte man über der ganzen Ver- und Bewunderung nicht vergessen, dass die deutschen Unternehmen auch sehr viel mehr gutbezahlte Arbeitsplätze im Land schaffen und erhalten als zum Beispiel Apple. Und über das Thema Steuern wollen wir an dieser Stelle gar nicht reden.
Das iPhone ist auch nicht einfach nur eine Art Gelddruckmaschine für Apple. Es hat die Welt der Kommunikation auf den Kopf gestellt. Das Management einer Familie ohne den Kurznachrichtendienst Whatsapp? Halten die meisten Menschen für beinahe unmöglich. Das Lesen von Nachrichten? Das Betrachten von Videos? Das Hören von Musik? Stets ist es der Griff zum Telefon, das zu einer Art Schweizer Taschenmesser des modernen Menschen geworden ist. Wollen wir wetten? Der damalige Apple-Chef Steve Jobs hatte vor zehn Jahren keine Ahnung, was sein neues Produkt auslösen würde, obwohl er stets groß dachte. Aber das, was in der vergangenen Dekade passiert ist, sprengt jede Prognosemöglichkeit. Und wie kriegen wir es hin, dass die nächsten tollen Produkte der Informationstechnologie nicht wieder aus den Vereinigten Staaten, sondern aus Europa kommen? Gar nicht so einfach, die Antwort darauf. Doch wäre es gut, wenn wenigstens die Europäische Kommission mit ihrem Projekt digitaler Binnenmarkt in dieser Hinsicht schneller vorankommen würde.
Denn dass die Amerikaner uns in der IT bisher den Schneid abgekauft haben, hat zwar alle möglichen Gründe, aber eben auch den, dass die Unternehmen dort sogleich einen riesigen Markt auf derselben Rechtsgrundlage bedienen können, während in Europa auf diesem Gebiet noch immer allzu vieles Ländersache ist. So ist es zwar grundsätzlich gut, wenn Wettbewerb zwischen den Ländern herrscht. Aber: Die Grundidee des digitalen Binnenmarktes ist, dass wir nur noch einen Gesetzesrahmen für die gesamte EU haben. Das ist sehr sinnvoll, denn im Internet gibt es keine Grenzen. Leider wird dieses Ziel oftmals aus den Augen verloren, wenn wir Details diskutieren.
Das hat jüngst eine estnische Europaabgeordnete beklagt – und sie hat damit recht. Solche Stimmen werden in Europa viel zu wenig gehört, auch zehn Jahre nach der Markteinführung des iPhone hat sich daran noch nichts geändert. Schade. Zugleich werden Meldungen wie diese viel zu wenig beachtet: Volkswagen rüstet ab 2019 eine erste Modellreihe serienmäßig mit einer Kommunikationstechnik mit dem Namen „pWLAN“ aus. Diese soll dabei helfen, ausgewählte verkehrsrelevante Informationen herstellerübergreifend auszutauschen, hieß es in dieser Woche in einer Pressemitteilung von VW. Das hat zu Unrecht niemanden interessiert, abgearbeitet wird sich lieber am nächsten Software-Update für den Diesel. Die Zukunft aber sieht anders aus. Und VW schafft es mit der Technik, Informationen sowohl zwischen Fahrzeugen als auch zwischen Fahrzeugen und Verkehrsinfrastruktur auszutauschen. So könne der Erfassungsbereich des Fahrzeugs um mehrere hundert Meter erweitert, quasi der Blick um die Ecke ermöglicht werden. Wetten, dass das Steve Jobs gefallen hätte?
In diesem Fall aber gilt: Das Geschäft mit den modernen Autos muss in Deutschland bleiben, einen weiteres Versagen wie beim Mobiltelefon können wir uns nicht leisten. Und vielleicht gibt es bis dahin ja auch einen grenzenlosen europäischen digitalen Binnenmarkt. Ein schöner Traum zu Beginn der Sommerferien in Hessen, der an den Landesgrenzen trotz des bevorstehenden G-20-Gipfels wenig Staus bringen möge.