Also gut, es war meine Schuld. Nachdem Hillary Clinton den geradezu epischen Kampf um die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin verloren hatte, stellte man sich noch eine Weile die Frage: Werden ihre Anhänger, vor allem die weiblichen, jetzt zu Sieger Barack Obama überlaufen?
Meine Annahme, wie die vieler Kollegen auch, war: Natürlich werden die meisten von Hillarys Sympathisanten früher oder später in den Armen der Demokratischen Partei landen. Schließlich passte, was die politischen Positionen betrifft, zwischen Clinton und Obama kein Blatt Papier. Wo sollten Hillarys Leute auch anders hin?
Und dann war da jüngst diese Begegnung in Westerville im Bundesstaat Ohio – den sowohl Obama als auch sein Rivale John McCain unbedingt gewinnen wollen. Gerade eben noch hatte ich an einem kühlen Sonntagmorgen McCain beobachtet, der vor ein paar Tausend Zuhörern in der Turnhalle des kleinen Otterbein College für sich warb.
Da fällt mir draußen, auf dem Parkplatz, dieser große schwarze Audi auf, in den sich fünf Damen mittleren Alters quetschen. Aufkleber auf den Türen identifizieren sie als „Democrats for McCain“ und „Real Democrats“ – echte Demokraten, die offenbar den Republikaner unterstützen.
Paulie Abeles, eine der Damen, blond, dunkle Sonnenbrille mit großen Gläsern, klärt mich auf: Ehemalige Hillary-Anhängerinnen seien sie, die nun, da Obama ihrer Kandidatin die Nominierung gestohlen habe, für McCain trommeln, in entscheidenden Staaten wie Ohio oder Pennsylvania.
Ich dachte, Leute wie Sie gäbe es praktisch nicht mehr, sage ich ihr. Doch, doch, sie seien noch da, versichert sie. Was sie und ihre Gesinnungsgenossinnen treibt, verrät sie im Gespräch:
[View:https://video.faz.net/v/video/2008/10/Abeles01_30102008-1247_h.flv:489:366]
Es ist offensichtlich: Bei einigen Hillary-Unterstützern hat die lange Vorwahlsaison Wunden hinterlassen – so tiefe, dass sie sich die Niederlage ihrer Favoritin nur durch Betrug erklären können. (Und durch den angeblichen Sexismus auch der Medien, aber das ist wieder eine andere Geschichte.)
Es ist zwar richtig, was Abeles festhält: In Nevada zum Beispiel gewann Hillary Clinton mit 51 zu 45 Prozent der Gesamtstimmen; für den Nominierungsparteitag ihrer Partei erhielt sie dafür letztlich aber drei Delegierte weniger als ihr Rivale.
Das freilich ist kein Beweis für Betrug, sondern für die zum Teil undurchsichtigen Regeln des Vorwahlprozesses – die aber beiden Kandidaten vorher bekannt waren. Obamas Wahlkampfteam war nur geschickter darin, diese Regeln zu seinen Gunsten auszunutzen.
So entwickelten Obamas Strategen eine Meisterschaft darin, die „Wählerversammlungen“ – die sogenannten „caucuses“ – zu dominieren, bei der sich Wähler persönlich in Kirchen und Gemeindezentren versammeln, über ihre Präferenzen diskutieren, einander umwerben und abstimmen. Andere Staaten entscheiden über den Sieger durch eine simple Abstimmung; dort war Hillary Clinton stärker.
Clinton selbst, die lange genug gebraucht hat, ihre Niederlage gegen Obama einzugestehen, hat ihre Unterstützung inzwischen hinter ihren Konkurrenten geworfen und gerade ihre ehemaligen Anhängerinnen aufgefordert, es ebenso zu halten. Das hat Abeles und ihre Mitstreiterinnen aber nicht aufgehalten, gegen Obama anzutreten – genauso wenig wie andere ähnliche Gruppen.
Eine von ihnen ist PUMA PAC; in der Phase der ersten Erregung wurde ihre Abkürzung oft noch als „Party Unity, My Ass“ (etwa: Parteisolidarität, da pfeif‘ ich drauf) aufgelöst, inzwischen bevorzugen sie den Vollnamen „People United Means Action“.
McCain und seine Wahlkampfstrategen haben die deshalb gelegentlich „PUMAs“ genannten enttäuschten Ex-Hillary-Fans gerne umworben, nicht zuletzt durch die Nominierung von Sarah Palin. Aber sie wissen auch, dass es nicht einfach ist, Frauen, die sich bisher für eine der ihren begeistert haben, nun für einen Mann zu gewinnen, der dazu auch noch Republikaner ist – wie Paulie Abeles erklärt:
[View:https://video.faz.net/v/video/2008/10/Abeles02_30102008-1249_h.flv:489:366]
Auch dass Obama die notwendige Erfahrung für das Amt des Präsidenten hat, findet Abeles ganz und gar nicht. Seinen Lebenslauf und seine politische Bilanz findet sie dünn; im Senat etwa habe er sich kaum blicken lassen, sondern 140 Tage nach seiner Vereidigung schon mit dem Präsidentschaftswahlkampf angefangen.
Es sind Argumente, wie man sie von vielen Leuten hört, die Obama mit Skepsis oder gar Ressentiment begegnen. Auf der Web-Site „clintons4mccain“ etwa ist ein Bild des jungen Barack Obama in offenbar afrikanischer Tracht neben eines des jungen John McCain als Pilot montiert. Dazu die Zeile: „SCHNELL! Entscheiden Sie sich! Müssen Sie wirklich darüber nachdenken?“
Aber gerade in dieser Spätphase des Wahkampfes wird eben, wie die Amerikaner sagen, „hardball“ gespielt – Politik mit harten Bandagen. Auch Abeles war nach eigenem Eingeständnis ethisch nicht immer ganz sauber. 2003 gab sie sich, wie das Magazin „Time“ und die Web-Site „Politico“ berichten, in einem Internet-Forum als Schwarze aus; sie wollte offenbar verhindern, dass mögliche schwarze Abkömmlinge von Thomas Jefferson – seine Sklavin Sally Hemmings war nach Ansicht einiger Historiker auch seine Geliebte – an einem Treffen der Sippe des dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten teilnahmen.
Den Kampf gegen den angeblich völlig unerfahren, nicht integeren, inkompetenten Obama führt Abeles mit offensichtlicher Leidenschaft. Ganz einfach tut sie sich damit bei aller Hingabe dennoch nicht:
[View:https://video.faz.net/v/video/2008/10/Abeles03_30102008-1251_h.flv:489:366].
Eine für den Ausgang der Wahl am kommenden Dienstag entscheidende Frage ist nun: Wieviele Frauen vom Schlag einer Paulie Abeles gibt es? Glaubt man den Umfragen, so ist die Antwort: Nicht mehr sehr viele. Eine Umfrage Ende Oktober im Auftrag des Magazins „Newsweek“ ergab: 86 Prozent der Hillary-Clinton-Anhänger haben vor, Obama zu wählen; 7 Prozent sehen sich bei McCain, weitere 7 Prozent nannten sich unentschlossen.