Antike und Abendland

Antike und Abendland

Tagesaktualität, wie sie sich mit einem Blog verbindet, und Antike – das scheint nicht zusammenzugehen. Dennoch soll hier der Versuch gewagt

Septimius Severus und Barack Obama: Does race matter?

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Schon kurz nach der Präsidentschaftswahl in den USA hat Mary Beard, Professorin für Classics in Cambridge und eine der bekanntesten Intellektuellen Englands,...

Schon kurz nach der Präsidentschaftswahl in den USA hat Mary Beard, Professorin für Classics in Cambridge und eine der bekanntesten Intellektuellen Englands, in ihrem Blog im „Times Literary Supplement“ auf eine antike Parallele hingewiesen: den ersten ‘African-Roman‘ emperor of Rome. In der Tat wurde Septimius Severus, der von 193 bis 211 Kaiser war und im Stadtbild Roms durch seinen Triumphbogen auf dem Forum noch sehr präsent ist, in Leptis Magna im heutigen Libyen geboren. Sein Vater Septimius Geta gehörte dort zur lokalen Oberschicht; die Familie besaß das römische Bürgerrecht schon seit mehreren Generationen. Die weiteren Parallelen taugen immerhin für eine geistreiche Plauderei: Septimius hatte eine selbstbewußte Frau und brachte zwei kleine Kinder in den Palast mit. Von seinen Vorgängern erbte er schwierige Verhältnisse und eine militärische Schlappe im Mittleren Osten, die er allerdings rasch durch einen erfolgreichen Feldzug gegen die Parther wettmachen konnte. Sehr früh widmete er sich eifrig der Rechtskunde und der Rhetorik, und in der Blüte von Rechtsgelehrten wie Papinian, Paulus und Ulpian, die zu einflußreichen Beratern des Kaisers aufstiegen, mag man eine frühe Analogie zu Obamas Kabinett der Akademiker sehen.

Interessanter als diese ganz äußerlichen Parallelen ist Mary Beards Frage, ob mit Septimius Severus‘ Aufstieg zum Kaiserthron die Rasse (race) in der römischen Politik nichts mehr zählte. Ihre Antwort: Die römische Gesellschaft und die Öffentlichkeitsarbeit des Hofes hätten dafür gesorgt, daß ein möglicher auffälliger Phänotyp nicht sichtbar war. Nun berichtet eine antike – allerdings etwas zweifelhafte – Biographie in der Tat, der großgewachsene Kaiser habe krauses Haar gehabt und zeitlebens in seiner Sprechweise den „Afrikaner“ nicht verleugnen können (Historia Augusta, vita Sep. Sev. 19,9). Der byzantinische Chronist Malalas nennt ihn gar „dunkelhäutig“. Die Darstellung des im Vergleich zu seiner Frau und seinem Sohn dunkleren Teints des Kaisers auf einem Berliner Tondo ist in ihrer Deutung umstritten.
Bild zu: Septimius Severus und Barack Obama: Does race matter?
Doch fast alle erhaltenen plastischen Bildnisse des Kaisers, etwa das Porträt im Louvre, verraten nichts dergleichen. „This was not a black man claiming the imperial throne for himself. This was the Roman imperial machine turning a man of colour into an emperor more or less indistinguishable from all his predecessors. The machine was making sure that race did not show.“ Tatsächlich sieht Beard in der Tatsache, daß Obama seine Hauptfarbe bislang nicht thematisiert hat, ein veritables ‘Septimius Severus Problem‘ und fragt, ob diese Weigerung in einem Land und einer Welt, in der race eben doch zähle, nicht kontraproduktiv sei. Mary Beard kann getröstet werden: Während sicher mehr als 95 Prozent der Bürger des Römischen Reiches ihren Kaiser nur in seinen Bildnissen und damit vielleicht ‘geweißt‘ zu sehen bekamen, kennt schon heute die ganze Welt Barack Obamas Gesicht.
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Die zahlreichen, überwiegend erhellenden Leserkommentare verlängern die Liste der Parallelen um solche recht abgründiger Art, und das gilt auch für die ethnische Frage. Wenig spreche für einen schwarzafrikanischen, viel hingegen für einen karthagischen, also punischen, also semitischen Hintergrund des Kaisers. Andere plädieren für berberische Herkunft oder fragen nach der Bemalung der Statuen. Eine Stimme erinnert an eine Debatte im US-Kongreß, in der es 1963 darum ging, ob sich Haiti, Liberia und Äthiopien selbst regieren können; dabei hätten die Herkunft und die Regierungsbilanz von Septimius Severus eine große Rolle gespielt. Niemand las damals, so ist zu vermuten, die Historia Augusta, aber Gibbon war gewiß zur Hand. Für ihn war Severus „ein gebürtiger Afrikaner, der beim allmählichen Aufstieg zu privaten Ehren seinen verwegenen Ehrgeiz verborgen hatte, der sich von seiner festen Bahn weder durch die Verlockungen des Vergnügens, noch durch die Furcht vor Gefahr oder durch Gefühle der Menschlichkeit jemals ablenken ließ“ (Verfall und Untergang des Römischen Reiches, Kap. 5, Übers. M. Walter).
 
Zum Glück fehlt in den Kommentaren auch der Hinweis auf das wichtigste Faktum nicht: Die Unterscheidung von Europa/weiß und Afrika/schwarz ist für die Zeit des Römischen Reiches ganz unsinnig, weil dieses Reich große Teile beider Kontinente und Vorderasiens dazu politisch, ökonomisch und zivilisatorisch vereinte und die Stellung eines Bürgers dieses Reiches von ganz anderen Faktoren, zuvörderst Rechtsstatus, Bildung, Vermögen und Verbindungen abhing. Ethnische Differenzen, zumal die zu den Barbaren, bemaßen sich am ehesten nach dem Stand der Zivilisation und der Klimazone.

Und der Freiheit, so muß hinzugefügt werden. Auf diesem Gebiet, dem politischen, verdient die Regierung dieser Kaisers durchaus Interesse, jedenfalls wenn man durch das scharfe Auge Gibbons auf die Ambivalenzen patrimonialen Regierens blickt (ebd.): „Severus betrachtete das Römische Reich als sein Eigentum, und sobald er sich diesen Besitz gesichert hatte, widmete er sich mit aller Sorgfalt der Pflege und Verbesserung einer so kostbaren Erwerbung. Wohltätige und mit unbeugsamer Entschlossenheit gehandhabte Gesetze machten bald den meisten Mißbräuchen ein Ende, mit denen alle Bereiche der Verwaltung seit dem Tode Mark Aurels behaftet gewesen waren. In der Rechtspflege zeichneten sich die Urteile des Kaisers durch Genauigkeit, Scharfsinn und Unparteilichkeit aus; und wich er einmal von seinem strengen Grundsatz der Billigkeit ab, so geschah es durchweg zugunsten der Armen und Unterdrückten; freilich weniger aus Menschlichkeit als vielmehr infolge des natürlichen Hangs jedes Despoten, den Stolz der Großen zu demütigen und alle Untertanen auf denselben gemeinsamen Stand unbedingter Abhängigkeit zu drücken.“


1 Lesermeinung

  1. Besten Dank dafür, lieber...
    Besten Dank dafür, lieber Autor, daß Sie die ethnographische „Schwarz-Weiß-Malerei“ mit Blick auf die Diskussionen jenseits von Kanal und Großem Teich aufgehellt haben. Ein bißchen mehr „Abgründigkeit“ in rebus ethnicis hätte ich mir aber doch gewünscht. Dazu nur zwei kleine Hinweise:
    a) Ob Septimius Severus tatsächlich ein autochthoner „Libyer“ war, ist wohl nicht ganz so sicher. Das Cognomen „Geta“ schon seines Vaters ist ja ein Ethnonymikon und bezeichnet immerhin eine Person aus einem thrakischen Stammesverband, die im mediterranen Süden auffallen mußte. Parallelen: Spartacus, Maximinus Thrax. War S.S. aber doch halber „Libyer“, dann dürfte er keineswegs wie ein Nubier ausgesehen haben. Malalas ist hier eine sehr tendenziöse Quelle, weil eben Syrer aus Antiochia.
    b) Denn die Debatte um die Hautfarbe wäre alsbald (und auch schon in der Spätantike!) auf Kirchenvater Augustin auszuweiten, dessen Mutter Monica eine Berberin war (und der Vater ein landsässiger Afrer!).

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