Antike und Abendland

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Tagesaktualität, wie sie sich mit einem Blog verbindet, und Antike – das scheint nicht zusammenzugehen. Dennoch soll hier der Versuch gewagt

Die stillen Helden der Geisteswissenschaften

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Mit Exzellenz beschäftige ich mich nur sehr selten. Sie begegnet mir an der Universität immer in einzelnen Kollegen, die großartige Bücher schreiben, als...

Mit Exzellenz beschäftige ich mich nur sehr selten. Sie begegnet mir an der Universität immer in einzelnen Kollegen, die großartige Bücher schreiben, als Ergebnis kollektiver Arbeit jedoch am ehesten in meisterlichen Filmen wie „The Searchers“ oder „The Man Who Shot Liberty Valance“. Deren Regisseur hätte sich übrigens nie als exzellent bezeichnet oder dieses Attribut begehrt – er war es einfach. Als er einmal – schon längst eine Legende – auf einem Podium das Wort ergriff, stellte er sich vor mit: „My name is John Ford. I make Western.“

Im Alltag ist mit deklarierter Exzellenz auch wenig anzufangen. Viel wertvoller sind die stillen Helfer, die gleichwohl unberühmt durchs Jahr der Geisteswissenschaften gegangen sind. Kaum ein Tag vergeht für mich, an dem ich nicht die GNOMON-Datenbank aufrufe, um mich bibliographisch zu orientieren, einen Titel zu verifizieren oder mittels der Personalnachrichten auf Entdeckungsreise durch die Welt der Klassischen Philologie, der Klassischen Archäologie und der Alten Geschichte zu gehen. Längst bietet die von Jürgen Malitz und Gregor Weber betreute, von der Bayerischen Staatsbibliothek München und der Universitätsbibliothek Eichstätt bibliographisch unterstützte Datenbank altertumswissenschaftlicher Literatur weit mehr als die in der Rezensionszeitschrift GNOMON seit 1925 gelisteten und rezensierten Bücher. Abstracts unpublizierter englischer Dissertationen sind ebenso erfaßt wie Artikel in der F.A.Z. Aktuell sind mehr als 370.000 Titel erfaßt. Seit kurzem steht die gesamte Datenbank kostenlos zum Herunterladen bereit – eine wahre Ruhmestat! Der mehr als 9000 Stichworte umfassende systematische Thesaurus liegt inzwischen auch in einer englisch- und einer französischsprachigen Fassung vor. Die Benutzeroberfläche war in den ersten Versionen eine ziemliche Katastrophe, aber mittlerweile ist sie vorbildlich. Die Altertumswissenschaften sind, was die Digitalisierung von Material und Hilfsmitteln angeht, im Geleitzug der Geisteswissenschaften von Anfang an vorn mit dabei gewesen, und besonders bei den Texten besteht inzwischen mitunter die Gefahr, daß der Gang zum Regal mit den textkritischen Ausgaben unterbleibt. Aber wer einmal Jahrgang für Jahrgang die „Bibliographische Beilage“ des Gnomon gewälzt hat, um seinen Karteikasten mit Literaturangaben zu füllen, ist schon froh über den raschen Zugriff und die intelligente Verschlagwortung. Und die Unsitte, ungelesene Titel anzuhäufen, soll ja auch schon früher vorgekommen sein. So zu verfahren ist jetzt zwar sicher noch einfacher, doch das ist den stillen Helden in Eichstätt nicht vorzuwerfen. Sie verdienen uneingeschränkten Dank.


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