Nein, die Althistorie war durchaus nicht desinteressiert an den Finanzen der paar Hundert Römer, die in der Späten Republik die Politik unter sich ausmachten. Zwar beklagte Brecht, der große Mommsen widme ein ganzes Kapitel seiner Römischen Geschichte den Eigenschaften Caesars, jedoch nicht eine Zeile dessen Einkommen. Allerdings fließen die Nachrichten hierüber spärlich, weswegen Brecht „wegen des Wegräumens der Fakten“ dazu rät, „die Wahrheit wenigstens zu vermuten“. Besser unterrichtet sind wir über Cicero, und Wilhelm Drumann widmete in seiner von Mommsen geringgeschätzten, aber doch benutzten Geschichte Roms den Finanzen Ciceros zwanzig Seiten voller Einzeldaten. Viel später haben sich H. Schneider und I. Shatzman intensiv mit den senatorischen Vermögensverhältnissen befaßt, und W. Will verstand seine Caesar-Biographie von 1992 als Versuch, „die ökonomischen Aspekte einer Diktator-Karriere zu zeigen“. Deutlich zurückhaltender hat sich freilich bisher die Forschungsrichtung gegeben, für die politische Kultur und symbolische Kommunikation im Mittelpunkt stehen. Ein erster Versuch, die ökonomischen Verhältnisse und Beziehungen nicht als eine Basis zu betrachten, die einen mehr oder minder isolierten Überbau politischen Agierens trugen, liegt nunmehr vor.
Rollinger verschmäht natürlich die bekannten Geschichten nicht: Catilina und sein Versuch, mit der Parole der Schuldentilgung politisch wieder Wasser unter den Kiel zu bekommen, Caesar, der schon 31 Millionen Sesterze Schulden hatte, bevor er sein erstes Amt bekleidete, Crassus, der oft als Exempel angeführt wird, daß mit viel Geld allein in Rom politisch nichts zu reißen war, und schließlich der ehrenwerte Brutus, der die Erzwingungsgewalt der res publica in Anspruch nahm, um aus der Stadt Salamis auf Zypern Zinsen und Tilgung für ein Darlehen zu sagenhaften 48% Zinsen – erlaubt waren 12% – herauszupressen.
Genauer als bislang gesehen vermag Rollinger aber zu zeigen, wie flexibel und prekär zugleich die finanzielle Unterlage der politisch tätigen Senatoren war. In rein ökonomischen Kategorien läßt sich dabei allenfalls der Verkehr mit professionellen Geldverleihern beschreiben, die Kredite zu einem vorher bestimmten Zinssatz ausgaben. Viel interessanter sind die pekuniären Beziehungen der Senatoren untereinander und zu dem politisch nicht so aktiven Teil der Aristokratie, den Rittern, Beziehungen, die Rollinger mit Hilfe einer soziologisch inspirierten Netzwerkanalyse auf der Basis von Informationen hauptsächlich von Cicero rekonstruiert. Diese Netzwerke gegenseitiger Hilfsbereitschaft und kurzfristig mobilisierbarer Geldmittel waren vor allem für etablierte Politiker von enormer Bedeutung. Für jüngere Senatoren bedeutete der Einstieg in ein solches Netzwerk über einen starken amicus demgegenüber eine frühe Bindung; nicht nur am Beispiel Caesars lasse sich zeigen, daß „zumindest einige der jüngeren Senatoren das Risiko des finanziellen Ruins auf sich nahmen, um sich nicht zu einem so frühen Zeitpunkt ihrer Karriere bereits den mächtigen Senatoren verpflichtet zu wissen“.
Im Rückblick der doch insgesamt wohlhabenderen Kaiserzeit erschienen die Prestigeprojekte und -ausgaben der ausgehenden Politik wie der reine Irrsinn; das galt jedenfalls für den Älteren Plinius (Naturalis historia 36,103f.): „Wir bewundern die Pyramiden der Könige, während der Dictator Caesar nur allein den Platz für sein Forum um 100.000.000 Sesterzen kaufte; und wenn der Aufwand vom Geize befangene Gemüter rührt, so erfahre man, daß der von Milo getötete P. Clodius ein für 14.800.000 Sesterzen gekauftes Haus bewohnte, was ich nicht weniger verwunderlich finde als den Wahnsinn der Könige. Ebenso zähle ich es zu den Ungeheurlichkeiten des menschlichen Wesens, daß jener Milo 70.000.000 Sesterzen schuldig war.“
Der ökonomische Teil der politischen Kultur der römischen Oberschicht bestand überwiegend nicht aus vertraglich geregelten Abmachungen und Geschäften, sondern auf inoffiziellen, aber sehr belastbaren Freundschaftsbeziehungen. Wenn Cicero gelegentlich von unsicherer fides spricht, so meint er damit die schwankende Bereitschaft, dem Standesgenossen Geld zu leihen. Insgesamt aber ergibt sich ein Bild größter Zuverlässigkeit der Geldgeber. Die Freundschaftsdarlehen schufen ein System gegenseitiger Gefälligkeiten und Verpflichtungen, auf das man sich im Regelfall verlassen konnte. In diesem Klima konnten auch bargeldlose Finanzinstrumente entwickelt werden, doch blieben diese Formen von ‘Briefgeld‘ an die persönlichen Verbindungen geknüpft und konnten nicht ohne weiteres durch Weiterverkauf in Umlauf kommen (s. David B. Hollander, Money in the Late Roman Republic. Leiden u.a. 2007). Doch innerhalb dieses Rahmens vermochten die antiken Finanzinstrumente, wie die modernen auch, Transaktionen schneller, effizienter und vor allem unabhängiger von Münzgeld zu machen.
Rollinger versteht seine Skizze als einen ersten Schritt. Allerdings trug, so ist plausibel zu vermuten, der Flux wachsender Geldsummen, die von immer weniger Personen innerhalb der Netzwerke verteilt wurden, zur Polarisierung innerhalb der regierenden Klasse bei. Hier ist noch einiges zu tun. Aber an den höchst bedeutsamen Wechselwirkungen zwischen politischer Kultur, moral economy und Geld in der Späten Republik kann kein Zweifel mehr bestehen.
Christian Rollinger, Solvendi sunt nummi. Die Schuldenkultur der Späten Römischen Republik im Spiegel der Schriften Ciceros. Berlin: Verlag Antike 2009, 265 S., karton., € 37,90.
Sehr geehrter Herr...
Sehr geehrter Herr Walter,
Ihr Beitrag ist wirklich sehr lesenswert. Mich hat immer schon interessiert, wie es mit Krediten oder gerade auch Schulden im Imperium Romanum aussah. Gerade die Schulden und finanziellen Gegebenheiten von Caesar hätten mich interessiert. Erfreulicherweise konnte ich durch Ihren Beitrag jetzt davon lesen, dass Caesar ungefähr 31 Millionen Sesterze Schulden hatte. Nicht gerade wenig, mich würde auch interessieren wieviel Schulden Trajan im Laufe seiner Zeit angehäuft hat. Gibt es da eigentlich Nachforschungen? Während der Hochblüte des Imperium Romanum wäre bei nachhaltigem Wirtschaften eigentlich ein Mehreinahmeverhältnis im Bereich der Finanzen naheliegender gewesen. Doch hier kommt wohl die bekannte Phrase von „Saus und Braus“ in Betracht. Leider…
Ich werde mal schauen, ob ich mir in nächster Zeit das Buch von Herrn Rollinger zulegen werde. Von Ihnen wünsche ich mir weiterhin solch interessante Beiträge (fernab vom täglichen Einheitsbrei anderer Medien).
Freundliche Grüße nach Frankfurt