Heute morgen beim Rasieren eine Vier-Minuten-Reportage im Deutschlandfunk gehört: Rom spart Kulturschätze kaputt. Nicht viel Überraschendes. Jeden Tag fördern Tiefbauarbeiten Antikes zutage, doch es gibt nur noch zwanzig Restauratoren. Das klingt viel, ist es aber nicht. Freiwerdende Stellen werden nicht besetzt, klagt die Leiterin. Für die Erhaltung der Bausubstanz gibt es zu wenig Geld, alles zerfällt. Aktuell: der Einsturz eines Teils der gerade erst ergrabenen und zur Restaurierung anstehenden Domus Aurea Neros, jenes weiträumige rus in urbe, das bei Zeitgenossen viel Bewunderung und viel Zorn (wegen des Flächenverbrauchs, wie man heute sagen würde), hervorgerufen hat. Nur 0,28 % des Staatshaushaltes werde für die Erhaltung ausgegeben. Gern wüßte man das genauer: des ganzen Staatshaushaltes, also auch der Regionen und Städte? Nur für antike Überreste oder auch für Kirchen, Palazzi und Gemälde in Museen? Ins Bild, das hierzulande von Italien verbreitet wird, paßt auch die süffisant eingebrachte Information, Ministerpräsident Berlusconi habe eine Behörde zur Erhaltung der antiken Monumente in Rom eingerichtet und ihr einen ehemaligen McDonald’s-Manager vorgesetzt, der aber noch nicht viel bewegt habe. Kultur als Fast-Food? Typisch Berlusconi eben. Überrascht hat mich am Schluß, daß die kommunalen Antikensammlungen in Rom sehr wenige Besucher anziehen. Das wurde dann wieder auf die Schule geschoben und die zeittypische Abhilfe empfohlen: Wer im Unterricht am PC virtuell das antike Rom neu aufzubauen lerne, werde sich auch für die realen Überreste interessieren.
Wahrscheinlich bringt die 55-Minutensendung am Ostersamstag mehr Aufschluß:
Teures Vermächtnis auf sieben Hügeln. Rom und das Erbe der Antike.
Der Pressetext: „Rom ist ein einziges Freilichtmuseum: Säulen, Tempel, Stadien – an kaum einem anderen Ort ist die Antike so gegenwärtig wie in der italienischen Hauptstadt. Und fast täglich kommen neue Fundstücke hinzu. Auf Schritt und Tritt stoßen die Römer der Neuzeit auf das Erbe ihrer Vorfahren. Ein Vermächtnis, das Touristen wie Archäologen und Restauratoren gleichermaßen in die Stadt am Tiber lockt. Doch der Schatz fordert seinen Tribut: Erhalt und Erforschung der Zeugnisse aus der Antike verschlingen Unsummen. Der italienische Staat ist jedoch hoch verschuldet und kann nur noch 0,28 Prozent seines Staatsbudgets für die Konservierung des kulturellen Erbes aufbringen. Die Regierung Silvio Berlusconis setzt auf eine bessere Vermarktung der Stadt und ihrer Monumente und plant Themenparks im Disney-Stil oder Entertainment-Events im Kolosseum – was dem Erhalt der historischen Substanz nicht unbedingt zugute kommt.“
Hoffentlich bietet die Reportage noch etwas mehr als nur Berlusconi-Bashing.
Ein Vorschlag zur Güte
Ich...
Ein Vorschlag zur Güte
Ich wäre dafür, für die Kultur, nicht nur für die Erhaltung alter Kultur, eine Sondersteuer aufs Einkommen und die Vermögen der Reichen zu erheben, das wäre nicht nur gerecht im fiskalischen Sinne, sondern auch im kulturellen, sozio-kulturellen. Sind es doch die Gutbetuchten, die die öffentlichen Subventionen in dieser Sphäre des bürgerlichen Lebens hauptsächlich genießen. Das ist ganz ernst gemeint, und um das zu untermauern verweise ich da auf den aktuellen Eintrag von Don Alphonso in seinem Blog (https://faz-community.faz.net/blogs/stuetzen/archive/2010/03/31/die-bedingungslose-idiotie-des-grundeinkommens-fuer-reiche.aspx). . . Und sagen Sie mir jetzt nicht, das wäre Kapitalistenbashing, nein, das ist ein Vorschlag zur Güte.
tja...
ob der längere beitrag...
tja…
ob der längere beitrag die ‚großartigen‘ verdienste berlusconis um das italienische kulturerbe wohl klarer darstellen kann als in diesem kurzen? oder auch: wo nichts ist, kann auch nicht mehr geboten werden: italiens kultur soll halt nichts kosten aber gleichzeitig möglichst viel gewinn abwerfen, da ist es sicher sinnvoll, zuerst einmal an den teuren fachleuten zu sparen, soprintendentenstellen zusammenzulegen (=zu streichen), kommissare (speziell für rom) zu berufen, die die lage in die hand nehmen sollen usw. – hauptsache, es wird gehandelt bzw. am wichtigsten, was jetzt nötig wäre gespart, nämlich an gut ausgebildeten fachleuten.
aber die letzten wahlen haben ja gezeigt, dass die meisten (?) italiener wohl recht zufrieden sind mit der lage – oder einfach längst aufgegeben haben…
gruß,
philipp schmitt
Leider habe ich keine Zahlen,...
Leider habe ich keine Zahlen, was die deutschen Bundesländer im Schnitt für den Denkmalschutz ausgeben, da gab es in den letzten 15 Jahren einen enormen Kahlschlag, auch denn in die „Förderstatistik“ die steuerlichen Abschreibungen (was ja genau genommen keine staatliche Förderung ist) mit einfließen.
Doch noch einmal zurück zu Italien. Schwerer als die fehlende finanzielle Ausstattung des Denkmalschutzes wiegt m.E. die hohen bürokratischen Hürden, die Privatinitiativen bremsen. In Wahrheit ist die Bürokratie in Rom zuhause und nichr irgendwo in Deutschland, wo sie so gerne gesucht wird.
Ich wollte nur noch...
Ich wollte nur noch nachtragen, dass inzwischen das Gladiatorenhaus in Pompeji eingestürzt ist, es aber anscheinend genügend Mittel gibt, um Relikte des Faschismus in Südtirol auf Hochglanz zu bringen (wohlgemerkt nicht dringend zu sanieren, sondern wirklich eine Unmenge an Geld für Schönheitskorrekturen auszugeben).