Kuba und antik? Der erste Gedanke bei dieser Verbindung dürfte antiken amerikanischen Straßenkreuzer aus den 50er Jahren gelten, die wohl immer noch die Straßen Havannas befahren. Ein Blick in den Neuen Pauly belehrt immerhin darüber, daß im 19. Jahrhundert eine anspruchsvolle Lateinprüfung zu absolvieren hatte, wer zum zweiten Zyklus des kubanischen Bildungssystem Zugang suchte. Die Lektüre der klassischen römischen Autoren war Pflicht. Im Kielwasser einer solchen Ausrichtung dürften auch Antiken ihren Weg in die Privatsammlungen wohlhabender Kubaner gefunden haben.
Wie ich darauf komme? Nun, Mary Beard kam reisend nach Kuba und dort aus dem Staunen nicht mehr heraus. „I never expected to see so much classical tradition, and classics around the place.“ An einer Hauptstraße Havannas steht eine klassizistische Tempelphantasie im Kolonialstil aus dem Jahr 1828. Das Kapitol verweist auf das in Washington verweist auf das Pantheon in Rom; Nachbildungen der Athena Parthenos stehen dort und in der Universität.
Das Museo de Bellas Artes nennt eine Antikensammlung sein eigen, mit ägyptischen Mumienproträts, einigen offensichtlich gefälschten Gefäßen, aber auch einem wohl echten Stück des Berliner Malers (von einer Leserin des Blogs indes bezweifelt). Hinzu kommt ein kleiner Alma Tadema, eine römische Zeichenklasse, einschließlich Selbstporträt.
Eine von Beard vorgeschlagene Wanderausstellung Schätze aus der Nationalgalerie Kubas wäre lohnend – gewiß auch für das notorisch devisenklamme Kuba. Vorbilder dafür gibt es, zuletzt die geretteten und wiederbeschafften Schätze aus dem Kabuler Nationalmuseum. Einen Anfang, wenn auch ’nur‘ mit Fotos, Texten und Illustrationen macht aktuell eine Schau des Archäologischen Seminars der Universität Basel in der Skulpturenhalle dortselbst (ab heute, bis 14.11.).
Übrigens muß es nicht bei Mary Beards Reiseimpressionen bleiben. Die wie immer wunderbare Gnomon-Datenbank nennt eine ganze Reihe einschlägiger Arbeiten:
– María Castro, Christian E. Loeben, Detlef Rößler, Veit Stürmer, Die Antikensammlung im Nationalmuseum Havanna, in: Antike Welt 29, 1998, Heft 3, 209-223
– Othmar Jaeggi, Stephan G. Schmid, Beiträge zur Sammlung Lagunillas des Museo Nacional de Bellas Artes in Havanna (Kuba), in: Antike Kunst 39, 1996, Heft 1, 14-37
– Maria Elina Miranda, Der Neuhumanismus und das Studium der klassischen Sprachen und Literaturen in Kuba in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Philologus. Zeitschrift für Klassische Philologie 133, 1989, 147-150
– E. Miranda Cancela, Cuba y la tradición clásica. Enfoques y perspectivas, in: Francesco De Martino (ed.), Kleos. Estemporaneo di studi e testi sulla fortuna dell‘ antico, Bari 2002, 305-317
– Isabelle Torrance, Brothers at War: Aeschylus in Cuba, in: John Hilton and Anne Gosling (eds.), Alma Parens Originalis ? The Receptions of Classical Literature and Thought in Africa, Europe, the United States, and Cuba, Frankfurt am Main u.a. 2007, 291-316.
Es wäre interessant zu...
Es wäre interessant zu wissen, inwiefern der Cuba-Kommunismus versucht hat, diese antiken Symbole in seine Ideologie zu integrieren. Wie könnte man eine Athena-Statue sozialistisch deuten …? Geht das überhaupt? Oder ein Kapitol, also das Symbol einer römischen Senatsherrschaft? Fragen über Fragen …
… oder andersherum: Ob die kubanische Opposition in irgendeiner Form durch antike Reminiszenzen inspiriert ist?
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Ein oppositioneller Blog knüpft immerhin an Dante an:
https://de.wikipedia.org/wiki/Claudia_Cadelo
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Und – Überraschung – es gibt sogar eine Ausstellung zum Thema:
Link:
Aktuelle Sonderausstellung: «Kuba und die Klassische Antike»
18. September bis 14. November 2010
https://www.skulpturhalle.ch/sonderausstellungen/sonderausstellungen.html