In Kürze wird es den Rheinischen Merkur nicht mehr geben. Jedenfalls nicht mehr eigenständig. Die katholischen Bischöfe haben – selbst in großer Finanznot – der seit vielen Jahren defizitären christlichen Wochenzeitung den Geldhahn zugedreht. Künftig wird ein Rumpfblatt, erstellt von einer Rumpfredaktion, mit sechs Seiten Umfang unter dem alten Namen der ungleich erfolgreicheren Zeit beiliegen – wie lange, kann niemand sagen. Auf eine lange Dauer würde ich nicht wetten.
Das gemäßigt konservative, vor allem aber in Sachen Religion(en) fundierte Blatt wird fehlen. Doch wer jetzt – außerhalb des zu kleinen Kreises der treuen Leser – über eine Verarmung der Presselandschaft klagt, verdient nicht mehr Verständnis als die Zeitgenossen, die das Verschwinden der Universalwarenhäuser aus den Innenstädten beklagen, aber dann einräumen müssen, zuletzt an der Hand der Mutter eine Karstadt-Filiale betreten zu haben. Das gilt auch für mich.
Die Antike wurde im Rheinischen Merkur durchaus gepflegt. Zum vierzigsten Jubiläum des Blattes erschien 1996 die Sonderbeilage „Wurzeln. Die Grundlagen der europäischen Kultur und Zivilisation in der Welt der Antike“. Eine Buchausgabe kam wenig später heraus und fand auch als Taschenbuch eine gewisse Verbreitung (gebrauchte Ausgaben bei amazon für wenige Cent zu haben). Neben Altertumswissenschaftlern schrieben auch Vertreter anderer Fächer; insgesamt herrscht ein affirmativ-ursprungsmythischer Ton vor, so S. 31: „Unser Denken, unsere Begriffe und Fragen, unsere politischen und ethischen, die ästhetischen und wissenschaftlichen Konzepte sind griechischen Ursprungs, und dieser Ursprung verdient immer noch unser Staunen, unsere Liebe und Aufmerksamkeit. Wie jeder Ursprung, so verändert sich auch der griechische mit den Veränderungen, denen wir selbst unterliegen, aber Geschichte und Ursprung sind voneinander nicht zu trennen.“ Daß solche Sätze auch sonst gelegentlich zu lesen sind, macht sie nicht richtiger oder hilfreicher – das Odium des Beschwörens einer verstaubten Statue haftet ihnen an. Gleichwohl: Die Potentiale der Tradition kann nur erkunden, wer noch einen Zugang zu ihnen findet. Insofern ist der pflegende Humanismus als Weg ins Arsenal nicht zu entbehren.
Der Schlußbeitrag aus der Feder des bekannten Theologen Klaus Berger schlägt die Brücke zum Christentum. Eine seiner Thesen ist heute wieder aktuell: Die Aufnahme des spätantiken Platonismus in die christliche Theologie hat es der kirchlichen Praxis schwergemacht, die Leiblichkeit des Menschen – auch des Priesters – anzunehmen. Berger spricht von „1700 Jahren sexueller Verklemmung im Christentum, wann und weil jüdisches Reinheitsdenken, das an sich betrachtet theologisch sehr ernst zu nehmen ist, sich mit platonischer Abwertung der Leiblichkeit traf. (…) Ich zögere nicht zu sagen, daß die Misere der Kirchen in der Gegenwart großtenteils noch immer vom massiv fortwirkenden Platonismus auf allen Ebenen herrührt.“
Auch in den jüngsten Nummern finden sich Verweise. So sieht der Filmregisseur Oliver Stone die Zukunft seines Landes düster (21. Okt., S. 17): „Wir sind am Ende. Über jedes Maß hinaus ausgedehnt. Wir sind wie Rom, bauen immer höhere Mauern, um die Barbaren vor den Toren zu halten. (OS denkt hier wohl an das Regime an der Grenze zu Mexiko). Aber was ist aus Roms Mauern geworden? Sie waren völlig nutzlos.“ Wie alle historischen Analogien muß auch diese ordentlich verkürzen. Und natürlich: Alles findet irgendwann einmal sein Ende. Die Frage ist, wann das sein wird. Stone verkennt, wie erstaunlich lange die Mauern hielten und wie alternativlos Roms Politik aus der damaligen Perspektive war.
Höchst lesenswert war Ende September ein Artikel von Josef Zellner: Ich denke nicht, also bin ich. Hinter einer fulminanten Kritik fehlgeleiteter Aufmerksamkeiten für die Hiltons, Beckers, ‚Loddars‘ und anderen Nullitäten verbirgt sich ein wertvoller Gedanke, der einem in der Tat kommen kann, wann immer ein eloquenter Journalist mit rasch und quer angelesenem Wissen in einer Talkshow den Wissenschaftler aussticht, obwohl sich dieser viele Jahre lang intensivst mit dem behandelten Phänomen befaßt hat. Zellner stellt die Frage: Wie lesen wir eigentlich? Und plädiert für einer „philologischen Lebensentwurf“. Hier die wichtigsten Passagen:
„Legendär ist etwa der 27 Druckzeilen umfassende Einleitungssatz des längst verstorbenen Altphilologen Friedrich Klingner zu seinem Artikel „Cato Censorius und die Krisis Roms“, in dem er den knorrigen alten Cato, zugegeben subjektiv, aber doch so genial porträtiert, dass vor dem inneren Auge noch heutiger Gymnasiasten diese historische Gestalt stets von Neuem Kontur und Farbigkeit gewinnt.
Eine verbreitete philologische Lebensweise ist dem Untergang geweiht. Die Moderne und a fortiori der Mensch unserer Tage beansprucht Originalität für sich, sein Denken, seinen Lebensentwurf. Unoriginell dünkt das Nach-Denken des schon Gedachten, das Erkennen des bereits Erkannten, das Bedenken des vielfach Bedachten – auf welchem Feld des Lebens auch immer. Anders ausgedrückt: Wir googeln gerne, aber wir leisten ungern die anstrengende wissensarchäologische Feldforschung, die jedem sinnvollen Googeln vorauszugehen hat, wollen wir als Wissensbeschaffer nicht zum hilflos-willfährigen, gar unwissenden Opfer präetablierter Algorithmen werden. (…) Bewertung aber setzt stets Bewertungskriterien voraus. Valide, sachadäquate Kriterien wiederum lassen sich am sinnvollsten auf der Basis eigenen Wissens entwickeln. Dieses Wissen zu erwerben gilt in unseren auf die Vermittlung von Kompetenzen getrimmten Post-Bologna-Schulen als unzeitgemäß. August Böckh dagegen hatte erstmals 1809 in seiner Vorlesung über die „Enzyklopädie und Methodologie der philologischen Wissenschaften“ als deren eigentliche Aufgabe „das Erkennen des vom menschlichen Geist Produzierten, das heißt des Erkannten“ bestimmt. Das bedeutet, der Reproduktion den Vorrang vor der eigenen Produktion zu geben. Diese Reproduktion gilt heute als unkreativ, unmotivierend, daher als „mega-out“ und ist folglich strengstens abzulehnen. Als hätte nicht ein sachadäquates Nach-Denken der Gedanken epochenbestimmender Geistesgiganten mehr an Qualität zu bieten denn ein freundlich-ahnungsloses Dilettieren in eigenen, höchstens pseudooriginellen Entwürfen, die bestenfalls als Belege historisch-denkgeschichtlichen Unwissens durchgehen können.
So gut kann es um das Selbstbewusstsein des heutigen Menschen nicht bestellt sein, wenn er sich regelmäßig in grotesker Ignoranz, ja in grandioser Hybris über 2500 Jahre abendländische Kultur- und Denkgeschichte zu stellen wünscht, um als prätendierter Dominus et Deus seine individuelle Creatio ex nihilo zu entwerfen. Doch da wir ein Recht auf die eigene Meinung haben, ist die eigene Meinung eben die eigene Meinung. Schwellen der Peinlichkeit sind damit abgeschafft! Die psychohygienischen Bedürfnisse einer pubertären Gesellschaft gebieten es zudem offenbar, sich ständig als „Macher“ in autopoietischer Pose zu gerieren, statt sich mit einem gesunden Selbstbewusstsein, das per se Selbstrelativierung einschließt, nachdenkend in eine lange Reihe großer Denker einzugliedern, um für die neuen Herausforderungen unserer Zeit Honig aus den zahlreichen Blüten der abendländischen Wiesenblumen zu saugen. (…)
Gewiss erschreckt aus heutiger Sicht mitunter die geistige Enge der früheren reichlich mikroskopischen Wortphilologie, die oft genug den Wald vor lauter Baumbetrachtung nicht mehr sah, ebenso wie das detailverliebte L’art pour l’art ihrer Zwillingsschwester, der Sachphilologie, die nicht selten zu Gelehrtendiskussionen kafkaesk-loriothafter Art führte und den unbedarften Zuhörer entweder vor Ehrfurcht erstarren oder aber als Zeugen einer vermeintlichen Live-Satire in exaltiertes Kichern ausbrechen ließ.
Und doch versagte und versagt ein Gutteil der etwas sensibleren Anwesenden noch heute jener aussterbenden Art von spitzfindiger Gelehrsamkeit ihren Grundrespekt nicht, so wie auch heute noch Schülerinnen und Schüler jene seltener werdenden Oberstufenlehrkräfte besonders schätzen, deren Ausführungen sie zwar nicht immer in Gänze zu folgen verstehen, deren gelehrte Abstraktion und deren stupend-faktengesättigte Substanz sie aber sehr wohl zu erkennen vermögen. Welch eine Wohltat, in einem Meer des bramarbasierend-medialen Hypes um das schiere Präsentations-Nichts einmal eine Insel tropisch-unbekannter Gedankenfülle zu erleben!
(…) Vielleicht müssen wir erst an Verstopfung des medial gestylten Besonderen leiden, vielleicht müssen uns erst Event-Überdruss und Medien-Flatulenz lehren, dass das vermeintlich langweilige Normale wenn schon nicht das Besondere, so doch das entscheidend Wichtige eines sinndurchtränkten philologischen Lebensentwurfs ist. „Tun, was der Tag verlangt.“ Auf diese scheinbar karge Formel brachte einst der selige Redemptoristenpater und Schullehrer Kaspar Stangassinger aus Gars am Inn die christliche Ethik. Ein solches Ansinnen bedeutet für den modernen, exaltierten Menschen auf der Suche nach dem zerstreuenden Rund-um-die-Uhr-Kick und der virtuell durchgestylten Dauerekstase zwar eine Zumutung, denn es verlangt keck nach einer prima facie unzumutbaren Schwarzbrotkultur – und dies in einer Zeit der allgegenwärtigen Sahnetorte -, doch Kinder- und Altenpopos, die Operationswunden des Lebens wie auch die minimalinvasiven denkerischen Bohrlöcher in den dicken Erkenntnisbrettern von Wissen und Wissenschaft werden es uns danken!“
Denn Wissen war da mal...
Denn Wissen war da mal Macht
.
Wer den Epochenbruch nicht sieht, der sieht eben den Wald vor Bäumen nicht. Lange schien es, auch mir, ich gestehe es, dass sich die Klassengesellschaft in sich gegenseitig verschlingenden Kämpfen erledigen wird, und mit dieser den Streit zwischen den Wissenden und Unwissenden gleich mit. Die Wissenden werden am Ende die Unwissenden, gleich denen von gestern, sein. Sie werden nichts mehr verstehen, denn die Klasse die sie barg, war ihr ganzes Verständnis. Nun scheint es, dass die Klassengesellschaft nicht abzudanken wünscht. Auch auf den Nachwuchs, den notwendig immer dümmeren, um da mal auf Sarrazin zu referieren, will man nicht verzichten. Gestern noch schmiedete man Pläne, wie man die Kinder der Unterschicht, als Bildungspotential von morgen zu nutzen gedenkt, nun will man den begrenzten Zuzug von bereits „Gebildeten“. Das Potential soll immer raffinierter abgeschöpft werden, ohne dass man neues hinzufügt. Die Substanz muss wohl verdünnt werden, gestreckt gewissermaßen.
.
Nur wäre das alles nicht der Betrachtung wert, sähe man das nur als eine Art Kulturreigen, andere nennen es Kampf der Kulturen (um die besten Köpfe gar?), wenn dem nicht auch eine materiale Bewegung unterläge. Auch das Kapital, Sie wissen schon, jenes abstrakte Wort für Produktion, Zirkulation, Menschen-, Güter-, und Zahlungsmittelverkehr scheint ebenso gestreckt. So viele Milliardäre wie heute gab es noch nie, aber auch gleich so viele Mittellose noch nicht. Am Ende scheint das, was ist, nicht viel mehr zu sein, als das, was mal war: ein entropisch geklärtes Maß an Dingen, das man verkonsumieren muss, um das Leben zum Überleben zu befördern, eine notwendige Summe an Gütern, welche die Entropiezunahme begleiten, nicht mehr, nicht weniger. Gut gemischt, aber dünn geworden, scheint sie, die Suppe, von der immer mehr hoffen, dass (auch) sie sie sättigt.
.
Substanzerhalt ist das Zauberwort. Die einen beklagen damit die immer dünner werdende Suppe, die anderen reklamieren den Erhalt der realen Produktion vor der reinen Geldzirkulation und schließlich wieder bedauernden Verlust ihrer genetischen Disposition, ihrer kultur-soziologischen Identität. Sie fordern die Umkehrung des doch Unumkehrbaren. Der Geist will nicht in die Flasche zurück. Die Entropie will nicht schwinden.
.
Und auch der Sprache mangelt es zunehmend an Substanz. Denglisch werde gesprochen, wo doch deutsch erwünscht sei (oder besser noch latein). Und nun ist auch die Substanz des Wissens gefährdet. Britannica versus Wikipedia, so der neue Schlachtruf derer, die ihr letztes noch nicht gestrecktes Kapital zu schützen suchen.
.
Doch so scheint die Ironie der Geschichte den Bogen geschlagen. Die Masse bemächtigt sich nicht der Macht, sondern des Wortes, sie okkupiert die Kathedralen der verhassten Klasse und fordert dort die Gleichheit vor allen Göttern. Dabei ist ihr das Wissen nicht heilig, kein Gott, sondern nur wohlfeil, ein irdisches Medium. Denn Wissen war da mal Macht.
.
Und haben wir schon keine reale Macht, dann tut es die irreale auch, so wie virtuelles Kapital neben dem immer rarer werdenden realen. Cyperwissen erregt den einen wie Cypersex den anderen. Scheinbare Zufriedenheit, ja Befriedigung, scheinbare Klassenlosigkeit, scheinbare Befreiung des Individuums (von den Zwängen der Materie, die Tücke der Entropiezunahme), scheinbares Wissen ob all dessen, was da gerade (nicht) passiert.
Das Ende des “Rheinischen...
Das Ende des “Rheinischen Merkurs” erstaunt nicht wirklich: Milieus verfallen, das ist nicht neu, die Absatzprobleme ihrer Zentralorgane sind die Vorboten des Untergangs: die Parteipresse der SPD, Das “Allgemeine Sonntagsblatt” des gehobenen protestantischen Bürgertums und nun eben der “Rheinische Merkur”, der vom Tropf der Deutschen Bischofskonferenz genommen wird. Das kann man als aktive Sterbehilfe deuten, wenn man den Kniff übersieht, mit dem sich die “Zeit” den “Rheinischen Merkur” einverleibte: die Abonnenten (der Blogger mutmaßt nur über deren wohl zu geringe Zahl, der „Spiegel“ spricht von 12.900) werden eingemeindet als neue Bezieher der “Zeit”, geködert mit einer äußert dünnen “Merkur”-Beilage. Man will damit wohl zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: der “Rheinische Merkur” hofft, auf diese Weise Rückzahlungen sich ersparen zu können, die “Zeit” kommt an eine interessante Adressensammlung und kann den eigenen Anspruch untermauern, die weltweit einzige Zeitung mit wachsender Leserzahl zu sein.
Mir fiel der “Rheinische Merkur” wohl ein einziges Mal in die Hand: das Blatt, so fand ich, war nicht einmal schlecht gemacht, Ausdruck eines zivilisierten Konservativismus, dem die Soziallehre der Kirche ein echtes Anliegen geblieben ist, was einerseits altmodisch anmutet, andererseits aber gerade deshalb Zukunftsfähigkeit bezeugt. Reaktionären Kirchenmännern war die Liberalität des Blattes ein Gräuel, so ist zu hören. Insofern zeigt der Nachruf zu Lebzeiten also vielleicht wirklich einen Verlust an, auch wenn sich mir bei einmaliger Lektüre die Relevanz der Zeitung so wenig erschlossen hat wie dem Blogger, zumal wir beide nicht dem Milieu anzugehören scheinen, dessen Weltbild im Merkur gültigen Ausdruck findet.
So weit, so vorhersehbar. Klug der Einwand des Bloggers gegen die monumentalische Betrachtung der Antike, “das Odium des Beschwörens einer verstaubten Statue haftet ihr an.” Leider sofort zunichte gemacht durch den Nachsatz: “Gleichwohl: Die Potentiale der Tradition kann nur erkunden, wer noch einen Zugang zu ihnen findet. Insofern ist der pflegende Humanismus als Weg ins Arsenal nicht zu entbehren.” In Wahrheit aber versperrt der “pflegende Humanismus” den Weg dorthin. Den Beweis liefert der Blogger umgehend durch ein umfangreiches Zitat, das man getrost als Ergebnis der sonst eifrig als Untugend getadelten Methode cut and paste werten kann, die angeblich typisch für Autorenschaft im Internet ist. Den Beitrag von Josef Zellner aus dem „Rheinischen Merkur“ hält der Blogger für “höchst lesenswert”, was ich nach vollständiger Lektüre des Textes nicht nur nicht bestätigen kann, sondern geradewegs in Abrede stellen möchte. Der Aufsatz rankt um einen richtigen – wenn auch keineswegs neuen – Gedanken viel Unausgegorenes und Vorurteile, vorgetragen in einem affektierten Stil. Das in meinen Augen Richtige liegt in Zellners Erkenntnis, dass Denken Wissen, Erschließung von Quellen und Betrachtung zur Voraussetzung hat, wenn es nicht zu bloßer Meinerei verkommen will. An diese kleine Wahrheit erinnert in der FAZ ein Artikel am Beispiel der Untersuchungen von Andrew Abbott (https://www.faz.net/s/RubC3FFBF288EDC421F93E22EFA74003C4D/Doc~E274496C7F4254A67A3519782422DDEDC~ATpl~Ecommon~Scontent.html). Der amerikanische Soziologe beschränkt sich eben nicht auf modische Kritik am Internet, sondern versteht es, gefährliche Verkürzungen, rituelle Zitate und schlimme Fehldeutungen auch im Betrieb herkömmlicher Wissenschaft aufzuspüren. Zellner hingegen schlägt in seiner selbstverliebten Prunkrede den Ton des Besserwissers an, der nicht spendabel an seinem Wissen teilhaben lässt, sondern sich mit seinem Bildungsschatz hervorkehren will und sich damit von seinen Lesern in grotesker Dünkelhaftigkeit abwendet. Statt Lebensklugheit wird hier nur Lebensaltklugkeit dargeboten und damit das genaue Gegenteil dessen, was der Blogger in seiner Kopfzeile verspricht, nämlich Tagesaktualität und Antike zusammenzubringen. In seinen besten Beiträgen gelingt es ihm, seine reiche Kenntnis der Alten mit origineller Analyse des Gegenwärtigen zu lohnenden Einsichten zu verknüpfen. Aber das macht natürlich Arbeit; sie zu scheuen trägt durchaus menschliche Züge, die auch der Antike nicht fremd waren.