Antike und Abendland

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Tagesaktualität, wie sie sich mit einem Blog verbindet, und Antike – das scheint nicht zusammenzugehen. Dennoch soll hier der Versuch gewagt

Amazonen in Speyer, last minute

| 4 Lesermeinungen

Noch bis Sonntag ist im Historischen Museum der Pfalz zu Speyer die Ausstellung zu den Amazonen zu sehen (s. FAZ v. 6.9.2010). Ein später Besuch lohnt. Der...

Noch bis Sonntag ist im Historischen Museum der Pfalz zu Speyer die Ausstellung zu den Amazonen zu sehen (s. FAZ v. 6.9.2010). Ein später Besuch lohnt. Der vordere Teil der Schau macht klar, wie allgegenwärtig die Amazonen in der Bilderwelt der Griechen waren, schon seit dem 8. Jahrhundert v.Chr., als auch Homer sie erwähnte – als „männergleiche“. Die Schau vereint prachtvolle bemalte Keramik, darunter gewaltige Mischkrüge mit Kampfszenen. Besonderes Lob verdienen die erklärenden Tafeln: Sie lassen den Betrachter der Objekte nicht mit einem „staune gefälligst!“ allein, sondern bieten zurückhaltende, differenzierte Erklärungen in einem Textumfang, der gut zu bewältigen ist. Wer zu den einzelnen Objekten mehr wissen will, wird vom Begleitbuch leider enttäuscht: Dieses bietet zwar informative Essays, aber keinen eigentlichen Katalogteil, der alle gezeigten Objekte mit Hinweisen auf weitere Literatur verzeichnete und erklärte. Das obere Bildband auf einem Mischkrug des Niobidenmalers aus Neapel, das ich nicht entschlüsseln konnte, bleibt auch im Buch unerklärt, was zu einer aufwändigen Recherche nötigt.

Dem Zeitgeist der Modelwettbewerbe ist ein inszenatorischer Gag geschuldet: Vor den Gipsabgüssen der drei sog. ephesischen Amazonen, die von den drei berühmtesten Künstlern ihrer Zeit (Kresilas, Phidias und Polyklet) geschaffen wurden, aber jeweils keinem einzelnen zugeordnet werden können, steht ein Monitor, auf dem man die schönste wählen kann. Das Ergebnis: knapp zwei Drittel der Besucher entschieden sich für die dem Phidias zugeschriebene Amazone mit dem Bogen, in der Ausstellung die rechte Figur.

Doch auch der hinter Teil der Ausstellung ist sehenswert. Gewiß, die Grabfunde aus den Kurganen der Skythen hat man schon gesehen, da es zuletzt mehrere Ausstellungen zu den Skythen gab. Aber der anthropologische Nachweis von Frauenbestattungen mit Waffenbeigaben wirft doch ein neues Licht auf die so schwer greifbaren Gesellschaften der antiken Bewohner der Krim und Südrußlands.


4 Lesermeinungen

  1. franket sagt:

    Ich war ebenfalls vor kurzem...
    Ich war ebenfalls vor kurzem in dieser Ausstellung und kann bestätigen: Es lohnt sich! Sehr schön gemacht! Sehr umfassend. Man sollte sich Zeit nehmen. Es ist zwar ein Museum in der Provinz, aber keine Provinzausstellung. Das Speyerer Museum leistet hier vorbildliches. Es gibt viele Originaldarstellungen zu sehen, auf Vasen, Münzen, Bronzestücken usw. Das Skythengold ist immer wieder sehenswert. Hier einmal nach der Frauenfrage durchgekämmt. Auch den Audio-Guide, der häufiger schlecht gemacht ist, empfehle ich bei dieser Ausstellung. Natürlich freute mich an dieser Ausstellung besonders, dass Herodot wieder einmal ein Stück weit Bestätigung fand.
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    Ich hatte mich übrigens auch für die rechte Amazone entschieden …
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    Das Begleitbuch ist Geschmacksache. Der Katalogteil ist gewissermaßen in die Essays als Illustrationen eingearbeitet. Die abgedruckte Herodot-Karte enttäuscht aber.
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    Eine verdammt gut gemachte Herodot-Karte gibt es z.Z. im Begleitkatalog zur Ausstellung des Archäologischen Museums Frankfurt zu sehen: „Fürsten, Feste, Rituale“. Die Proportionen stimmen so ziemlich, und alle Angaben sind in Griechisch in lateinischer Umschrift eingetragen. Richtig gut!
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    Am Vormittag desselben Tages war ich in Mannheim in der Staufer-Ausstellung: Welche Enttäuschung! Erst eine Stunde in der Kälte in der Schlange stehen, drinnen dann alles total überfüllt. Massen in Bussen. Massenabfertigung. Massenwahn.

  2. Devin08 sagt:

    Patriarchalische Einfalt
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    Was...

    Patriarchalische Einfalt
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    Was auch immer die Amazonen waren, und selbst wenn sie nur ein Mythos gewesen wären, so waren sie doch die Negativseite des Patriarchats, oder auch die positive, je nach Betrachtung. Auf jeden Fall die weggeblendete. Und was die Amazonen vermutlich auch den Griechen schon so interessant machte, war ihr offenbar nicht wegzublendendes schlechtes Gewissen, ob der Rechtlosigkeit (wie Bedeutungslosigkeit) der griechischen Frau. Ihre Angst gar, vor der Rache dessen, was die Griechen mit ihrem Eros als gebändigt sehen wollten: dem „Chaos“, dessen erste Göttin eben eine weibliche, eine Muttergöttin war. Gaia (indogermanisch: die Gebärerin) war demnach doch die erste unter allen Göttern. So zumindest nach Hesiod.
    Was aber könnte uns heute die Amazone bedeuten, mal abgesehen von dem Schimpfwortgehalt. „Du Amazone!“, klingt irgendwie immer noch nicht gut, oder?
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    Also, mal abgesehen davon, dass die Grabfunde aus den Kurganen, wirklich „sehenswert“ sind, das sind sie wirklich, hätte ich doch gerne eine kritische Reflexion darüber. Verweisen die Skythengräber nun auf eine Historische Epoche vor dem Patriarchat, matristische Zeit genannt, wie bei Bornemann (https://blog.herold-binsack.eu/?p=1335), oder etwa nicht? Beginnen wir nun endlich die Geschichte neu zu begreifen und insbesondere da die marxistischen Vorarbeiten endlich zu schätzen (Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates, https://blog.herold-binsack.eu/?p=1323, Bornemann: Das Patriarchat), oder konsumieren wir das einfach, in unserer, will heißen: des Mannes offenbar, so einfältigen Art.
    Das will ich wissen, und nicht wie schön die Ausstellung ist!

  3. franket sagt:

    @Devin08:
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    Ich vermute, Sie...

    @Devin08:
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    Ich vermute, Sie hätten sich für die linke Amazone entschieden. Nun, sie sah schon etwas ramponiert aus.

  4. Devin08 sagt:

    Stichwort: Sexualität im...
    Stichwort: Sexualität im Alter
    @Franket: War das jetzt eine Antwort oder eine Frage? Sollte es eine Frage sein, dann empfehle ich einen Blick oder auch zwei Blicke in mein Weblog. Mit dem Thema Eros beschäftige ich mich auch. Stichwort: „Eros“. Andernfalls gehe ich davon aus, dass Sie das Thema womöglich mehr beschäftigt als mich, insbesondere unter dem Stichwort: Sexualität im Alter. Doch empfehle ich dann auch einen Blick in mein Blog, Stichwort: „Ein liebender Mann“. Sie wissen schon, dieses Werk von Walser über Goethes späte Liebe zu jener blutjungen Dame, worüber sich Goethe auch in den Marienbader Elegien ausgeweint hatte. Wie man dieses Thema, gerade im Alter, mit etwas mehr Stil angeht, als Goethe und Walser zum Beispiel, dazu äußere ich mich da.
    Viel Spaß beim Lesen.

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