Antike und Abendland

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Tagesaktualität, wie sie sich mit einem Blog verbindet, und Antike – das scheint nicht zusammenzugehen. Dennoch soll hier der Versuch gewagt

Römerfilm, ab 18: „Centurion“

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Gar nicht bis ins Kino gelangt, sondern nur auf DVD erhältlich ist eine europäische Co-Produktion, die wie der böse Bruder von Der Adler der Neunten Legion...

Gar nicht bis ins Kino gelangt, sondern nur auf DVD erhältlich ist eine europäische Co-Produktion, die wie der böse Bruder von Der Adler der Neunten Legion daherkommt. Centurion ist in der gleichen historischen Konstellation angesiedelt, etwas früher freilich. 117 n.Chr. kämpfen römische Truppen im Norden Britanniens gegen die Pikten (deren Namen historisch indes erst ca. 180 Jahre später belegt ist). Den Hadrianswall gibt es noch nicht, und der Film beginnt mit einem Überfall auf einen römischen Außenposten. Der Statthalter will diesem Treiben ein Ende bereiten; die Neunte Legion soll ins Feindesland vorstoßen und den Anführer der piktischen Koalition ausschalten. Den Befehl gibt der bekannteste Statthalter Britanniens, Iulius Agricola. Der historische Agricola war da allerdings schon mehr als zwanzig Jahre tot; als Statthalter hatte er zwischen 77 und 83 amtiert. Bedauerlicher als dieser Anachronismus ist das Bild, das der Film von ihm zeichnet: Er erscheint als dekadenter alter Mann. In einer herausgeschnittenen, aber auf der DVD mitgelieferten Szene sondert er wirklichkeitsfernes Gerede ab, ist jähzornig und zugleich seiner viel jüngeren Frau Drusilla hörig, die ihm den wenig erfolgversprechenden Plan einbläst.

Die Legion marschiert los, angeführt von dem charismatischen Virilus. Dabei ist die geheimnisvolle Etain, eine stumme Piktin, die das Vertrauen des Statthalters genießt, ihm sogar bei einem Attentat das Leben rettet. Doch die Legion wird von ihr in einen Hinterhalt gelockt und völlig aufgerieben. Die Pikten nehmen den General gefangen, nur sieben Mann überleben das Gemetzel, unter der Führung des Centurio Quintus Dias (!). Diese römischen ‘Glorreichen Sieben‘ sind eine zeitgemäße, das heißt multikulturelle Truppe, darunter ein Koch, der als Assyrer geht, aber aus dem Hindukush (!) stammt, ein Grieche, der auf den Namen Leonidas hört (zwei der Hauptdarsteller waren vor Jahren bei Zack Snyders 300 dabei), und ein Numider, der zuvor Langlaufsport (!) betrieben hat (geht’s noch klischeehafter?). Beim erfolglosen Versuch, den General zu befreien, tötet einer von ihnen den Sohn des Piktenführers; dieser setzt daraufhin ein Jagdkommando unter Etain auf sie an. Diese hat mit den Römern noch eine Rechnung offen, haben diese doch einst ihr Dorf überfallen, die Familie getötet, sie vergewaltigt und in den Mutismus getrieben. Die Flüchtenden finden kurzzeitig Unterschlupf bei einer jungen blonden Piktin, die als ‘Hexe‘ einst verbannt worden war. Am Ende erreicht nur Dias lebend die römische Verteidigungslinie. Doch niemand soll berichten können, daß die Neunte Legion heldenhaft gekämpft hat und massakriert wurde, weil das nicht in die neue Strategie des Imperiums passen würde: eine feste Verteidigungslinie zu bauen und keine Expeditionen mehr nach Norden zu unternehmen. Also mußte die Neunte spurlos und geheimnisvoll verschwunden sein. Niemand würde eine unerklärlich vom Erdboden verschluckte Legion suchen und rächen wollen; für eine massakrierte Truppe hingegen wäre eine Strafexpedition, wie sie einst Germanicus nach der Varuskatastrophe angeführt hatte, geradezu Pflicht gewesen. Während die Sieben zuvor die Maxime verfolgt hatten, keinen zurückzulassen, befehlen die verschlagenen Schreibtischstrategen nun: keine Überlebenden. Dias kann indes knapp entkommen, und der Film endet mit der nunmehr augenscheinlich unverzichtbaren Vision kulturübergreifender Versöhnung, wenn auch nur in Gestalt von Dias und der piktischen Hexe. Nur die Ausgestoßenen können, so die Pointe, zusammenkommen; im jeweils ‘eigenen‘ Verband haben anständige Menschen keinen Platz.

Kriegsfilme, die in der Antike spielen, sind heute offenbar nur noch als Stilmix zu machen und zu sehen. Die Rüstungen sehen halbwegs authentisch aus, und vielleicht haben die Römer im kalten Norden tatsächlich Hosen getragen. Aber die Wirtshausschlägerei stammt aus dem Western, die zusammengewürfelte Siebenmanntruppe mit einem faulen Ei im Nest ist aus dem professional-movie entlehnt, und die Kampfszenen erscheinen mittlerweile in fast allen Filmen nach Mustern aus dem fernöstlichen Martial-Arts-Kino gestaltet. Die Kelten sind mystisch, und die Landschaft hat etwas von Der Herr der Ringe. Wie könnte es anders sein?

Ein Film wie ein gepreßter Kompositschinken also. Was ihn von vergleichbaren Produktionen absetzt, prangt rot links unten auf dem Cover: die einigermaßen blutigen Kampfszenen. Der erste Römer stirbt, indem er beim Urinieren von unten eine Lanze in die Weichteile gerammt bekommt. Dann aber werden meist Schädel gespalten oder abgetrennt, Schwerter in Körper gestoßen oder Gliedmaßen abgehackt. Blut fließt und spritzt reichlich. Die Gewaltdarstellung ist sehr plakativ und gewiß nicht ‘realistisch‘, aber sicher nicht stärker „jugendgefährdend“ oder „entsittlichend“ als die Verfahren anderer Filme dieser Art, durch schnelle Schnitte und weniger Blut das gleiche Geschehen FSK 12-kompatibel darzustellen. Der Film, der ansonsten ganz belanglos ist und den Betrachter mangels einer charismatischen Hauptfigur, wie sie zuletzt Russell Crowe in Gladiator bot, auch nicht gefangen nimmt, macht wenigstens dies wieder bewußt: Die Jahrhunderte währende militärische Selbstbehauptung Rom gibt Anlaß zum Staunen, denn die Römer töteten nicht, indem sie Knöpfe drückten, sondern überwiegend im Kampf Mann gegen Mann, einem Kampf, in dem Taktik, Training und Ausrüstung zwar Vorteile bringen können, aber keine große qualitative Überlegenheit zu begründen vermögen. Centurio spielt sogar ein wenig mit der klassischen Rollenverteilung, indem er die Pikten ihren Angriff durch rollende Feuerkugeln artilleristisch vorbereiten läßt, während sich später die sieben Römer unter Laub, mithin guerillamäßig verbergen.

Der Untertitel führt übrigens irre, denn obwohl sehr viel gekämpft wird, geht es doch meist um Flucht. Und noch ein kleines Rätsel: Der Kurztext auf dem hinteren Cover versetzt das Geschehen ins Jahr 117 vor Christus. Hat hier ein Praktikant mit verblaßtem Latein „AD“ mit so etwas wie „ante Dominum“ aufgelöst anstatt mit „anno Domini“? Und eine Frage: Sieht der Hauptdarsteller zumindest auf dem Cover nicht ein wenig aus wie Laurence Olivier?

Bild zu: Römerfilm, ab 18: „Centurion“


1 Lesermeinung

  1. franket sagt:

    Scheint ein Film zu sein, den...
    Scheint ein Film zu sein, den man nicht gesehen haben muss.
    > einem Kampf, in dem Taktik, Training und Ausrüstung zwar Vorteile
    > bringen können, aber keine große qualitative Überlegenheit
    > zu begründen vermögen.
    Hm, das glaube ich aber doch.
    Organisation und Führung kommen hinzu.
    Gibt es eigentlich auch Verfilmungen der Varusschlacht?
    Ja! Wer hätte es gedacht:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Varusschlacht#Verfilmungen

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