Antike und Abendland

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Tagesaktualität, wie sie sich mit einem Blog verbindet, und Antike – das scheint nicht zusammenzugehen. Dennoch soll hier der Versuch gewagt

Roma, Arte, Iunius – ein sattes Antikeprogramm

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Rom meint nicht nur die Stadt am Tiber, sondern steht abkürzend auch für das Imperium Romanum und für die Macht einer Idee, die sich zugleich als Idee der...

Rom meint nicht nur die Stadt am Tiber, sondern steht abkürzend auch für das Imperium Romanum und für die Macht einer Idee, die sich zugleich als Idee der Macht begreifen ließ.

Arte ist im Lateinischen Ablativ Singular von ars, „Kunst“.

Der Monat Juni hat seinen Namen von der italischen Göttin Iuno, die bei den Römern per Analogie (Hera – Zeus) als Gattin Iuppiters erscheint, aber eigentlich eine eigenständige Göttin darstellt. In Rom war sie v.a. mit der Geburt verbunden, in Italien verehrten sie auch die jungen kriegerischen Männer. Da lag die Herleitung ihres Namens von iunior und iuventas nahe.

Ein Blick ins Fernsehprogramm stellt den Zusammenhang her. Der Sender Arte beginnt im Juni einen Themenschwerpunkt Rom – Das ewige Imperium mit einer bewährten und zwei vielversprechenden neuen Produktionen. Ein Blick ins monatliche Programmheft (am Kiosk € 2,00) lohnt diesmal also besonders. Mehr Zuschauer wird wahrscheinlich der Pro Sieben-Zweiteiler Ben Hur haben (dazu demn. auch hier), weswegen ein Hinweis auf den Kulturkanal sicher lohnt. Ein paar Tage vorher sind unter https://www.arte.tv/rom weitere Informationen zu finden.

Am 18. Juni läuft die zweiteilige ‘Docu-Fiction‘ Das Schicksal Roms von Fabrice Hourlier in Erstausstrahlung (20.15-22.00). Der erste Teil (Cäsar rächen) handelt von die Er­mordung Caesars und endet mit der Schlacht von Philippi und dem Tod der führenden Attentäter Brutus und Cassius, der zweite (Herrschaftsträume) konzentriert sich, wie nicht anders zu erwarten, auf den Machtkampf zwischen Oktavian und Antonius/Kleopatra. Dem Standfoto nach zu urteilen könnte Andy Gillet als Oktavian eine gute Wahl sein: blaß, mit weichen Zügen, aber einem markanten Kinn. Die Dialoge der Spielszenen sind in Griechisch und Latein gehalten (natürlich untertitelt). Philologen werden darauf achten, ob das Latein zum Italienischen hin ausgesprochen wird und ob sich originale Zitate aus antiken Schriften finden (was eher ein Stilbruch wäre, denn die Kunstprosa der überlieferten Texte deckte sich wohl nicht vollständig mit der gesprochenen Sprache auch der Oberschicht).

Im Anschluß gibt es ein fünfundzwanzigminütiges ‘Making-of‘.

Am 25. Juni ist – wiederum am Stück (20.15-22.45) und als Erstausstrahlung – eine dreiteilige englische Dokumentation über die Römer in Britannien zu sehen. Bebildert werden die Invasion Britanniens unter Kaiser Claudius, Aufstände einheimischer Stämme, die erfolgreiche Romanisierung, die Errichtung des Hadrianswalls und der Rückzug der Römer Anfang des fünften Jahrhunderts.

Schon zuvor, am 22. Juni, startet eine Wiederholung der aufwendig gestalteten HBO-Miniserie Rome, von der auch hier schon einmal gelegentlich die Rede war. Arte zeigt alle 22 Folgen, ohne Werbeunterbrechungen, in Blocks zu je drei Folgen. HBO, das ist ein amerikanischer Bezahlsender, weswegen Gewalt und Sex sehr viel exzessiver gezeigt werden können, als das für eine ‘normale‘ Serie gilt. Aber sie sind nicht Selbstzweck, sondern sollen unterstreichen, daß in diesem Rom alles mit Leidenschaft geschah. Sehr viel besser als in den mit marmorner Pracht überwältigenden Hochglanz-Monumentalfilmen vergangener Tage ist die Stadt selbst, ist das Leben in ihr getroffen. Ungefähr so habe ich mir das republikanische Rom immer vorgestellt: laut, schmutzig, multikulturell, geschwängert von Gerüchen und Gerüchten, belebt von Menschen, die um ihre physische Existenz oder ihren politischen Einfluß ringen. Huren und hohe Herren fast Wand an Wand, die Subura ein Labyrith, in der Nacht lebensgefährlich. Es wird interessant sein, die gut fünf Jahre alte Serie mit Hourliers aktueller Docufiction zu vergleichen; beide decken ziemlich genau den gleichen Zeitraum ab.

Die geniale Grundidee von Rome: Die Hauptgestalten der Jahre 50 bis 30 v.Chr. spielen selbstverständlich wichtige Rollen, aber den Zusammenhang der Geschichte stiften zwei Männer, Lucius Vorenus und Titus Pullo. Sie können viel ‘freier‘ agieren als ein Caesar oder ein Marcus Antonius, die als historische Akteure ersten Ranges relativ festgelegt sind. Gleichwohl sind sie nicht erfunden, es hat sie tatsächlich gegeben. Der „Centurionenwettstreit“ gehört zu den filmreifen Szenen des Bellum Gallicum (5,44; Übers.: Ph.L. Haus/W. Hess):

„Bei dieser Legion befanden sich zwei ungemein tapfere Centurionen, die kurz vor der Beförderung zum höchsten Centurionenrang standen. Sie hießen Titus Pullo und Lucius Vorenus. Diese zwei Männer hatten ewige Zänkereien miteinander, wer vor dem andern den Vorzug habe, und führten all die Jahre mit der größten Eifersucht einen Wettkampf um die Beförderung. Als nun das Gefecht an den Verschanzungen am hitzigsten war, rief Pullo: «Vore­nus! Was zauderst du oder wo anders willst du deine Tapferkeit zeigen? Dieser Tag muß unsere Streitigkeiten entscheiden!» Nachdiesen Worten sprang er über die Verschanzungen und stürzte sich in den dichtesten Haufen der Feinde. Auch Vorenus blieb nicht länger auf dem Wall, sondern folgte ihm, um nicht im Urteil aller an Ansehen zu verlieren. Als Pullo sich eine kleine Strecke entfernt hatte, warf er seinen Wurfspieß gegen die Feinde und durchbohrte einen, der aus dem Haufen auf ihn losging. Die übrigen deckten den tödlich Durchbohrten mit ihren Schilden und setzten sämtlich mit Geschossen und Wurfspießen dem Pullo zu. Der Weg ward ihm versperrt, sein Schild durchschossen und ein kleiner Wurfspieß blieb ihm im Wehrgehänge stecken. Dieser Schuß verschob seine Schwertscheide und behinderte seine Rechte bei dem Versuch, das Schwert zu ziehen. In dieser Verwirrung umringten ihn die Feinde. Doch sein Rivale Vorenus sprang herbei und kam ihm in der Not zu Hilfe. Der ganze Haufen der Feinde verließ sogleich den Pullo, in der Meinung, er sei von dem Wurfspieß getroffen worden. Vorenus kämpfte mit dem Schwert im Handgemenge, einen stieß er über den Haufen, die übrigen trieb er etwas zurück; doch wurde er zuletzt, als er zu hitzig in die Feinde drang, bergab gestoßen und fiel hin. Allein, hier kam ihm wieder Pullo im Gedränge zu Hilfe, und beide begaben sich alsdann unversehrt, nachdem sie eine gute Anzahl Feinde getötet hatten, mit Ruhm bedeckt in die Verschan­zungen zurück. So lenkte das Geschick beide in ihrer Eifersucht und in ihrem Wettstreit, daß die Rivalen einander halfen und sich ge­genseitig retteten und daß man nicht entscheiden konnte, wer es an Tapferkeit dem ändern zuvortat.“

Diese Szene im Hinterkopf wirkt die Kameradschaft zwischen den ungleichen Männern noch eindrucksvoller. Puristen werden sich an vielerlei Freiheiten stören. Doch solche Kritik geht m.E. ins Leere. Die Serie funktioniert, sie zieht in den Bann, und ohne große Mühe läßt sich „Hollywood“ (das in diesem Fall Cinecittà war) von „Rom“ abheben – wo es denn nötig erscheint, begann Rom doch schon bei Tacitus und Sueton zu „Hollywood“ zu werden. Und wer wissen möchte, wie im Frühjahr 44 der achtzehnjährige Gaius Octavius auftreten, Caesars Erbe annehmen und das Spiel um die Macht wie ein Alter spielen konnte, möge in der ersten Staffel auf den hinreißenden Max Pirkis achten, der den Großneffen Caesars als Knaben spielt: wach, intelligent, ein aufmerksamer Beobachter, früh vertraut mit den Währungen der Macht. Hinreißend. So könnte es durchaus gewesen sein.


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