Antike und Abendland

Antike und Abendland

Tagesaktualität, wie sie sich mit einem Blog verbindet, und Antike – das scheint nicht zusammenzugehen. Dennoch soll hier der Versuch gewagt

Antike in Qualitätszeitungen – eine ungebrochene Zuneigung?

| 21 Lesermeinungen

Die Mommsen-Gesellschaft (Vereinigung der deutschsprachigen Forscher aus dem Gebiet des griechisch-römischen Altertums) hat sich kürzlich auf einer Tagung in...

Die Mommsen-Gesellschaft (Vereinigung der deutschsprachigen Forscher aus dem Gebiet des griechisch-römischen Altertums) hat sich kürzlich auf einer Tagung in Frankfurt/M. dem Thema Altertumswissenschaft und Öffentlichkeit gewidmet. Eine Sektion beschäftigte sich mit der Presse. Hier der etwas gekürzte und für den Blog eingerichtete Text meines Kurzvortrags.

 

Vor gut drei Jahren, Anfang Februar 2008, erschien in der Neuen Zürcher Zeitung ein Artikel von Christian Meier, betitelt: Wir sind Kinder des Okzidents. Anmerkungen zur neuerlichen Debatte über Homer und zur kulturgeschichtlichen Eigenheit Europas. Meier bezieht sich dort auf einen anderen Zeitungsartikel, den Raoul Schrott kurz zuvor in der FAZ publiziert hatte und der die Essenz des Buches Homers Heimat vorab bekanntmachte. In seiner Replik hielt Meier einleitend fest, er habe in der Frankfurter Allgemeinen noch nie einen auch nur annähernd so langen Artikel gelesen. In jedem Fall ein Event also, wie Meier staunend einräumt. Gemessen an diesem Befund – man muß ja noch die folgenden Artikel und Leserbriefe sowie die Rezensionen des Schrott’schen Buches hinzunehmen – haben Altertumswissenschaftler keinen Grund, sich zu beklagen.

Eine solch intensive und vergleichsweise komplexe Debatte findet nun nicht jedes Jahr statt. Ich möchte daher im Folgenden einige Beobachtungen mitteilen, vornehmlich aus der Sicht eines Lesers, weniger aus der Sicht eines gelegentlichen Autors, weil der Einblick dieses Autors in Vorgänge ‘hinter den Kulissen‘ sehr begrenzt ist.

1. Bestandsaufnahme

Die Präsenz antiker Themen ist quantitativ vom Gesamtumfang der Zeitun­gen abhängig. Hier hat es nach einer starken Expansion einen scharfen Rückgang gegeben; es ist allgemein be­kannt, daß die überregionalen Qualitätszeitungen durchweg seit einigen Jah­ren massiv sparen müssen. Redaktionen wurden verkleinert, die Feuilletons haben heute ungefähr einen Seitenumfang wie in den 1980er Jah­ren. Dies in Rechnung stellend kann man nicht von einer Reduktion antiker Themen i.w.S. gegenüber ‘früher‘ sprechen, wobei ich mit ‘früher‘ weniger einen konkreten Zeitraum meine, sondern eine sozusagen ‘gefühlte‘ Epoche, die ‘gute alte Zeit‘, die durch die Präposition ‘vor‘ gekennzeichnet ist: vor der Wiedervereini­gung, vor dem Internet, vor der Globalisierung. Quantitative Aussagen müssen also immer in Beziehung gesetzt werden. Die Zeitungen der 1950er- und 1960er-Jahre jedenfalls waren noch wesentlich dünner; allerdings stand damals auf einer Seite auch viel mehr Text, während heute großformatige Bilder viel Raum einneh­men. Ob es in zwanzig Jahren noch gedruckte Tageszeitungen nach Art der heuti­gen geben wird, ist schwer einzuschätzen.

Antike Themen sind nach wie vor in den klassischen Textsorten des Feuilletons präsent: Buchrezension, Theater- und Filmkritik, Nachruf, Geburtstagsartikel, Ausstellungskritik, Tagungs- und Vortragsbericht; hinzu kommen ‘freie‘ Artikel zu aktuellen Themen, seien dies Sachinhalte oder institutionelle Fragen. Aber auch Beiträge zu Großereignissen wie der Eröffnung des neuen Akropolismuseums gehören in diese Kategorie. Auf Aktuelles beziehen sich ferner Artikel und Kommentare zu bil­dungs- und hochschulpolitischen Fragen sowie Problemen der auswärtigen Kulturpolitik, hier etwa zur Rückgabe von Antiken. Dieser Befund einer einigermaßen breiten Aufmerksamkeit gilt freilich nach meiner Wahrnehmung nur noch für die Feuilletons der FAZ und – in gerin­gerem Ausmaß – der Süddeutschen Zeitung. In der Welt finden antike Themen fast nur noch in der Samstagsbeilage Die literarische Welt statt, in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit sind allenfalls sehr selten Artikel mit Antikebezug zu finden, v.a. kaum noch Buchrezensio­nen. In der Neuen Zürcher Zeitung gibt es gelegentlich im Feuilleton und in der Samstagsbeilage Literatur und Kunst einschlägige Artikel. Eine Besonderheit stellt die mittwochs in der FAZ erscheinende Doppelseite Geisteswissenschaften dar, wo wissenschafts- und ideengeschichtliche Gegen­stände einen gewissen Vorzug genießen; Gestalten, die mit der Antike zu tun haben und auf diesen Seiten immer wieder vorkommen, sind Nietzsche, Heidegger, Foucault und Gadamer, aber auch eine interessante Randfigur wie Jacob Bernays. Gelegentlich finden sich aber auch kleine archäologische Fachartikel, etwa zu neuen Deutungen der antiken Bildkunst.

Die online-Ausgabe der Berliner Welt nutzt die Chance des neuen Mediums v.a. durch eine reiche Bebilderung. Einen Versuch stellt der Blog Antike und Abendland dar, eine der zahlrei­chen regelmäßigen Internet-Kolumnen, die seit 2008 von der FAZ angeboten werden. Hier können ohne Umfangsbeschränkung und Fristen – allerdings aus Urheberrechtsgründen auch nur weitgehend ohne direkt einghebundene Bilder – aktuelle Bü­cher und Beiträge vorgestellt werden, hier ist auch Raum, an fast Vergessene(s) zu erinnern oder Unspektakuläres zu würdi­gen, das gleichwohl aus unseren Fächern nicht wegzudenken ist, vom Stowasser über die Loeb Classical Library bis zur Gnomon-Datenbank. Anders als im Blatt spielt hier die Mit­teilung, spielt der Verweis eine viel größere Rolle, ergänzt um Ein­schätzungen durch Andere, ist es dem Blogger – anders als dem Autor eines gedruckten Arti­kels – doch gestattet, vieles interessant und im Wortsinn bemerkenswert zu finden, ohne zu allem eine fachlich fundierte eigene Ansicht haben zu können und zu müssen.

2. Bedingungen

Angesichts der Vielfalt der Themen in unseren Disziplinen und des begrenzten Platzes kön­nen die Blätter nur über ausgewählte Gegenstände berichten. Hier fällt nun auf, daß die Breite, Aktualität und Qualität der Berichterstattung, aber eben auch die Auswahl der Gegen­stände mitunter von einzelnen Redakteuren bzw. Mitarbeitern abhängen, mithin hochgradig kontingent sind (im Sinne eines ‘so‘ oder ‘nicht‘ oder ‘anders‘). Sehr deutlich ist das in der Berliner Welt zu beobach­ten, in der Berthold Seewald unermüdlich und fast im Alleingang antike Themen nach vorn bringt, wenn eine Aktualität in Anschlag gebracht werden kann: 2000 Jahre Varusschlacht, ein angeblicher Caesarkopf in der Rhone, die neue Leiterin des Deut­schen Archäologischen Instituts, neue Bücher über Augustus oder die Plünderung Roms i.J. 410. Aktualität bedeutet in diesem Fall auch oft eine Aktualisierung, etwa im Modus des Ver­gleichs; so heißt es im Zusammenhang mit dem zuletzt genannten Thema (Goten plündern Rom): „Es ist nicht zuviel gesagt, den Vergleich mit dem 11. September 2001 zu ziehen – und am Ende können wir nur jenen zustimmen, die den Gotensturm welthistorisch gar für wir­kungsmächtiger halten als den islamistischen Anschlag. (…) Wenn 9/11 von Amerika aus also ein globales Datum gesetzt wurde, dann ging ihm Rom 8/24 darin sicherlich voraus.“ Wissenschaftler haben mit solchen Aussagen oder auch mit kontrafakti­schen Szenarien ihre liebe Not, müssen aber akzeptieren, daß die Rezeption ihrer Themen und Ergebnisse anderen Logiken folgt als die Forschung. Sie werden andererseits auch klug daran tun, nicht eine zynische Schizophrenie zu vertreten, die im Interesse einer Legitimie­rung ihrer Fächer der Öffentlichkeit etwas anzubieten bereit ist, was im wissenschaftlichen Forschungs­betrieb andauernd bekämpft wird. Ich nenne hier neben Vergleichen zwischen Antike und Moderne in erster Linie Kontinuitäts- und Kohärenzfiktio­nen sowie Wertzu­schreibungen an die Antike im Geiste des Neuhumanismus. Eine Schizo­phrenie, die zur Folge hat, daß Tradi­tionspflege nur noch mit Augurenlächeln betrieben wird, während das eigene Tun in eine ganz andere Richtung zielt, die ein prominenter Althistoriker einmal so auf den Punkt ge­bracht hat: „Der Sinn der gegenwärtigen Beschäftigung mit der Antike liegt nicht in einer Bewahrung, sondern in der immer wieder neuen Herstellung antiker Geschichte. Diese Her­stellung von antiker Geschichte erfüllt (…) die Funktion (…) einer Neu­tralisierung der Wir­kungen, die die antike Vergangenheit auf die Gegenwart ausübt.“ Daß eine solche Polari­sie­rung in der Praxis von Kultur und Bildungssystem nicht funktioniert, zeigt jede brauchbare Inszenierung eines antiken Theaterstücks: Sie muß das Potential des Stückes selbstverständ­lich jedes Mal neu für sich aufschließen; das wäre aber gar nicht mög­lich, wenn das antike Theater nicht seit langem zum Kanon der höheren Kultur gehörte und man bei den Besuchern nicht eine gewisse Basisorientierung voraussetzen könnte. Und auch der eben zitierte Kollege hat in seinem Oberseminar wahrscheinlich Studierende sitzen, die nicht deshalb auf dem Gymnasium Latein und gar Griechisch gelernt haben, weil ihre Leh­rer/innen im Sinn hatten, die Wirkungen der Antike auf die Gegenwart zu neutralisieren.

Um zu der zuvor skizzierten Beobachtung zurückzukommen: Es sind, wie gesagt, oft Zufälle und persönliche intellektuelle Neigungen einzelner Journalisten, von denen antike Themen allgemein oder bestimmte Gegenstände im Blatt gehalten bzw. akzentuiert werden. So ist es für uns Altertumswissenschaftler sicher ein Glück, daß mit Johan Schloemann ein promo­vierter Gräzist im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung sitzt, daß Andreas Kilb bei der FAZ der Spätantike und dem frühen Byzanz großes Interesse entgegenbringt und daß Heike Schmoll von ihrer Bildungsbiographie her den Alten Sprachen besonders zugetan ist und diese in ihren Artikeln zur Bildungspolitik im gleichen Blatt immer wieder ins Bewußtsein ruft. Das alles ist, wie gesagt, ganz und gar kontingent, kann sich auch von heute auf morgen ändern.

Aus solchen individuellen Akzentuierungen können dann auch Schwerpunkte und ‘story-lines‘ entstehen. So hat etwa der seinerzeit in der FAZ für Klassische Archäologie zuständige Michael Siebler immer wieder in Artikeln und einem eigenen Buch über den Fortgang der Troia-Grabung berichtet, mit spürbarer Sympathie gegenüber Manfred Korfmann und dessen Bild einer bedeutenden bronzezeitlichen Siedlung auf dem Hissarlik. Aus der Feder von Die­ter Bartetzko waren im gleichen Blatt zuletzt mehrfach Artikel über die schlimmen Schäden an der Substanz Pompejis zu lesen. Hier sind klassische Merkmale eines journalistischen Zu­gangs erkennbar. Die Artikel über Pompeji wollen skandalisieren, wie fahrlässig mit einem Weltkulturerbe aus der Antike umgegangen wird, und auf diese Weise Öffentlichkeit erzeu­gen, ohne die kein politischer Druck entstehen kann, die gravierenden Versäumnisse abzu­stellen. (So kommt auch der in der Diskussion zum Vortrag geäußerte Eindruck zustande, der einschlägige Artikel erscheinen jedes Jahr in nur leicht variierter Gestalt) In der causa Korfmann kamen viele Faktoren zusammen; einer davon war sicher auch, daß hier mit Homer und Troia zwei antike Phänomene in Rede standen, die Gebildete und Gelehrte in Deutschland seit über zweihundert Jahren immer wieder elektrisiert haben, die nun aber mit modernster Technik und disziplinübergreifend ‘ganz neu‘ angegangen wurden, noch dazu von einem Wissenschaftler, der sich wenn nicht als Außenseiter, so doch als charismati­scher Solitär zu stilisieren verstand.

Dieses Beispiel zeigt auch, wie sich die Sache aus der Perspektive eines Wissen­schaftlers darstellt und wie eine mehr als nur einmalige Prominenz zu erzielen ist. Ich sehe dabei ab von spektakulären Funden, die sozusagen von außen Fragen aufwerfen; dabei kann es um die Be­stimmung gehen (wie bei dem genannten angeblichen Caesarkopf im Fluß), oder es kann die Echtheit strittig sein – das gilt etwa für den Artemidor-Papyrus, der sogleich in den Feuille­tons Aufmerksamkeit gefunden hat, obwohl die kontroverse fachliche Diskussion hier auf eine besonders kleine Gruppe von Papyrologen und Paläographen beschränkt bleiben muß. Schlicht als unkontroverse Sensation hat es der Pferdekopf einer vergoldeten Reiterstatue des Augustus, der 2009 in Waldgirmes gefunden wurde, sogar auf die Erste Seite der FAZ ge­schafft.

Was nun die ganz ‘normalen‘, längerfristigen Forschungsprojekte angeht: Gute Chancen hat, vereinfacht gesagt, wer eine These präsentieren kann, die mit scheinbar kanonischen Vorstel­lungen oder wissenschaftlichen Konsensen bricht, und dann das neue Bild auch sinnfällig machen kann. Gegenstände aus der Klassischen Archäologie haben daher einen klaren Vorteil gegenüber texthermeutisch gewonnenen Ergebnissen. So sind aus der Feder von Mi­chael Siebler in der FAZ immer wieder Artikel zur Ausstellung Bunte Götter erschienen, die dem Leiter des einschlägigen Forschungsprojektes, Vinzenz Brinkmann, relativ ungefiltert Gelegenheit gaben, seine Sicht der Polychromie antiker Plastik in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen. Zuletzt ist freilich Sieblers ‘Nachfolger‘ von der Fixierung auf das Aussehen der ‘fabrikneuen‘ Figuren abgerückt und hat den Blick wieder stärker auf die rezeptionsästhe­tische Dimension geworfen.

Unabhängig von der Frage, wie der Kontakt zwischen Forschern und Journalisten im Einzel­fall zustandekommt – beide können sich in einer win-win-Situation sehen: Der Forscher erhält privilegierten Zugang zur Öffentlichkeit, der Journalist wird mit exklusiven Informationen und Bildern versorgt. Das ist keineswegs zu beanstanden, solange nicht der Blick auf konkur­rierende Interpretationen verstellt und der Leser dauerhaft einseitig informiert wird.

Neben Redakteuren und journalistischen Mitarbeitern mit einschlägigen Interessen erhalten auch immer wieder Altertumswissenschaftler direkt Gelegenheit, sich zu äußern. Nahe­liegenderweise setzen die Redaktionen dabei eher auf einen kleinen Kreis von Federn, die relativ regelmäßig angefragt werden. So hat der Marburger Althistoriker Karl Christ in vierzehn Jahren etwa 100 Rezen­sionen und Artikel in der FAZ geschrieben, und in den Geisteswissenschaften desselben Blattes erhält der Bonner Klassische Archäologe Nikolaus Himmelmann seit 1992 Gelegenheit, seine Interpretationen antiker Porträts und Plastiken vorzutragen. Man setzt auf Verläßlichkeit für die Redaktion und Wie­dererkennbarkeit für die Leser. Doch die Anbahnung solcher langjähriger Zusammenarbeit ist ebenfalls meistens kontingent.

3. Aussichten

Gibt es neue Trends? Vielleicht. Susann Wagenknecht hat kürzlich analysiert, wie sich 2001/02 der Streit zwischen Man­fred Korfmann und Joachim Latacz auf der einen, Frank Kolb und Teilen der Althistorie auf der anderen Seite im Feuilleton der FAZ entwickelte. Von bewußtem Agenda-Setting konnte noch keine Rede sein; „die Debatte kommt in der FAZ anfangs nur zögernd in Gang.“ Erst später, dann aber reichlich gab man, in verschiedenen Formaten, Vertretern beider Positionen und einigen abseitsstehenden Experten Raum. „Die Troia-Debatte gibt dem Feuilleton die Möglichkeit, sich selbst zum Ereignis zu stilisieren. Sie wird dem Leser als Kontroverse prä­sentiert, die – sozusagen live – in der Zeitung stattfindet. Die strittigen Positionen werden in feuilletonistischer Manier zugespitzt. Das vermittelnd-berichtende Moment der Wissen­schaftspopularisierung tritt dabei in den Hintergrund.“

Ende 2007 gelang es dem FAZ-Feuilleton mit Raoul Schrotts langem Artikel dann, von Anfang an ein Thema zu setzen und das Ensemble von wissenschaftlicher These (Homer in Kilikien) und poetischer Orchestrierung (Schrotts Ilias-Übersetzung) durch eine politisch lesbare historische These aufzuladen: Eine Woche nach Schrotts Artikel erschien auf Seite eins ein Kommentar von Dieter Bartetzko unter dem Titel „Wir sind Kinder des Orients“.

Nach meiner Einschätzung bedarf es – neben einer halbwegs kontinuierlichen Berichterstat­tung – solcher aktiver, thesenhafter Themensetzungen, um zeigen zu können, welche Funken sich aus der Antike schlagen lassen. Ob es dazu kommen wird, muß ich offenlassen. 2500 Jahre Marathon blieben – Berthold Seewald rühmend ausgenommen – unberühmt. Ob sich Augustus 2014 noch einmal kontrovers ins Gedächtnis rufen läßt? Oder harren wir aus bis 2020 und sehen, was mit Salamis anzufangen ist? M.E. dürfen wir Altertumswissenschaft nicht auf Anfragen warten. Wer der Ansicht ist, daß unsere Forschung nicht selbstreferentiell ist, sondern sich aus einem gesamtgesellschaftlichen Orientierungsbedürfnis und einem humanistischen Kredit speist, darf nicht darauf verzichten, auch ‘Sinn‘ anzubieten. Dies im Medium Zeitung zu tun, zwingt zur Konzentration auf das Wesentliche und zur Pointierung. Das aber sollte zu leisten sein.


21 Lesermeinungen

  1. franket sagt:

    @HansMeier555
    .
    Jetzt also...

    @HansMeier555
    .
    Jetzt also verengen Sie Ihre Argumentation also auf die nationale Identität. Jegliche Identität lehnen Sie also nicht ab, aber die nationale Identität ist Ihnen aus irgend einem Grunde ein Dorn im Auge. Das hätten wir jetzt klar herausgearbeitet.
    .
    Des weiteren nennen Sie die Aufklärung nicht „immer nur was Gutes“, und behaupten, dass das irrationale Massenerlebnis im Fußballstadion hin und wieder sein müsse, wegen des unbeschreiblichen Gefühls. Ein solcher Relativismus ist empörend, Aufklärung ist stets das Gute und darf keiner Relativierung unterliegen.
    .
    Völlig empörend wird es, wenn Sie durchblicken lassen, dass nationale Identität sich für Sie gerade in der grölenden Masse des Fußballstadions manifestiert. Eine nationale Identität, die einen geistigen Anspruch formuliert, die Humanismus, Sprache, Literatur, Werte umfasst, ist für Sie offenbar nicht denkbar. Es ist so armselig.
    .
    Sie schrieben zudem:
    > Geben Sie lieber offen zu, dass Ihnen der „nationale Zusammenhalt“
    > im Zweifelsfall eben wichtiger ist als die Aufklärung
    > oder ein Zuviel an Wahrheit.
    .
    Sie sind dermaßen verstrickt in Ihrem antinationalen Denken, dass Sie mir Dinge unterstellen, die ich weder sagte noch andeutete. In der Geschlossenheit Ihres engen und widerspruchsreichen Weltbildes ist eine Auffassung wie die meine nur durch die Unterstellung von Nationalismus erklärbar. Wie gesagt: Es ist so armselig.

  2. HansMeier555 sagt:

    "Eine nationale Identität,...
    „Eine nationale Identität, die einen geistigen Anspruch formuliert, die Humanismus, Sprache, Literatur, Werte umfasst, ist für Sie offenbar nicht denkbar.“
    .
    Das haben Sie schön auf den Punkt gebracht. „Humanismus, Sprache, Literatur, Werte“ haben keine nationale Identität zur Voraussetzung. Und unter welche deiser Kategorien rubrizieren wir jetzt die, ähem, Varusschlacht?

  3. HansMeier555 sagt:

    Nationale Identität...
    Nationale Identität „formuliert geistige Ansprüche“?
    Ich weiß wirklich nicht, was Sie damit meinen.

  4. HansMeier555 sagt:

    Dasselbe gilt übrigens für...
    Dasselbe gilt übrigens für die persönliche Identität. Nein, ich will dem Menschen ja nicht das Recht auf Identität abstreiten, nicht einmal auf Selbstgerechtigkeit und Egozentrik, ohne welche er wohl nicht überleben könnte.
    Jeder hat das Recht, seinen eigenen Standpunkt zu vertreten und nicht den einer abstrakten „Menschheit“.
    .
    Dennoch bestehe ich darauf, dass die Behauptung der je eigenen Ansprüche und der eigenen „Identität“ gegen eine konkurrierende oder mitunter feindliche Umwelt zwar legitim sein mag, aber eben nicht dasselbe ist wie Aufklärung oder Wahrheitsstreben.
    .
    In Wahrheit sind wir alle Anwälte in eigener Sache, eitel, selbstgerecht und egoistisch — in Wahrheit sind wir an der Wahrheit nicht interessiert, zumindest nicht immer an der ganzen Wahrheit.
    .
    Und darum müssen wir die Aufklärung halt manchmal auch bekämpfen. Das ist recht und billig, denn die anderen machen das alle genauso.

  5. franket sagt:

    @HansMeier555:
    .
    Sie schrieben...

    @HansMeier555:
    .
    Sie schrieben u.a.:
    > Nationale Identität „formuliert geistige Ansprüche“?
    > Ich weiß wirklich nicht, was Sie damit meinen
    und
    > Und darum müssen wir die Aufklärung halt manchmal auch bekämpfen.
    > Das ist recht und billig, denn die anderen machen das alle genauso.
    .
    Und ich … schreibe jetzt nichts mehr.

  6. HansMeier555 sagt:

    Und wie die "nationale...
    Und wie die „nationale Identität“ „Humanismus, Sprache, Literatur“ „umfassen“ kann, will ich mir auch nicht vorstellen.
    .
    Das ist wohl die Sprache von Leuten, die „deutsch fühlen, aber nicht können“ (Karl Kraus).

  7. HansMeier555 sagt:

    Identität: So ein Klebeband,...
    Identität: So ein Klebeband, was man um den Humanismus, Literatur, und Wagnergipsbüsten herumwickelt: Unsers!

  8. Herodotchen sagt:

    Alte Geschichte muß sich auch...
    Alte Geschichte muß sich auch verkaufen können. Ein Gedanke, der im angelsächsichen Raum keinerlei Diskussion auslösen würde, in Deutschland aber in Kreisen der Wissenschaft als unseriös eingestuft wird. Die Folgen können wir täglich im Fernsehen beobachten: Zahlreiche Fernsehreihen beschäftigen sich mit der Antike, nahezu immer mit nichtdeutschen Autoren und Kommentatoren. Haben wir je einen entrüsteten Aufschrei der Althistoriker gehört, wenn die Politiker einmal mehr vom „christlich-jüdischen Abendland“ sprachen, ohne auch nur ein Wort über die griechisch-römische Kultur zu verlieren? Haben wir anläßlich des Konstantinjahres 2007 ein ernsthafte Diskussion über die vermeintliche Christlichkeit Konstantins geführt? Gibt es eine weltanschauungsfreie Diskussion, jenseits der Kirchenhistoriker, über das Christentum des vierten Jahrhunderts, aus einer Zeit also, als das Christentum Staatskirche wurde? Nein und nochmals nein, man klopft sich gegenseitig auf die Schultern, anerkennt die Arbeit des Herrn Kollegen, kapselt sich in Fachkreisen ab, tötet die Stimulanz jeden wissenscjaftlichen Arbeitens: die Kritik und wundert sich, dass die Medien von angelsächsischen Kommentaren beherrscht werden. Was die Antike in Deutschland braucht, ist der Widerspruch, gekonnt, belegstark und leserfreundlich.

  9. franket sagt:

    @Herodotchen: Da ist viel...
    @Herodotchen: Da ist viel wahres dran. Es herrscht ein wenig Einfallslosigkeit.
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    Man darf aber oft auch gar nicht kritisieren bzw. genauer: Man hat einen Preis dafür zu bezahlen.
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    Nehmen wir Kritik am Christentum. Da sind Sie aber ganz schnell in der roten oder braunen Ecke. Schließlich leben wir in einem Land, das seine Identät als „jüdisch-christlich-islamisch“ definiert. Antike und Humanismus, Aufklärung und andere „Petitessen“ ließ Herr Wulff in seiner Rede ja bekanntlich einfach weg. Die Religiösen wollen: RESPEKT! Die wollen Ihre Demutsgeste sehen. Und wenn Sie die nicht zeigen, dann müssen Sie eben einen Preis bezahlen.
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    Nehmen wir Troja. Frank Kolb schreibt in seinem Buch, ein Museumsdirektor, der eine Podiumsdiskussion mit ihm organsiert hatte, sei von mehreren Bundestagsabgeordneten angerufen worden, die ihn mit dem Verlust seines Postens bedrohten, wenn er die Podiumsdiskussion nicht absage, denn man wolle es sich nicht mit der Türkei verscherzen.
    .
    Nehmen wir die Varusschlacht. Kritik an Kalkriese wird auch hier ganz gerne in die rechte Ecke abgeschoben, es ist ja so bequem. Ich hörte z.B. aus verlässlicher Quelle, dass der CDU-Bürgermeister eines alternativen Standortes für die Varusschlacht per Anruf „von oben“ dazu verdonnert wurde, nicht mehr für „seinen“ Standort zu trommeln, „wegen der Geschichte“. Und wie gesagt: Eine sich verkaufende und für moderne Laien interessant machende, natürlich (was denn sonst?) differenzierte Identifizierung von uns Deutschen mit den Germanen von damals darf es ja auch nicht geben. Don’t call the Germans Germans. Und die Welt lacht über uns …
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    Das geht bis hin zur Frage nach Atlantis: Da auch die Nazis sich für Atlantis interessierten (natürlich pseudowissenschaftlich) gibt es Leute, die die Frage nach Atlantis als einem realen Ort ohne Hinzuziehung anderer Argumente … nur „wegen der Geschichte“ … usw. … ich muss das gar nicht mehr ausführen.
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    Hingegen hatte man bei der Vandalen-Ausstellung in Karlsruhe kürzlich keine Hemmungen darauf hinzuweisen, dass die Vandalen aus dem heutigen Schlesien kamen (die „Silingen“) und deshalb mit so manchem Deutschen verwandt seien. Das war dann wohl weit genug vom Deutschtum entfernt, um es sagen zu dürfen. Die Besucher in der Führung hörten es jedenfalls mit unschuldigem Interesse und mancher sagte: „Ach …“, weil er nämlich betroffen war, und wer betroffen ist ist getroffen, ergo: Es verkauft sich gut, usw. usf.
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    Was wiederum völliger Käse an der Vandalenausstellung war, war die Frage, ob die Zuwanderung der Vandalen die Zuwanderungsländer nicht auch bereichert hätte (wenn ich Zuwanderer wäre, ich würde mich sowas von aufregen über diesen unverschämten Vergleich! Ein perverser Vergleich geboren aus ideologisch verblendetem Gutmenschentum).
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    Mir fällt noch ein ganz tolles Beispiel ein, wo die Kombination von Text und Archäologie ziemlich gut gelungen ist: Die vierteilige Dokumentation zum Buch von Finkelstein und Silberman „Keine Posaunen vor Jericho“ über die Bibel: Hier wird vorbildlich mithilfe von Archäologie (und anderem) rekonstruiert, wie man diese Bibeltexte einordnen muss.
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    Komplett auf youtube ansehbar, siehe Link.

  10. Herodotchen sagt:

    Ein Buch, das die Monotonie...
    Ein Buch, das die Monotonie und die Vorherrschaft des Konservativen bricht, wurde mir vor 14 Tagen empfohlen: „Kaiser Konstantin und die wilden Jahre des Christentums. Die Legende vom ersten christlichen Kaiser“, November 2010. Hochgelobt bei Amazon, räumt dieses Buch kritisch-gnadenlos mit den christlich eingefärbten Vorurteilen der Konstantinforschung auf. Wenn man erfahren will, wie interessant Alte Geschichte sein kann, dann sollte man das Buch lesen. Selbst ein Nicht-Fachmann kann an der stringenten Logik seine helle Freude haben.

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