In Indien ist es einfacher als in China, Geld zu verdienen. Die Inder sind uns näher, auch kulturell. Anders als die Chinesen, halten die Inder, was sie versprechen. Dies sind nur drei der Vorurteile, die Manager spätestens nach dem ersten Bier zum Besten geben. Sie könnten es besser wissen. Denn auch auf dem Subkontinent liegt die Hürde für manchen zu hoch. Auch hier wird über den Tisch gezogen, wer seinem Geschäftspartner nicht gewachsen ist, wer sich von vermeintlichen Mentalitäten einlullen lässt, wer sich nicht auf den fremden Markt mit seinen eigenen Gesetzen vorbereitet hat.
So brauchte der deutsche Handelskonzern Metro Jahre, um in Indien Fuß zu fassen. Genehmigungen für neue Läden wurden nicht erteilt, der Kauf von Grundstücken erwies sich als zu teuer. Der Widerstand der Einzelhändler und der Politik gegen den deutschen Riesen war zu groß. Fehler aber hatte auch das Metromanagement selber gemacht. Das kostete Zeit und Millionen. „Wir haben in der Vergangenheit manches falsch gemacht in Indien. Nun aber haben wir unsere Lektion gelernt und geben richtig Gas”, machte sich Metro-Vorstandschef Eckhard Cordes im Februar wohl auch selber Mut. 50 Läden wollen die Deutschen nun in fünf Jahren eröffnen. Es dürfte schwer sein, auch dieses neuerliche Ziel zu erreichen – in diesem Jahr kommen mit Jalandhar und Borivili gerade zwei Märkte hinzu.
Schlimmer erwischte es den deutschen Windkraftanlagenbauer Enercon. Der erkannte als einer der ersten das große Potenzial des indischen Marktes, suchte einen Partner und wählte den Geschäftsmann Yogesh Mehra. Eine Katastrophe. Denn der vermeintliche Partner mit den guten Kontakten auf dem Subkontinent war augenscheinlich nur an der Technologie der Deutschen interessiert. „Wir betrachten unser Engagement in Indien mittlerweile als Fehler, die Investitionen sind abgeschrieben, wir wurden auf mehreren Ebenen betrogen, beraubt, unsere Mitarbeiter bedroht”, hieß es bei der deutschen Enercon GmbH in Aurich, die die Mehrheit am deutschen-indischen Gemeinschaftsunternehmen EIL hält. „Es ist offensichtlich, dass die indische Seite die Absicht verfolgt, Enercons faktische Enteignung in Indien zu zementieren”, sagte Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig. Enercon-Justitiar Stefan Knottnerus-Meyer sekundierte und sprach von einem „alarmierenden Präzedenzfall für Hochtechnologieanbieter”. Die Inder vertrieben nicht nur identische Windenergieanlagen, sondern täten dies auch unter „Enercons gekaperter Marke.” Schließlich enttarnten die Deutschen auch noch einen Industriespion in Diensten von EIL in ihrem Werk in Magdeburg. Er wurde rechtskräftig verurteilt. Zwischen Aurich und Bombay herrschte Krieg.
Auch Henkel überwarf sich mit seinem Partner, der indischen Muthaiah-Gruppe. Zwar hielten die Deutschen mit 50,97 Prozent die Mehrheit in einem Joint-venture, das vor 24 Jahren gegründet worden war. Der Kosmetik- und Waschmittelriese aber zeigte zu wenig Interesse am Fortgang der Geschäfte, klagten die Inder. Zudem war das Gemeinschaftsunternehmen FMCG nur im Süden des Subkontinents tätig. Der Umsatz sank. Henkel sah sich gezwungen, in Asiens drittgrößter Volkswirtschaft die Reißleine zu ziehen und ihren Anteil zu verkaufen. Inzwischen beginnen die Deutschen, mit einem neuen Manager den Rest ihres Geschäftes auszubauen.
Nun hat auch die Lufthansa die indische Krankheit gefangen – ausgerechnet Lufthansa. Denn bislang galt Indien nach China als Lieblingsmarkt der deutschen Linie, trotz aller Herausforderungen. Mit Geschick ergatterten die Deutschen Landerechte, und verdienten vor allem an der langen Strecke der Computer-Inder über Frankfurt nach Amerika. Das alles entscheidende Luftfahrtministerium in Delhi zeigte Interesse an der deutschen Linie auch deshalb, weil diese ihr Mentor bei der Aufnahme der maroden Air India in die Star Alliance waren. Deren Eintritt in den Edel-Bund aber war ein tot geborenes Kind. Hinter den Kulissen wusste jeder, dass Air India die Allianz um Lufthansa und die Luxuslinie Singapore Airlines nur hätte beschädigen können. Wie erwartet, scheiterten die Inder denn auch an den Eintrittshürden. Nun aber treten sie zurück. In der indischen Presse wird über den Entzug von Landerechten für die Deutschen spekuliert. Zugleich bekommen die Golf-Airlines, die Lieblingsfeinde der Deutschen, mehr und mehr Landerechte auf dem Subkontinent. Und auf die erhoffte Landegenehmigung für den Airbus A 380 in Neu Delhi warten die Lufthanseaten schon lange. Per Brief drückte Lufthansa-Chef Christoph Franz nun vordergründig sein Mitgefühl für das Scheitern der Inder bei der Aufnahme in die Star Alliance aus. Den Brief aber leiteten die verärgerten Inder sofort an die Presse weiter. So kam heraus, dass Franz darin auch gegen die gefühlte Bevorzugung der Golf-Linien in Indien zu Felde zog. Eine Attacke, die nach hinten losging und für Hilflosigkeit spricht. Ihre Verbindung nach Hyderabad hat Lufthansa nun streichen müssen – gegen die übermächtigen Landerechte von Emirates, Quatar Airways und Ethiad kamen sie schlicht nicht mehr an.
So unterschiedlich die Fälle sind, illustrieren sie doch, dass es alles andere als einfach ist, in Indien Geschäfte zu machen. Auch auf dem so malerisch wirkenden Subkontinent ist es nicht anders als im Rest der Welt: Es gibt Betrüger. Jeder will Geld verdienen. Und Erfolg stellt sich nur für den ein, der viel Arbeit in den Markteintritt steckt, die richtige Strategie verfolgt, und vor allem: die Inder nicht unterschätzt.
Christoph Hein
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Erster Lehrsatz im VWL/BWL-Studium in den USA lautet: Wirtschaft ist Krieg.
Die nahezu 2000 Jahre alten Lehren des chinesischen Kriegsphilosophen Shun Zu gelten als Imperativ für eine erfolgreiche Karriere.
Traditionelle deutsche Grundsätze von Treu und Glauben werden in Indien und China als deutsche Schwäche interpretiert und gnadenlos genutzt zu Vertragsbruch, Bereicherung und Korruption. Deutschland gilt in weiten Teilen Asiens als dümmliches Sozialamt, das es auszunutzen gilt. Die seit 60 Jahren von Deutschland nach aussen demonstrierte Demutshaltung hat dazu geführt, dass uns der aufrechte Gang nicht mehr zugetraut wird. Schuld des Opfers.