Akte Asien

UBS-Cheflenker Ossie Grübel fliegt bei Formel-1 in Singapur aus der Kurve

Der Champagner im edlen Ritz-Carlton-Hotel dürfte den Schweizer Bankern in diesem Jahr im Halse stecken bleiben: Eigentlich war die Führungsmannschaft der UBS an den Finanzplatz Singapur geflogen, um dort rund um das Rennen der Formel-1 an diesem Sonntag die Reichen und die Superreichen zu umgarnen. Denn die „Schweiz Asiens” hat eine Millionärsdichte wie kein anderer Standort, und Chinesen, Inder und Indonesier tragen ihr Geld hierher. Kein Wunder, dass UBS einer der Großsponsoren des Rennens in Singapur ist.

Das aber war gestern. Heute muss Oswald Grübel, der motorsportbegeisterte Vormann der Schweizer Bank, in Singapur zum Rapport antreten. Denn ausgerechnet der Staatsfonds Government of Singapore Investment Corp. (GIC) ist mit einer Beteiligung von 6,6 Prozent der größte Aktionär von UBS. Als solcher war er „not amused” über den Verlust der UBS von 2,3 Milliarden Dollar im Handel in London. Das liest sich dann so: „GIC drückte ihre Enttäuschung und ihre Sorge über die Nachlässigkeiten aus und drängte UBS, hart an der Wiederherstellung des Vertrauens in die Bank zu arbeiten”, erklärte die sonst als äußerst distinguiert bekannte GIC nach der Einbestellung Grübels am gestrigen Dienstag. „Da muss der Ärger schon sehr tief sitzen”, sagte ein Banker in Singapur am Abend mit Blick auf den Wortlaut der Mitteilung. 

Kein Wunder: Die Singapurer haben sich schon einmal die Finger verbrannt. Mit den Engagements des zweiten Staatsfonds, Temasek Holdings, bei den Banken Barclays und Bank of America, realisierten sie rund 5 Milliarden Dollar Verlust. Am morgigen Mittwoch und Donnerstag werden die Spitzenbanker der UBS die Sitzung ihres Verwaltungsrates in Singapur abhalten – angesetzt schon lange vor dem Skandal um den Händler Kweku Adoboli in London. Von Feierlaune keine Spur – gut möglich, dass nach der Sitzung der eine oder andere Spitzenbanker keinen Anspruch mehr auf einen Sitz in der Loge der Bank am Rande des Rennkurses hat, weil er entlassen wurde. 

Grübel hatte ja schon mit der Vehemenz eines Boliden sofort nach dem Totalschaden in London gesagt, er fühle sich verantwortlich, aber nicht schuldig. Am Dienstag blieb offen, ob man das in Singapur auch so sieht. Denn die Abberufung wäre Sache des gesamten Verwaltungsrates. Doch nicht nur Grübel kämpft bei UBS um seinen Kopf. Carsten Kengeter, der Chef des Investment-Banking, suchte in einer Email an die Kollegen um Nachsicht: „Wir alle schieben ein Stück Ärger und Frust”, schrieb der Spitzenmanager. „Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um die Rahmenwerke, die Ausführung und unser Vorgehen zu überprüfen und zu stärken. Sie hätten besser funktionieren müssen.” Zumindest an dieser Stelle deckt sich die Sicht des UBS-Managements mit derjenigen des größten Besitzers der Bank: „GIC verlangte Einzelheiten zu hören, wie UBS die Kontrollen verschärfen will und erwartet den Ausgang des Prüfverfahrens”, hieß es in der Erklärung der Singapurer. Schon dieser Satz deutet darauf hin, dass man in Singapur gewohnt nüchtern urteilt. Würden in dem Verfahren aber Verantwortlichen Fehler nachgewiesen, besteht an den Forderungen der Singapurer wohl auch kein Zweifel.

Sie müssen Härte zeigen, denn auch sie haben dramatische Fehler gemacht. Der Einstieg bei UBS war ausgesprochen unglücklich: „Im Blick zurück hätte der Zeitpunkt besser gewählt werden können”, räumte GIC nun noch einmal ein. Zuvor hatte eine örtliche Zeitung einen kritischen Leserbrief zur Katastrophe um die UBS gedruckt. Auch in Internetforen wuchs die Kritik am Anlagemanagement des Aushängeschildes des gestrengen Stadtstaates. Die Kritiker rechnen GIC einen Buchverlust von 6 bis 7 Milliarden Schweizer Franken vor, gemessen am Börsenkurs von UBS nach dem Betrug. „GIC sollte die negativen Folgen zusammengeschmolzener Investitionen auf ihren Ruf und letztlich auch auf denjenigen der Regierung nicht unterschätzen, zumal diese mehr Offenheit den Bürgern gegenüber versprochen hat”, warnt ein Leser der Singapurer Zeitung Today. Die Staatsholding, die Werte von wohl mehr als 300 Milliarden Dollar verwaltet, hatte sich 2008 vor dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers bei UBS eingekauft. 

„Zur selben Zeit hat GIC auch gute Investitionen getätigt”, sah sich der Staatsfonds in der Defensive nun gezwungen zu erklären. Zudem plane GIC, ihre Position in UBS „für viele Jahre” zu halten, hatte der damalige Stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates des Fonds gesagt, Tony Tan. Für ihn hätte die Krise um das Investment keine Woche früher kommen dürfen: Mit knapper Mehrheit wurde Tan gerade zum Präsidenten Singapurs gewählt. 

Grübel selber fiel in Singapur im vergangenen Jahr durch zur Schau gestellte Selbstsicherheit negativ auf. Er eilte zwischen der Corporate-Lounge, der Strecke, Champagner-Empfängen und Sponsoren-Seminaren hin- und her. „Alle anderen Banken unterstützen einzelne Teams. Wir die Gesamtveranstaltung. Für eine Marke wie die unsere ist es überaus wichtig, vor allem in den Wachstumsmärkten der Erde wahrgenommen zu werden”, verkündete er. Noch vor wenigen Wochen erklärte er bei einer Großveranstaltung seiner Bank in Shanghai, sie werde mehr Leute in Asien einstellen, als irgendeiner ihrer Wettbewerber. Dies genau reizte die Singapurer – das Wachstum einer Bank, die die reichen Privatkunden der Region gewinnt. Ob Grübel das allerdings noch als Chef der Bank erlebt, oder an diesem Wochenende seine letzten Runden für die UBS im Stadtstaat dreht, ist derzeit völlig offen.

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