Akte Asien

Frank Asbeck hat Recht: Der deutsche Solarwahn macht die Chinesen reich

Trübe Stimmung auf der Sonnenmesse. Das Internationale Photovoltaik-Forum in Taiwan, das noch bis Freitag dauert, spiegelt die Misere der Branche. Obgleich der Atomunfall von Fukushima den Erneuerbaren eigentlich in die Hände spielen müsste, leidet die Branche unter Überkapazitäten, Preisverfall, Margenschwund und Konsolidierungsdruck. All das sind die Vorboten einer gewaltigen Pleitewelle in der ehemaligen Vorzeigebranche, nicht zuletzt im Mutterland der Technik, in Deutschland. Angesichts der langen Gesichter änderte der Vorstandsvorsitzende des taiwanischen Motech-Konzerns, des siebtgrößten Anbieters der Welt, den Titel seines Einführungsvortags kurzerhand um. Aus „Facing the Whirlwind” wurde „Enduring the Hurricane”.

Doch der Sturm trifft nicht alle gleichermaßen hart. In Baoding gut eine Stunde südlich von Peking stößt man man auf die, die noch aufrecht stehen und zwar so sicher wie selten zuvor. In der Stadt hat die Photovoltaikgruppe Yingli ihren Sitz, der vermutlich größte integrierte Modulfertiger der Welt und die Nummer vier unter den Zellenproduzenten. Der Gründer und Chef, Miao Liansheng, empfängt seine Gäste gern im Power Valley Jinjiang International Hotel, einem Zwanziggeschosser am Rande eines riesigen, von Yingli dominierten Gewerbegebiets. Der prachtvolle Bau gehört Miao privat, was nicht verwundert: Die Hurun-Liste der reichsten Chinesen gibt sein Vermögen mit 820 Millionen Dollar an.

Reich gemacht hat Miao nicht etwa der Verkauf in seinem riesigen Heimatland. China rühmt sich zwar, der wichtigste Vorreiter für erneuerbare Energien zu sein. Es hält sich in der Sonnenstromerzeugung aber zurück, weil es die Technik für ineffizient und die Kosten für zu hoch hält. So geht denn der Großteil der Yingli-Produkte ins Ausland – vor allem nach Deutschland. Während ehemalige deutsche Vorzeigebetriebe wie Q-Cells oder Conergy ums Überleben kämpfen, hat Yingli sogar noch Geld übrig, um die Olympischen Spiele oder den FC Bayern München zu sponsorn.

Das liegt daran, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz aus Deutschland zwar den wichtigsten Solarmarkt der Welt gemacht hat, nicht aber den wettbewerbsfähigsten Standort für die Photovoltaikindustrie. Das Umlageverfahren in den Energiepreisen sorgt dafür, dass Betreiber von Solaranlagen für die Einspeisung deutlich mehr vergütet bekommen, als der Strom aus der Steckdose kostet. Dabei ist es dem Gesetz (und den Kunden) egal, woher die Anlagen kommen, Hauptsache, sie stellen Strom aus Sonnenenergie her.

Jahrelang haben sich die deutschen Sonnenanbeter auf die Überlegenheit ihrer Technik und die üppige Förderung verlassen und dabei übersehen, dass die Anbieter in Fernost ihre ähnlich guten Produkte bald deutlich günstiger anbieten konnten.

Deshalb reagiert der Westen jetzt panisch. In einem Interview kanzelte der PV-Pionier und Solarworld-Chef Frank Asbeck die Chinesen kürzlich rigoros ab. Deren Regierung habe einen „Industriekrieg” begonnen, indem sie die Unternehmen billig mit Geld versorge. Dadurch könnten die Asiaten ihre Produkte zu Dumpingpreisen in den Markt drücken, die bis zu 30 Prozent unter den Herstellungskosten lägen. Schon fürchtet Asbeck, dass „wir diese Industrie, in der wir ganz weit vorn liegen, komplett nach China abgeben”.

Asbeck, den der Kursverfall der Solarworld-Aktie vom Milliardär zum Millionär degradiert hat, hat völlig Recht in der Analyse, dass sich die Chinesen auf dem deutschen Markt gesundstoßen. Aber ist das wirklich verwerflich? Schließlich soll das diskriminierungsfreie EEG zur Energiewende beitragen, nicht dazu, deutsche Unternehmer und Aktionäre reich zu machen oder Arbeitsplätze zu erhalten.

Natur und Klima sind es doch, die dem Grünen-Mitbegründer Asbeck am Herzen liegen sollten, nicht die Geldbörse. Wer die Umwelt verbessert, müsste einem Energieaktivisten wie ihm eigentlich egal sein, selbst wenn es die Chinesen wären. Wie würden, andersherum, wohl die deutschen Autobauer reagieren, wenn das Ausland nur noch energiesparende Fahrzeuge aus eigener, also nichtdeutscher Produktion kaufte?

Die Vorwürfe, dass die Chinesen unlauter spielten, sind bekannt. Belegen konnte sie bisher niemand. Die börsennotierten Gesellschaften wie Yingli oder der Weltmarktführer Suntech verweisen auf die strengen Transparenzvorschriften in Amerika, welche unzulässige Subventionen sofort ans Tageslicht brächten. Auch sind bisher keine Dumpingverfahren vor der Welthandelsorganisation WTO anhängig. Dem Vorwurf der Ausbeutung von Arbeitskräften oder der Natur treten die Chinesen mit Zertifizierungen entgegen, nicht zuletzt durch den deutschen TÜV.

So steckt denn hinten den Angriffen der deutschen Solarlobby wohl eher die Furcht, im Rennen gegen die Chinesen trotz des anfänglichen Vorsprungs immer mehr zurückzufallen. 2004 hatte China nur 7 Prozent Marktanteil am weltweiten Photovoltaikumsatz, Deutschland brachte es auf 69 Prozent. Heute steht das Reich der Mitte für 45 Prozent, Deutschlands Anteil ist mit 21 Prozent nicht einmal halb so groß. Unter den sechs größten Hersteller der Welt kommen vier aus China, nur die Nummer drei, First Solar, stammt aus Amerika, die Nummer sechs ist die deutsche Q-Cells.

Der Abstieg der Deutschen hat viele Gründe. Der wichtigste sind die hohen Kosten. Die Zellenfertigung ist alles andere als Raketentechnik. Mit den richtigen Anlagen (zumeist aus Europa) lässt sie sich anderswo auf der Welt deutlich billiger realisieren als im Hochlohnland Deutschland – dafür bedarf es der Subvention durch den chinesischen Staat gar nicht. Wie andere Techniken zuvor, etwa die Unterhaltungselektronik, wandert auch die PV ganz marktgerecht aus Deutschland heraus an günstigere Standorte ab.

Das ließe sich nur mit einem Innovations- oder Qualitätsvorsprung aufhalten. Dergleichen aber ist nicht in Sicht, da die deutsche Branche in den fetten, konkurrenzlosen Subventionsjahren träge geworden ist. Den Chinesen wiederum kann man viel vorwerfen, nicht aber, dass sie faule Geschäftsleute wären.

Und so findet der Wettbewerb künftig wohl auch gar nicht zwischen dem Westen und dem Osten statt, sondern innerhalb Asiens selbst. Angesichts der geringen Markteintrittsbarrieren machen große Industriekonglomerate und Massenfertiger wie Samsung aus Südkorea, Foxconn aus Taiwan, Honda Soltec aus Japan oder Jain Solar aus Indien den reinen Solarunternehmen zunehmend und immer erfolgreicher Konkurrenz. Und die Chinesen? Dort versucht sich sogar der Produzent von Bettbezügen und Handtüchern Sunvim, der zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking das offizielle Sportler-Handtuch herstellte, am Bau von Solarzellen. Insgesamt gibt es in der Volksrepublik mehr als 200 Zell- und Modulhersteller. Die Hälfte davon will nach Deutschland vorstoßen, 137 haben schon eine TÜV-Zertifizierung.

Keine Frage: Die deutsche Solarindustrie muss sich warm anziehen.

Weiterlesen zu China:

Warum ein chinesischer Milliardär seinen Mercedes mit einem Presslufthammer zertrümmert: https://faz-community.faz.net/asien/2011/09/23/warum-ein-chinesischer-milliardaer-seinen-mercedes-mit-einem-presslufthammer-zertruemmert.aspx

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