Akte Asien

Akte Asien

In der Welt der Wirtschaft verlagert sich das Gewicht nach Asien. Dreht sie sich deshalb schneller und runder, diese Welt? Oder gerät sie in Unwucht?

Amerika macht den Ausgleich: Obama entdeckt Asien wieder. Und die Chinesen ärgern sich.

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Amerikas Machtspiele im Pazifik zeigen Erfolg. Auf einem Gipfelmarathon erklärte der amerikanische Präsident zwei Wochen lang, dass die Vereinigten Staaten wieder eine starke Rolle in Asien spielen wollen. Peking hat darauf noch keine Antwort. Und der Rest Asiens muss nun lernen, sich die Annäherungsversuche von allen Seiten zu nutze zu machen. Für Europa aber kommt der Machtkampf äußerst ungelegen.

Von Christoph Hein

„We are back”, sagte Amerikas Außenministerin Hillary Clinton bei ihrer ersten Visite in Vietnam im neuen Amt. „We are here to stay”, sagte ihr Chef, Präsident Barack Obama bei seinem Besuch der Pazifikmacht Australien Ende vergangener Woche. Beide sprachen ihre Sätze mit Blick auf Asien. Und beider Sätze klagen vor allem den Chinesen in den Ohren.

Denn – auch wenn die Beteuerungen anders klingen – China und seinen wachsenden Einfluss in Asien einzudämmen, ist das erste Ziel der Amerikaner bei ihrer Rückkehr in die Region. In der Ära Bush fokussierten sie sich vor allem auf den arabischen Raum. China schaffte es in diesen Jahren, das Vakuum, das die Vereinigten Staaten in Asien hinterließen, zu füllen. Militärhilfe, Entwicklungshilfe, diplomatische Beziehungen, Infrastrukturausbau und Direktinvestitionen hießen die Bausteine, mit denen die Chinesen erfolgreich von Pakistan bis zu den Pazifikinseln arbeiteten. Die Umzingelung des ehemaligen Kriegsgegners Indien, der drittgrößten Wirtschaftsmacht Asien, zeigt ihren Ansatz wie durch ein Brennglas.

Nun aber kommen die Amerikaner zurück, mit Pauken und Trompeten. Obama bestimmte die pazifischen Gipfel der vergangenen beiden Wochen. Auch er greift in die Trickkiste der Hilfsprogramme, stationiert hier Soldaten (Australien), verschenkt dort ausgediente Kampfflugzeuge (Indonesien). Er hält aber auch nicht hinter dem Berg, wenn es darum geht, langfristigen militärischen Einfluss auszuüben. Die Verbündeten im Vorhof Chinas heißen Singapur, Australien, die Philippinen und Vietnam. Zugleich beschwört Obama das Abstrahlen seiner Politik auf die Heimat: Als er – mit massiver Hilfe des Weißen Hauses – Boeing den größten Auftrag seiner Geschichte mit dem Verkauf von 230 Flugzeugen an die indonesische Lion Air besorgt hatte, sprach er ganz offen davon, dass dies 130000 Arbeitsplätze in Amerika sichere.

Doch geht es dem Präsidenten um mehr. Chinas Ausweitung seiner Territorialansprüche gerade im Südchinesischen Meer besorgt die anderen Länder der Region. Unter anderem streiten Vietnam und die Philippinen mit den Chinesen um die Spratley-Inseln, die auf reichen Öl- und Gasvorkommen liegen könnten. Japan seinerseits liegt mit China über die Sengkaku-Inseln im Streit. Amerika habe als pazifische Macht und als Handelsmacht ein Interesse an freier Schifffahrt, freiem Handel und der friedlichen Lösung von Konflikten, sagte der Nationale Sicherheitsberater Amerikas, Tom Donilon, am Wochenende in Richtung Peking.

Obamas Flankenschutz funktioniert. Er ist engagiert, einen rhetorischen Keil in die vermeintliche asiatische Phalanx, geführt von China, zu treiben. Das klingt so: „China ist, nachdem es über 15 Jahre sehr erfolgreich war bei der Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen mit der Region, in jüngster Zeit ein Stressfaktor für Südostasien geworden. Es hat sich im südchinesischen Meer und anderswo aggressiver gezeigt. Dadurch steigt der Wille der Region, eine engere Bindung an Amerika zu suchen”, sagt Ernest Bower, Leiter des Südostasien-Programms am Center for Strategic and International Studies.

Der „Wille der Region”, sich an Amerika zu binden, dürfte vor allem darauf gerichtet sein, eigene Vorteile zu heben. Schon die Demokratie Indien zeigte, wie man auf der Klaviatur spielt, wenn man gleich von mehreren Interessenten umschwärmt wird. So macht es nun auch Südostasien. Seine führenden Länder werden durch einzelne Freihandelsabkommen sowie den Ausbau der Transpazifischen Partnerschaft durch den Beitritt Amerikas profitieren. Doch es dauerte nur eine Woche, bis eben jene südostasiatischen Länder nun China anboten, die eigene Freihandelszone nach Norden auszudehnen. Das ist kein Kotau. Aber ein Schachzug, um Peking sein Gesicht wahren zu lassen und weiterhin von dessen Wirtschaftskraft zu profitieren.

Angesichts der jüngsten Entwicklungen im pazifischen Raum werden sich die Europäer anstrengen müssen. In Asien wird Europa derzeit nur noch als Bittsteller (Stichwort Kauf von Staatsanleihen durch China oder Singapur) wahrgenommen, der in seiner Nabelschau verfangen ist. Während Amerika die Muskeln spielen lässt, China seiner Nachbarschaft konkret hilft, Japan mit bilateralen Freihandelsabkommen voranprescht, ringen die Europäer immer noch um ein Handelsabkommen mit Singapur und Indien, und Feiern dasjenige mit Südkorea wie einen Durchbruch.

Dies ist nicht das Tempo, das die Asiaten nun gewohnt sind. Amerikas Rückkehr unter dem Dröhnen von Marine und Luftwaffe übertönt die harten Verhandlungen Europas, geführt von Beamten aus Brüssel, deren wirklicher Einfluss von den Asiaten bezweifelt wird.

Das zeigt sich auch an anderer Stelle: Von einer Währungsunion, einst das Ziel der Südostasiaten, will heute niemand mehr etwas wissen. „Asiens Wirtschaftspolitiker haben rechtzeitig den politischen Abgrund erkannt, in die eine gemeinsame ostasiatische Währung geführt hätte”, zieht Rodolfo Severino den Schlussstrich unter die Debatte. Unter ihm als einstigem Generalsekretär des südostasiatischen Staatenbundes Asean war eine Währungsunion noch ein Langzeitziel.


2 Lesermeinungen

  1. wolwul sagt:

    "China und seinen wachsenden...
    “China und seinen wachsenden Einfluss in Asien einzudämmen, ist das erste Ziel der Amerikaner.”
    Leider werden sie das nicht mehr schaffen, denn sie geben ihr Geld für sinnlose Rüstungsprojekte aus und was noch übrig bleibt haben sie mit der Rettung von Goldman Sachs und anderer Pleitekandidaten verplempert. In China denkt kein Mensch daran, Bankrotteure zu unterstützen und deshalb haben sie 2 bis 3 Billionen flüssige Mittel während die USA ungefähr die gleiche Summe an Schulden hat. Das wird wohl nichts mehr mit Einfluss in Asien. Warum auch? Mit splended isolation wäre den Amerikanern besser gedient.

  2. fbossel sagt:

    "Chinas Ausweitung seiner...
    “Chinas Ausweitung seiner Territorialansprüche”?
    Von einer Ausweitung kann zumindest im Südchinesischen Meer (Eigenname übrigens, daher großes S) wohl keine Rede sein. IIRC bestehen diese Ansprüche schon länger & werden jetzt nur etwas aggressiver vertreten.

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