Die Weihnachtsruhe ist vorüber, die Neujahrsansprachen sprechen Klartext: 2012 wird schwierig. Ist Asien, die Wachstumsregion der Welt, dagegen gewappnet? Ganz und gar nicht.
Von Christoph Hein
Wer Asien den Puls nehmen will, dem bietet sich der Handels- und Finanzplatz Singapur an. 2010 wuchs die Drehscheibe in Südostasien um 14,5 Prozent. Im nun gerade vergangenen Jahr waren es noch 4,8 Prozent. Und in diesem Jahr könnte der Stadtstaat mit seinem Welthafen und Luftdrehkreuz, seinen Banken und Fabriken noch 1 bis 2 Prozent Wachstum erzielen. „Die Schuldenprobleme Europas sind alles andere als gelöst”, sagte Ministerpräsident Lee Hsien Loong in seiner Neujahrsansprache. „Das nächste Jahr sieht so aus, als würde es schwierig für die Weltwirtschaft. Als kleines, offenes Land wird Singapur unausweichlich betroffen werden.”
Auch die Großen werden betroffen. Beim chinesischen Präsidenten Hu Jintao dauerte die Neujahrsansprache gerade einmal fünf Minuten. „Wir werden das Verhältnis zwischen raschen Wirtschaftswachstum und Stabilität, strukturellen Anpassungen und Teuerung weiterhin ordentlich managen”, versprach der Präsident seinem Volk. Es dürfte schwer werden, dieses Versprechen einzulösen.
Zumal die Führungsriege in Peking im Oktober ausgetauscht werden wird. Wahlen wird es in Taiwan, Südkorea und Hongkong geben, Indien wird in fünf seiner wichtigsten Bundesstaaten wählen. In Thailand drohen erneut Unruhen, wenn der vertriebene Ministerpräsident Thaksin Shinawatra zurückkehrt, in Burma (Myanmar) wird sich zeigen, wie ernsthaft die Demokratisierung ist, wenn Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi mehr Macht verlangt. Völlig offen ist, wie Kim Jong-un Nordkorea führen will.
Wirtschaftlich erscheint Asien noch gut gewappnet. Die Banken sind stärker, denn nach der Asienkrise 1998 haben sie sich neu aufgestellt und rekapitalisiert. Die Politik erscheint relativ gefestigt und sich der Risiken bewusst. Die Vernetzung ist vorangeschritten, zuletzt mit der Annäherung zwischen China und Japan und derjenigen zwischen Japan und Indien. Amerika kehrt in die Region zurück und bietet den Ländern eine Alternative zur Anbindung an Peking. Die politische Abstimmung ist gewachsen, ebenso das Gewicht Südostasiens als vierter Machtfaktor neben China, Japan und Indien in Asien. Der Handel untereinander hat deutlich zugenommen, eine kaufwillige Mittelschicht bildet sich in Asien heraus. Trotz sich verschlechternder Rahmenbedingungen rechnen die Ökonomen der Weltbank denn auch in diesem Jahr noch mit einem moderaten Wachstum der Entwicklungs- und Schwellenländer Ostasiens. Das Bruttoinlandsprodukt der Region werde um 7,8 Prozent zulegen, nach 8,2 Prozent 2011.
Soweit der positive Ausblick. Es gibt aber auch einen viel kritischeren Ausblick. Es fehlt nicht viel, damit er bittere Realität wird: Denn Asien würde von jeder Verschärfung der Krise im Westen weit mehr in Mitleidenschaft gezogen werden als bislang erwartet wird. „Unser vorsichtig optimistischer Ausblick für die Schwellenländer Ostasiens unterliegt Risiken, die wesentlich größer sind als noch vor wenigen Monaten erwartet”, beschreibt die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) die Eintrübung. Sie warnt unter anderem vor einem Einfrieren der Handelsfinanzierungen für die Unternehmen, da große europäische Banken sich aus dem Geschäft zurückzögen. „Würde Amerika 2012, getrieben durch eine tiefe Rezession in der Eurozone und eigene Schwächen, ebenfalls in eine Rezession gleiten, kostete dies Ostasien zwischen 0,5 und 2,5 Prozentpunkte Wachstum”, erklärt die Bank. Im Fall einer mit 2009 vergleichbaren Rezession in der Eurozone und Amerika würde die Wirtschaftsleistung der Schwellenländer Ostasiens im nächsten Jahr nur noch um 5,4 Prozent wachsen.
Denn die Asiaten bleiben abhängig von der Nachfrage der Verbraucher im Westen. Schmilzt sie weg, schalten die Fabriken im südchinesischen Shenzhen oder vor den Toren des thailändischen Bangkoks einen Gang herunter, fehlt im australischen Port Hedland die Nachfrage nach Eisenerz, liegen die Containerschiffe vor Singapur auf Reede, haben die Menschen im indischen Slum Dharavi weniger Arbeit. Länder wie Indonesien oder Indien brauchen aber mindestens 5, eher 6 Prozent Wachstum, um den nachwachsenden Schülern überhaupt eine Grundausbildung und Arbeit anbieten zu können. Andernfalls wird die oft beschriebene „demokratische Dividende” zur demographischen Katastrophe für sie werden. „Es gibt Risiken für eine weitere Abschwächung”, heißt es freilich auch im Halbjahresbericht der Weltbank. „Die Ausfuhr der großen regionalen Zulieferer, insbesondere der Elektronikhersteller, beginnt zu schmelzen.”
Zugleich warnt die Bank vor der Katastrophe: „Investoren preisen bislang die Möglichkeit eines ungeordneten Ausgangs der Verschuldungskrise in den entwickelten Volkswirtschaften noch nicht voll ein. Käme es dazu, dürfte dies wohl zu einer erneuten Rezession in Europa führen. Die Auswirkungen auf das sich entwickelnde Ostasien über den Handel, die Finanzströme, die Löhne von Gastarbeitern und das Engagement von Konsumenten und Investoren wären erheblich.”
Da die Lebensmittelpreise in den vergangenen Jahren über ganz Asien zweistellig gestiegen sind, zugleich die Vernetzung der Menschen über Internet und Mobiltelefon sprunghaft zunimmt, steigt die Furcht vor einer Unzufriedenheit, die sich wie in der Arabellion in Aufruhr entladen könnte. Das ist die Schablone, auf der Streiks und aufflackernde Proteste in China oder Indien von den Regierungen derzeit als echte Gefahr wahrgenommen werden. Lokalkonflikte, aber auch die Zunahme und Verschärfung der Naturkatastrophe reichten als Auslöser.
„Da immer klarer wird, dass die globale Wachstumsverlangsamung länger dauern könnte, überdenken die Politiker ihre Optionen: Mit wenigen Ausnahmen wie Vietnam oder der Mongolei haben sie den Schwerpunkt nun vom Kampf gegen die Inflation und der Abwehr übermäßiger Kapitalzuflüsse auf das Stützen des Wachstums verlagert”, beschreibt die ADB die Lage. Hier eine Balance zu finden, sei die große Herausforderung der nächsten Monate.
In Hus Versprechen klingt es fast spielerisch, sie zu bewältigen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Asien steht vor einem extrem schwierigen Jahr. Aber letztlich ist es hier nichts anderes als in Europa: Neujahrsansprachen klingen zuversichtlich. Die Arbeit fängt am 2. Januar an.
Könnte Wort des Jahrhunderts...
Könnte Wort des Jahrhunderts sein: die Vernetzung. Klingt von der Zukunft, Friede, Fortschritt. Hoffentlich wird die Welt mehr oder weniger solche ein Pfad folgen.
Als Anleger in den Schwärmenländer, habe ich mehrfache Interesse an Nationen Asien. Auch ein Teil meiner Kapital findet sich bei Fonds die Erzbau treiben, sowie Eisen, Kupfer, usw. Gerade jetzt ist Asien zwar der wichtigste Kunde für solche Rohstoffen.
Persönliche Meinung: In kommende Jahre, wenn nicht schon jetzt, soll die Rolle Währungen der verschiedener Nationen noch hervorragander aufpassen. Das heißt vielleicht, die Werte schwanken oder irgendwie schweigende Kriege teilnehmen, als Handel um den eigenartige Schätze in höher Konkurrenz allmählich begegnet.