Akte Asien

Akte Asien

In der Welt der Wirtschaft verlagert sich das Gewicht nach Asien. Dreht sie sich deshalb schneller und runder, diese Welt? Oder gerät sie in Unwucht?

Japans Währungshüter am Gängelband des Finanzministers

Japan dient vielen Ökonomen als Schreckbild und Vorbild zugleich. Wohl keine Notenbank der Welt hat die Märkte so mit Geld geflutet wie die Bank von Japan....

Japan dient vielen Ökonomen als Schreckbild und Vorbild zugleich. Wohl keine Notenbank der Welt hat die Märkte so mit Geld geflutet wie die Bank von Japan. Erfolg ist nicht erkennbar. Das Land verharrt in seiner Wachstumsschwäche und in einer leichten Deflation. Kein Wunder, denn Geldpolitik kann überfällige Strukturreformen nicht ersetzen – und die scheut Japans Politik seit Jahrzehnten. Der Ausweg der entscheidungsschwachen politischen Klasse in Tokio ist einfach: Sie drängt die Notenbank, noch mehr Geld in die Märkte zu pumpen und die gigantische Staatsschuld zu monetarisieren. Die Bank von Japan beugt sich, wenn auch nur murrend. Langsam muss sie sich allerdings fragen lassen, ob sie wirklich noch so unabhängig ist, wie es zumindest die Gesetze behaupten.

 Gerade hat der Governor der Bank, Masaaki Shirakawa den Abgeordneten im Finanzausschuss des japanischen Parlaments in Tokio wieder mit einer tiefen Verbeugung zugesichert, er und Finanzminister Jun Azumi stimmten in den Grundlinien der Geldpolitik vollkommen überein. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, hätte nicht eben jener Finanzminister kurz zuvor verdeckt damit gedroht, die Unabhängigkeit der Bank per Gesetz zu beschneiden, wenn sie nicht endlich willig macht, was der Finanzminister verlangt. Azumi ist schließlich einer der wichtigsten Wortführer in der regierenden Demokratischen Partei Japans, die formell unabhängige Bank stärker an die Zügel der Politik zu nehmen. Dass die Bank diesen politischen Druck als genau das wahrnimmt, was er ist, zeigen die jetzt in Tokio veröffentlichten Protokolle der Sitzung des geldpolitischen Rats der Bank vom Januar dieses Jahres. Nachdem die Bank von Japan unter massivem Druck der Regierung ihre Geldpolitik im Februar weiter gelockert, ihre Ankäufe von Staatsanleihen ausgeweitet und sich sogar ein von der Politik gefordertes Inflationsziel gesetzt hat, hat Japans Notenbank diesen politischen Druck mit der Veröffentlichung nun sehr deutlich demonstriert und publik gemacht. Das ist ein sehr japanischer Weg. Der offene Konflikt mit Azumi wird vermieden, doch die Protokolle zeigen, dass die Währungshüter den immer stärker werdenden politischen Druck verspüren. Und jetzt sind sie nach Azumis Drohung doch eingeknickt: Sie beschlossen ein kurzfristiges Inflationsziel von 1 Prozent. Außerdem stockten sie ihr Wertpapierankaufprogramm um 10 Billionen Yen für den Ankauf zusätzlicher Staatsanleihen auf. Japan ist auf dem Weg zur Monetarisierung seiner gigantischen Staatsschuld damit einen großen Schritt weiter gegangen. Azumi bedankte sich ganz ironiefrei, indem er Shirakawa jetzt im Parlament bescheinigte, endlich „effektiver” gegen die Deflation vorzugehen.

Chefnotenbanker Shirakawa macht gar keinen Hehl daraus, dass er diesen Weg eigentlich für falsch hält. „Geldpolitik allein kann Japan nicht aus der Deflation führen”, predigt er seit Monaten. Seit Jahren verharrt der Leitzins in Japan bei null, die Programme der Bank von Japan zum Ankauf von Anleihen werden immer größer. Kaum eine Notenbank flutet die Märkte so stark mit Geld wie die japanische. Der Erfolg ist so mager, dass der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, das kürzlich in einer Untersuchung der Geldpolitik in Zeiten der Finanzkrise deutlich herausgearbeitet hat: „Bisher belegen Japans Erfahrungen nicht, dass die Geldpolitik die Wirtschaft wieder auf einen stabilen Wachstumspfad zurückführen und die Deflation beenden konnte.” Nicht nur deshalb fragen sich viele Beobachter, warum in der Krise alle Notenbanken beginnen, den japanischen Weg zu kopieren.

Shirakawa und die Bank fürchten, wenn sie noch mehr Geld in die Märkte pumpen, könne das Vertrauen der Finanzmärkte in den Yen zerstört werden. Wenn der Eindruck entstünde, Japan werfe die Notenpresse an, um das gigantische Defizit des Staates zu finanzieren, fürchtet Shirakawa Inflation, steigende Zinsen und den wirtschaftlichen Absturz Japans. Wer in den Archiven der Bank wühlt, findet dazu einen interessanten Aufsatz des heutigen Chefs. Schon im Jahr 2000 warnte Shirakawa, dass Geldpolitik Strukturreformen nicht ersetzen könne. Japans stagnierende Wirtschaft der neunziger Jahre sei darauf zurückzuführen, dass Unternehmen, Politik und Bevölkerung immer weniger bereit seien, Veränderungen zu akzeptieren. Die Notenbank flutete die Märkte mit Geld, Unternehmen und Bürger riefen es aber nicht ab. Investitionen in Innovation gab es nicht im nötigen Maße. Der erhoffte Aufschwung blieb aus. Nur wenn Unternehmen und Politik sich endlich änderten, schrieb Shirakawa damals, könne Japan das Wachstum erreichen, das es braucht. Und genau diese Analyse gilt bis heute. Je stärker Japans Politiker die Unabhängigkeit der Bank von Japan öffentlich in Frage stellen und Shirakawa sich das gefallen lässt, desto größer wird die Gefahr, dass seine Schreckensvisionen in einigen Jahren Wirklichkeit werden.