Von CHRISTIAN GEINITZ
Auch die Chinesen haben ihre Hölle. Sie heißt Diyu und entspringt einer Kombination aus buddhistischem Glauben, Taoismus und alter chinesischer Jenseitsmythologie. Da sich in Fernost immer alles etwas größer und extremer präsentiert als im Westen, ist auch die Totenwelt noch etwas abartiger. Viele Klöster und Tempel zeigen bis heute wandhohe Gemälde teuflischer Folterszenen, gegen die Dantes “Inferno” nicht viel mehr ist als ein Wellness-Wochenende. Besonders gruselig sind die Ausschmückungen im Tanzhe-Tempel bei Mentougou westlich von Peking, einer der größten und ältesten religiösen Stätten in der Metropolregion.
Am Wochenende haben wir einen Ausflug dorthin unternommen, glücklicher Weise ohne Kinder! Denn was man sieht, könnte einem Horrorfilm entstammen – und ist mit Sicherheit erst „frei ab 18″. Die Delinquenten werden geköpft, verbrannt, geblendet, zu Tode gemästet, ertränkt und auf viele andere abscheuliche Weisen gequält, von denen Bernado Gui noch einiges lernen könnte
Der Glaube an Diyu besagt, dass ein Sünder das Martyrium solange erdulden muss, bis er im Tod einen weiteren Tod erleidet. Daraus erwacht er unversehrt, um – wenn er Pech hat – abermals gemartert zu werden. Das ganze dient der Strafe, Läuterung und Erneuerung, als Vorbereitung zur Wiedergeburt in ein bestenfalls besseres Leben.
Gegen das komplexe System der Höllen und Vorhöllen sind christliche Vorstellungen vom Purgatorium grobgepinselte Bilderbögen. In China gab es ursprünglich Zehntausende von Stationen und Niveaus, die die Sünder erdulden mussten. Die Anzahl und Länge der Aufenthalte richtete sich nach der Schwere ihrer Vergehen, festgelegt vom König des Fegefeuers, Yama, der auf Chinesisch auch Yan Luowang heißt. Da er sich in seinem Greuelgeflecht irgendwann selbst nicht mehr zurechtfand, stutzte er das System je nach Legende auf acht, zehn oder achtzehn Höllenhöfe zusammen. Dort tun Statthalter Dienst, die Yama-Könige, die zuweilen bestimmten Kundengruppen zugeordnet sind. Chu Jiang zum Beispiel foltert mit Vorliebe Diebe und Mörder.
Unser besonders bildhafter Tempel in Tanzhe heißt Dizang Dian. Er wurde angeblich vor 1700 Jahren für das Erleuchtungswesen Dizang erbaut – das anderswo Ksitigarbha heißt -, seine heutige Form und die Horrorbilder sind jedoch viel jünger. Sie zeigen Dämonen, die die Verstorbenen mit einer Säge halbieren, in Kesseln frittieren, mit Messern und Beilen verstümmeln, Tieren zum Fraß vorwerfen oder unter Findlingen zerquetschen.
„Das soll uns lehren, einander zu respektieren und freundlich zu behandeln”, erklärt Meister Yi Zhao, ein Mönch, der für die religiösen Zeremonien in Tanzhe zuständig ist. „Wer sich nicht daran hält, dem blühen all diese Dinge.” Die Kinder hätten wir ruhig mitbringen können, sagt Meister Zhao noch. Den Erwachsenen jagten die Bilder viel mehr Angst ein – wohl weil sie ein schlechtes Gewissen hätten.
Zu all dem macht der Totengott Yan ein mürrisches, brennend rotes Gesicht. Er hat Glubschaugen und trägt einen langen Rauschebart. Der Folterkönig ziert übrigens die meisten Scheine des chinesischen Totengeldes, das bei Beerdigungen verbrannt wird. Auf den echten Banknoten ist an genau der gleichen Stelle Mao Tse-tung abgebildet.
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Fotos itz.
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einfach nur schrecklich! Die...
einfach nur schrecklich! Die Bilder stellen diese schrecklichen Taten auf überraschend realistische Art und Weise dar.
Danke für den Hinweis. Werde...
Danke für den Hinweis. Werde ich dann wohl demnächst mal besuchen.
Da die Info im Artikel fehlt, habe ich mal nach der Adresse gesucht. Diese findet man hier:
https://www.thebeijinger.com/directory/Tanzhe-Temple