Nach der Atomkatastrophe in Fukushima haben sich im vergangenen Jahr weltweit viele Menschen gefragt, warum die High-Tech-Nation Japan in der Krise nicht verstärkt Roboter einsetzt. In keinem Land der Welt gibt es so viele Tüftler, die an Robotern basteln. Yasuzoshi Kume ist einer dieser Tüftler. Und er ahnt, warum es damals in Fukushima nicht zu dem Einsatz japanischer Roboter kam. Kume, Manager des kleinen Roboterunternehmens „tmsuk” in einem Vorort von Fukuoka auf Japans südwestlicher Insel Kyushu, genießt es, Besuchern seine Roboter vorzuführen. „Wir haben uns hier ganz der Entwicklung von Robotern verschrieben”, sagt er. 20 Mitarbeiter hat das Unternehmen, das 1993 gegründet worden ist. Dahinter steht als Geldgeber ein mittelgroßes japanisches Maschinenbauunternehmen, dessen Eigentümer sich für Roboter begeistert. „Das kostet ziemlich viel Geld”, sagt Kume. Doch der Eigentümer sei eben so verrückt, dass er weiter in das Geschäft investiert. Empfangskräfte oder Marketing gibt es bei tmusk nicht, fast alle Mitarbeiter sind an der Entwicklung neuer Roboter beteiligt. „Roboter sind das einzige, wo Japan noch die Initiative ergreifen und eine neue Industrie schaffen kann”, sagt der Ingenieur. Roboter in der Altenpflege oder für Krankenhäuser, niedliche Roboter, die sich wie Menschen bewegen – überall ist Japan technisch führend.
Deswegen ärgert sich Kume heute noch darüber, dass nach der Atomkatastrophe in Fukushima keine japanischen, sondern amerikanische Roboter bei den Aufräumarbeiten eingesetzt worden sind. Weltweit war damals die Verwunderung groß, dass es im Tüftler- und Technikerland Japan keine Roboter gab, die in Fukushima hätten helfen können. Technische Unfähigkeit sei nicht der Grund dafür gewesen, erklärt Kume. „tmusk” habe sich umgehend bei den Elektrizitätswerken von Tokio (Tepco) gemeldet und seinen schon vor Jahren entwickelten Roboter „T 53 Enryu” für den Einsatz angeboten. Offiziell hieß es damals, japanische Roboter könnten nicht eingesetzt werden, weil sie empfindlich auf die hohe radioaktive Strahlung reagierten. Japans Regierung hatte die Entwicklung von Robotern für den Einsatz bei Atomkatastrophen seit Jahren nicht mehr gefördert. Sie befürchtete, sie würde sonst Zweifel an der Sicherheit der Atomkraftwerke und an ihrer immer wieder wiederholten Aussage wecken, Japans Atomkraftwerke seien so sicher, dass ein Unfall nicht geschehen könne.
Kume zeigt, dass sein Unternehmen dennoch hätte helfen können. Auf dem Innenhof des Unternehmens steht ein rot angestrichenes Exemplar des T 53 Enryu. Der Ingenieur lässt den Roboter – ferngesteuert über das Glasfasernetz – auf dem Betriebsgelände hin- und herfahren. Selbst in hoch verstrahlten Regionen könne dieser Roboter arbeiten, sagt er. Doch Tepco lehnte das Angebot damals ab. Stattdessen setzte der Energiekonzern in Fukushima Erkundungsroboter der amerikanischen Firma iRobot ein. Außenministerin Hillary Clinton hatte diese für den militärischen Einsatz entwickelten Roboter bei ihrem Blitzbesuch nach der Atomkatastrophe im Gepäck.
„Die können nichts, was japanische Roboter nicht auch könnten”, sagt Kume. Nach Informationen, die dem Verfasser dieser Zeilen zugespielt wurden, wollte Tepco, dessen bürokratische Struktur in Japan schon oft kritisiert worden ist, schlicht nicht die Verantwortung übernehmen, falls beim Einsatz der Roboter etwas schief gehen sollte. Da kam den Energiemanagern die Empfehlung der Regierung nach dem Besuch von Außenministerin Clinton gerade recht, die amerikanischen Roboter einzusetzen und damit die Verantwortung für den Einsatz abzuschieben. Für iRobot war das damals eine enorme Werbung und ein großer Imagegewinn. Der gute Ruf der japanischen Unternehmen, die bei der Robotertechnik weltweit als führend gelten, litt dagegen kräftig. Wenn stimmt, was Kume behauptet, haben Tepco und die Regierung aus Tokio das bewusst in Kauf genommen, nur weil sie das Risiko scheuten, heimische Roboter einzusetzen.
Große japanische Unternehmen wie Panasonic, Toyota, Hitachi oder Toshiba, die alle Abteilungen haben, in denen Roboter entwickelt werden, betrachten Firmen wie tsmuk eher mit einem nachsichtigen Lächeln. In Fukuoka schrauben die Ingenieure ihre Prototypen an Schreibtischen in alten Lagerhallen zusammen, mit grünen Vorhängen vor den Augen neugieriger Besucher geschützt. Doch Kume konnte seinem roboterbegeisterten Chef im letzten Jahr erstmals schwarze Zahlen präsentieren. Ein elektrischer Rollstuhl fand sogar das Interesse der dänischen Regierung, „auch wenn das eher ein Fahrzeug als ein Roboter ist”, erklärt der Ingenieur. Roboter wie „Kiyomori”, der aussieht wie ein japanischer Samurai-Krieger und Häuser vor Einbrechern schützen soll, bleiben allerdings eher Spielzeuge ihrer Erfinder, als dass sie sich verkaufen ließen. Roboter, die Krach machen, Dampf ablassen oder mit den Augen funkeln, dürften Einbrecher kaum ernsthaft abschrecken. Bis zu 30 Millionen Yen (300000 Euro) kostet so ein Roboter. „Teuer, aber eben leider auch nicht richtig überzeugend”, räumt Kume ein.
Viel erfolgreicher ist dagegen ein Roboter, an dem Studenten der Zahnmedizin üben können. Der Roboter kann „Aua” rufen, oder „es schmerzt”, wenn der Student falsch bohrt. Entwickelt wurde dieser Computer gemeinsam mit der Showa-Universität. Die Hülle der Patientin lieferte eine Firma, die ansonsten Sexpuppen herstellt. Eingesetzt wird der Roboter in Saudi-Arabien. „Man verdient damit noch kein Geld”, sagt Kumi, „aber wir machen weiter.” Seine Ingenieure basteln im Jahr mehr Prototypen als die großen Unternehmen. Staatliche Förderung aus Tokio gibt es nicht. In Fukuoka nennen sie sich deswegen auch „Piraten der Roboterbauer” – immer in der Hoffnung, im Wettrennen um den Durchbruch in der Computertechnik die Nase gegen die Großen der Branche am Ende doch vorne zu haben-