Wenn es um die Frage „Humvee oder MRAP“ geht, kann auch für den „eingebetteten“ Berichterstatter die Antwort nur lauten: MRAP. Der Humvee-Jeep heißt eigentlich „High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle“ (Hochmobiles Mehrzweckradfahrzeug), und aus der Abkürzung HMMWV wurde schließlich die verballhornte Bezeichnung „Humvee“. Das Akronym MRAP steht für „Mine Resistant Ambush Protected“, zu Deutsch ungefähr „Gegen Minen resistent, vor Hinterhaltsangriffen geschützt“, und wird „Emräp“ ausgesprochen. Humvees und MRAPs sind die Mannschaftstransport- und Einsatzfahrzeuge der amerikanischen Truppen im Krieg im Zweistromland. Und nicht nur dort, sondern auch an anderen Orten des globalen Krieges gegen den Terrorismus – in Afghanistan oder am Horn von Afrika.
Der von 1984 an hergestellte Humvee trat die Nachfolge des klassischen Jeeps an, mit dem sich amerikanische Heeressoldaten und Marineinfanteristen vom Zweiten Weltkrieg an über den Korea-Krieg bis zum Vietnam-Krieg hinter den Frontlinien bewegten – in aller Regel sicher. Doch im Irak-Krieg wurden die wendigen und relativ leichten Humvees bald zur Todesfalle für die Soldaten und Marineinfanteristen. Denn die bevorzugte Waffe der Aufständischen und Terroristen waren und sind bis heute die sogenannten IEDs, die „Improvised Explosive Devices“. Diese selbstgebauten Bomben werden am Straßenrand versteckt oder auch unter der Fahrbahn vergraben und entweder durch eine Lichtschranke, einen Drucksensor oder mittels Fernzünder zur Detonation gebracht. Schon wenige Monate nach der erfolgreichen Blitzinvasion und dem Sturz Saddam Husseins von Anfang April 2003 wurden die alten Humvees, die ungepanzert und deshalb besonders verwundbar waren, mit Eisenplatten und Panzerglas nachträglich aufgepanzert. Im Juni 2003 war in Bagdad erstmals ein amerikanischer Soldat bei einem Bombenanschlag gefallen – und nicht wie bis dahin bei einem Schusswechsel oder einem irakischen Artillerieangriff. Fortan wurden neue Humvees ausschließlich in der gepanzerten Version gebaut. Zur Standardausrüstung gehört zudem seit langem ein Störsender, der an einem Eisenträger befestigt ist und vor Fahrtbeginn heruntergeklappt wird, sodass er etwa einen Meter vor der vorderen Stoßstange über der Straßenoberfläche schwebt: Er soll die Funkwellen von einem Fernzünder nicht zum Sprengsatz durchdringen lassen.
Doch die entscheidende Verwundbarkeit selbst des gepanzerten Humvees, der bald zum Stückpreis von 191000 Dollar in den einschlägigen Werken der amerikanischen Rüstungslieferanten gebaut wurde, blieben die geringe Bodenfreiheit des Fahrzeugs sowie dessen flacher und gerader Unterboden: Denn dieser gibt die Druckwellen der immer häufiger unter der Straßenoberfläche vergrabenen Bomben in voller Wucht ans Wageninnere und an die vier Insassen weiter.
Ganz anders der MRAP, der wesentlich mehr Bodenfreiheit und vor allem einen V-förmigen Unterboden hat, der die Druckwellen seitwärts an der rundum gepanzerten Insassenkabine für fünf bis zehn Soldaten ableitet. Der Stückpreis des MRAP liegt zwischen 600000 und einer Million Dollar. Es gibt eine Version mit zwei Achsen, den Cougar (Puma), und eine deutlich größere mit drei Achsen, die Buffalo (Büffel) heißt.
Dass der MRAP rasch zum Fahrzeug der Wahl für den heutigen Krieg im Irak gegen Aufständische und Terroristen zum Schutz der eigenen Truppen werden sollte, wusste die amerikanische Marineinfanterie seit langem. Schon im Dezember 2003 forderten die „Marines“ 27 MRAP-Fahrzeuge für ihre Spezialeinheiten zum Bombenentschärfen an. Im Februar 2005 beantragte die kleinste der vier Teilstreitkräfte des amerikanischen Militärs weitere knapp 1200 MRAPs für den Einsatz im Irak. Die Erfahrungen der „Marines“ mit den MRAPs waren von Beginn an ausgezeichnet: Bei den meisten Anschlägen mit IEDs kamen die Fahrzeuginsassen in der Regel mit leichten Verletzungen davon.
Doch es bedurfte jahrelanger Debatten im Heer, bei der Marineinfanterie und im Pentagon sowie blutiger Erfahrungen im Irak und in Afghanistan sowie schließlich eines neuen Verteidigungsministers, bis im Pentagon die Entscheidung zur massenhaften Einführung des MRAP fiel. Der ehemalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte sich der Massenproduktion des MRAP widersetzt, weil er überzeugt war, dass nach dem Sturmsieg über das Regime Saddam Husseins zur Befriedung des Iraks keine so schweren Panzerfahrzeuge gebraucht würden. Es gibt Schätzungen, wonach gut 700 der insgesamt 4200 getöteten amerikanischen Soldaten noch am Leben sein könnten, wäre die Produktion des MRAP nicht verzögert worden. Rumsfelds Nachfolger Robert Gates, der nicht umsonst als einziges Kabinettsmitglied unter George W. Bush vom neuen Präsidenten Barack Obama als Pentagonchef übernommen wird, erklärte die Massenfertigung des MRAP dagegen kurz nach seinem Amtsantritt im Januar 2007 zur obersten Priorität der Ausrüstungsbeschaffung. Bis heute wurden mehr als 11000 MRAPs in einem beispiellosen Kraftakt hergestellt und in den Irak sowie auch nach Afghanistan geschickt, damit die Fahrzeugflotte der inzwischen sämtlich gepanzerten Humvees so rasch wie möglich ausgetauscht werden kann. Die MRAPs wurden nicht auf dem langsamen Seeweg, sondern mit geleasten ukrainischen Frachtflugzeugen von Amerika in den Irak geflogen – zum Transportpreis von 100000 Dollar pro Stück. Die meisten ausgemusterten Humvees wurden inzwischen an die irakischen Streitkräfte abgegeben.
Für die Soldaten zählt nicht nur, dass die MRAPs sicherer sind als die Humvees, sie bieten auch mehr Platz: Im Humvee sind die vier Mann Besatzung sowie der Schütze im Gefechtsturm ziemlich eingequetscht.
Der MRAP dagegen bietet den jeweils fünf bis zehn Mann Besatzung sowie dem Schützen bequemen Bewegungsspielraum. Zudem verfügt der MRAP über eine effizientere Klimaanlage als der Humvee, im irakischen Sommer ein wichtiger Vorteil.
Und man hat durch die gepanzerten Fenster des MRAP einen guten Rundumblick, nicht nur den beengten Ausguck vom Humvee aus. Wer als „eingebetteter“ Journalist schon als Kompromiss hinnehmen muss, bei jeder Ausfahrt und bei jedem Gang durch die Stadt mit den Besatzungstruppen wie die Soldaten mit Helm und Schutzweste gepanzert zu sein, wer sich zudem exponiert und wie die amerikanischen Soldaten potentielle Zielscheibe ist, muss wenigstens etwas zu sehen bekommen. Und wenn es nur durch das Panzerglas eines MRAP ist.
(Fotohinweis: Alle Fotos Matthias Rüb)