Bagdad Briefing

Bagdad Briefing

Über den neuen Krieg gegen den Terror – und jene, die sich Krieg und Terror entgegenstellen. Von Bagdad bis Benghasi, von Doha bis Damaskus.

Assad schlägt in Raqqa zu

| 2 Lesermeinungen

Es war einer der tödlichsten Angriffe des an Opfern wahrlich nicht armen Syrien-Krieges: 95 Menschen, darunter 52 Zivilisten, so die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch, seien bei Luftschlägen des Regimes Baschar al Assad am Dienstag getötet worden. Ausgerechnet in Raqqa, wo der „Islamische Staat“ Abu Bakr al Bagdadis seit März vergangenen Jahres ein Terrorregime unterhält, schlug Assads Luftwaffe zu.

Ein von Einkäufern frequentierter Markt sei ebenso zum Ziel der Kampfflieger geworden wie ein Industriegebiet, teilten die der Opposition nahe stehenden Menschenrechtler in London mit. Zehn Angriffe zählte die Beobachtungsstelle, auch die Post, eine Moschee sowie zahlreiche Geschäfte und Wohnhäuser in der Nähe des städtischen Museums seien getroffen worden.

Arabische Medien hatten zunächst von sogar 170 Opfern berichtet. Hunderte Zivilisten sollen verletzt worden sein. Eine lokale Gruppe forderte die Bevölkerung zu Blutspenden auf. Die ohnehin überlasteten Krankenhäuser kommen mit der Versorgung der Verwundeten kaum nach.

Vom „Islamischen Staat“ kontrollierte Ziele in der Provinz Raqqa sind seit Beginn der Luftangriffe auf Syrien immer wieder von der von den Vereinigten Staaten geführten Antiterrorallianz unter Beschuss genommen worden. Das amerikanische Zentralkommando in Florida teilte in der Nacht auf Mittwoch jedoch mit, am Dienstag die Stadt nicht beschossen zu haben. IS-Vertreter machten das Regime für die Angriffe verantwortlich.

Bis zum Siegeszug der Dschihadisten im Juni im Irak hatte Assad den „Islamischen Staat“ weitgehend geschont und stattdessen die Konfrontation mit Milizen der gemäßigten Freien Syrischen Armee (FSA) gesucht. Erst nach der Einnahme Mossuls und der Eroberung zahlreicher Ölfelder in der an den Irak angrenzenden Provinz Deir al Zor im Sommer endete die augenzwinkernde Kumpanei – und das Regime nahm vermehrt Einheiten al Bagdadis ins Visier.

Inwieweit die hohen Opferzahlen vom Regime kalkuliert waren, blieb auch am Mittwoch offen. Unter der Überschrift „Armeeeinheiten nehmen Terroristen in mehreren Provinzen weiter ins Visier“ berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Sana zwar über Angriffe auf Oppositionskämpfer in Homs und Aleppo. Raqqa erwähnte Sana jedoch nicht.

Assad hatte zuletzt immer wieder – bislang vergeblich – um Aufnahme in die von Amerika geführte Antiterrorallianz gebeten. Die Luftschläge könnten deshalb der Versuch gewesen sein, sich dem Bündnis anzudienen. Andererseits könnte er darauf gesetzt haben, im Schatten des Luftkrieges mit Gegnern an mehreren Fronten aufzuräumen.

Denn die Brutalität, mit der der „Islamische Staat“ gegen Andersdenkende vorgeht, stößt längst nicht überall in den von der Terrorgruppe kontrollierten Gebieten auf Zustimmung. So lang wie die Liste der Massaker ist, die auf Assads Konto gehen, ohne dass die Weltgemeinschaft die Verbrechen geahndet hätte, dürfte er sich seiner Sache ziemlich sicher gewesen sein, auch diesmal ungestraft davonzukommen.


2 Lesermeinungen

  1. […] Zitat: “Bis zum Siegeszug der Dschihadisten im Juni im Irak hatte Assad den „Islamischen Staat“ weitgehend geschont und stattdessen die Konfrontation mit Milizen der gemäßigten Freien Syrischen Armee (FSA) gesucht. Erst nach der Einnahme Mossuls und der Eroberung zahlreicher Ölfelder in der an den Irak angrenzenden Provinz Deir al Zor im Sommer endete die augenzwinkernde Kumpanei – und das Regime nahm vermehrt Einheiten al Bagdadis ins Visier. ” https://blogs.faz.net/bagdadbriefing/2014/11/26/assad-schlaegt-raqqa-zu-27/ […]

  2. Baiazzo sagt:

    ungestraft davonkommen...
    Wie heute den Medien zu entnehmen war, sind auch etwa 90% der Getöteten, welche dem vom Friedensnobelpreisträger Obama angeordneten Drohnenangriffen zum Opfer gefallen sind, Zivilisten. Auch dieser wird ungestraft davonkommen. Assad führt seinen “Antiterrorkampf” wenigstens nur im eigenen Land. Ich verstehe nicht wieso Luftschläge der syrischen Armee anders bewertet werden sollen als die der Nato-Koalition, deren arabische “Bündnispartner” nota bene ja den IS im Wesentlichen erst aufgebaut haben. Assad war und ist das kleinste Übel in der Region. Das merken die Amerikaner jetzt auch langsam.

Hinterlasse eine Lesermeinung