Bagdad Briefing

Bagdad Briefing

Über den neuen Krieg gegen den Terror – und jene, die sich Krieg und Terror entgegenstellen. Von Bagdad bis Benghasi, von Doha bis Damaskus.

Sisi und Isis

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Am Dienstagmorgen waren die Tore endlich wieder geöffnet. Aus Sicherheitsbedenken hatte die britische Botschaft in Kairo vergangene Woche ihren Betrieb für die Öffentlichkeit eingestellt. Auch die kanadischen und australischen Auslandsvertretungen folgten vor neun Tagen diesem Schritt – nicht zuletzt um den Druck auf die ägyptischen Behörden zu erhöhen, ihre Einrichtungen besser zu schützen.

Denn nicht nur die Veröffentlichung des CIA-Folterberichts hat die Angst vor Anschlägen verstärkt. Seit der Ankündigung der Terrorgruppe Ansar Beit al Maqdis, künftig den Befehlen Abu Bakr al Bagdadis zu folgen, ist die Gefahr einer Ausweitung des islamistischen Terrors größer denn je. Bis Touristenziele auf der Sinai-Halbinsel zum Ziel der nun dem Netz des „Islamischen Staats“ angehörenden Organisation werden, sei es nur eine Frage der Zeit, sagen Diplomaten in Kairo.

Ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt ist die Antiterrorstrategie von Präsident Abd al Fattah al Sisi gescheitert. Statt die Gefahr neuer Anschläge zu minimieren, werden es wöchentlich mehr. Nicht nur auf dem Sinai, sondern auch in der Hauptstadt Kairo, wo so genannte Schallbomben in Regionalzügen und der Metro für Angst und Schrecken sorgen.

Die Ausweitung des Antiterrorkampfes auf Ägypten ist bislang zwar kein Thema innerhalb der Koalition gegen den „Islamischen Staat“. Doch Sisi kommt seinem Wunsch, stärkere militärische Unterstützung sowohl aus den Vereinigten Staaten wie aus Russland zu bekommen, mit jedem Anschlag näher. Am Westrand des wachsenden IS-Territoriums ist die ägyptische Armee bereits jetzt ein wichtiger Akteur: Sowohl indirekt wie direkt haben Sicherheitskräfte mehrfach in den Konflikt zwischen der international anerkannten libyschen Regierung und islamistischen Aufständischen eingegriffen.

Eine weitere Eskalation in Libyen wird vor den ägyptischen Grenzen nicht Halt machen. Nach der Tötung Dutzender Sicherheitskräfte im Grenzgebiet im Sommer erhöhte die Armeeführung ihre Sicherheitsmaßnahmen in der westlichen Wüste. Eine Rückkehr zur Normalität scheint angesichts weiter einsickernder islamistischer Rückkehrer aus den Kriegen in Syrien und im Irak ausgeschlossen. Die Minikalifate in Derna und Benghasi geben eher einen Vorgeschmack auf das, was in weiteren Regionen Libyens bald durchgängig Realität sein könnte.

Armeeangehörige in Kairo fürchten deshalb bereits ein algerisches Szenario: Wie in den neunziger Jahren im dem nordafrikanischen Land könnten die Streitkräfte in einen dauerhaften Konflikt mit islamistischen Kämpfern verstrickt werden. Doch sind diese heute weitaus geschulter als damals: Mehr als 5000 Ägypter sollen auf Seiten des „Islamischen Staats“ im Irak und Syrien kämpfen. Sollte Bagdadi ihnen den Befehl zur Rückkehr in ihre Heimat geben, wäre eine weitere Eskalation des Krieges auf dem Sinai gewiss. Rund um Kairo haben ihre Operationen in den vergangenen Monaten ohnehin schon zugenommen.


1 Lesermeinung

  1. ThorHa sagt:

    Fluch der bösen Tat!
    Aus nichts anderem als verletztem “Ehrgefühl” hat es sich das vor Mursi- und nach Mursi-Regime des korrupten ägyptischen Militärs geschafft, sich neben den Dschihadisten auch alle anderen Islamisten zu Feinden zu machen. Neben Liberalen, Demokraten und Menschenrechtlern des Landes.

    Anstatt die islamistische Bewegung dauerhaft zu spalten und den nicht gewalttätigen Teil langfristig zur tunesischen Lösung zu führen, ist das wahrscheinlichste Szenario für Ägypten tatsächlich ein blutiger de facto Bürgerkrieg a la Algerien. Mit der einseitigen Unterstützung des Westens für Schlächter No. 1 (ägyptisches Regime) aus Furcht vor Schlächter No. 2 (Dschihadisten).

    Schlimmer hätte der ägyptische Frühling nicht enden können, die derzeitige Situation könnte aus einer beliebigen apokalyptischen Fantasie stammen.

    Arme Ägypter …

    Gruss,
    Thorsten Haupts

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