Die stolze Schar arabischer Staatsoberhäupter, Minister und Diplomaten, die sich am Sonntag unter die Trauernden in Paris mischte, ist beachtlich: Jordaniens König Abdullah nahm ebenso an der Großdemonstration für die getöteten Redakteure und Zeichner der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ teil wie die Außenminister Ägyptens, Algeriens, Bahreins, der Vereinigten Arabischen Emirate sowie der saudi-arabische Botschafter in Paris.
Was die Herren eint, ist ihre Verachtung für Pressefreiheit und Menschenrechte. In Dschiddah etwa wurde keine 48 Stunden vor dem Protestmarsch ein Blogger fünfzig Mal ausgepeitscht, weil er getan haben soll, was viele Muslime auch den ermordeten „Charlie-Hebdo“-Mitarbeitern vorwerfen: den Islam beleidigt zu haben.
Zu insgesamt tausend Peitschenhieben verurteilte ein Gericht Raef Badawi und hielt ein bereits zuvor erteiltes Urteil über zehn Jahre Freiheitsentzug aufrecht. Die Körperstrafe soll über zwanzig Wochen hinweg abgegolten werden – auf einem öffentlichen Platz, wie am Freitag. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte, dass das einzige Vergehen Badawis darin bestand, eine Webseite eingerichtet zu haben, auf der zu Diskussionen über die Lage in Saudi-Arabien eingeladen wurde. Badawi ist bereits seit 2012 inhaftiert.
Aber nicht nur in dem wahabitischen Königreich, wo 2014 mit vollstreckten 87 Todesurteilen ein neuer negativer Rekord erreicht wurde, haben Journalisten es in der arabischen Welt schwer. In Amman etwa wurde vergangenen Dezember ein Journalist zu vielen Jahren Haft und schwerer körperlicher Arbeit verurteilt, weil er zum Hass aufgerufen und die Darstellung Jordaniens verzerrt haben soll, berichteten israelische Medien im Dezember. Der bereits vor dem Urteil nach Großbritannien geflohene Mudar Zahran hatte zuvor für die „Jerusalem Post“ geschrieben und darin die Nähe König Abdullahs zu den Vereinigten Staaten und Israel kritisiert.
Ein schlechter Bündnispartner des Westens, wenn es um Pressefreiheit geht, ist auch Ägyptens Außenminister Sameh Shukri. Auf Platz 159 von 180 Ländern rangiert sein Land auf einer Liste von Reporter ohne Grenzen. Das Committee to Protect Journalists berichtet von mindestens zwölf Journalisten, die wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Gesetze hinter Gittern sitzen. Erst im Januar jedoch gab ein Gericht zu, dass die Verurteilung mehrerer Mitarbeiter des qatarischen Fernsehsenders Al Dschazira auf einem rechtlich zweifelhaften Prozess beruhe. Das Verfahren wird nun wieder aufgerollt.
Todesurteile?
Was ist mit Poroschenko, Ukraine? Er hat auch ein Schaulaufen in Paris gemacht. Nachwie vor werden dort Menschen getötet. Aufklärung zu den Maidantoten, nein. Aufklärung zu den Odessatoten, nein. Aufklärung zum Flugzeugabsturz, nein.
Haha, danke
Vielleicht so: Diese arabischen Regierungschefs sehen ihren Auftritt (unabhängig von ggf. anderslautenden Reden) als Bekenntnis gegen den Terror von Al-Kaida, die “einfach so” ohne Mandat vom Kalifen Lynchjustiz übt.
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Al-Kaida-Terror ist dort vielleicht so was ähnliches wie bei uns Pegida-Demonstrationen: Die Anständigen unter den Politikern distanzieren sich davon ganz ausdrücklich.
Die heuchelei im Westen
ist doch nicht viel kleiner.
Es soll niemand glauben
dass Hebdo bei den Politikern beliebt war.
Ganz im Gegenteil,weil er die “Islamophobie” oder genauer,kritische Einstellung zum Islam auch nach links getragen hat u dort sogar teilweise etablierte.
Kommt noch hinzu dass doch unsere Politiker Hand in Hand mit den oben kritisierten Herschern gehen.
Heuchelei
Ja, Herr Bickel, es ist eine Heuchelei, wenn arabische Herrscher, die in ihrem Land die Pressefreiheit mit Füßen treten, jetzt in Paris mitlaufen. Aber ist es nicht genauso bigott, wenn ein Herr Sigmar Gabriel dort zugegen ist, der noch im letzten Jahr massive Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien durchgewunken hat?
Heuchelei
Auch Lawrow war da, obwohl die (Presse)Freiheit in Russland mit Füssen getreten wird. Wie mancher Journalist musste die Freiheit auch schon mit dem Leben bezahlen.
Turkey
Bleibt die Tuerkei in diesem Briefing vollstaendig unerwaehnt, weil ihr ein eigener Artikel gewidmet werden soll? Angeblich fuehrte “die Tuerkei” 2012 u. 2013 die Liste staatlich inhaftierter Journalisten an u. findet sich 2014 noch unter den ersten zehn der “world’s worst jailer[s] of the press”.
(-;
Trotzdem besten Dank fuer Ihr Statement …..
Der Artikel
beschreibt das Hauptproblem. Das sind nicht die 98% aller Muslime hier, die sich gut integriert haben und Grundrechten positiv gegenüberstehen. Das Hauptproblem sind diejenigen, die dem Islamismus “Nahrung” geben. Auf geistlicher Ebene tut sich langsam etwas. Auf politischer Ebene leider nicht. Den Regierungen von Jordanien, Saudi-Arabien, der Türkei, etc. sind doch Grundrechte egal, schicken aber den Islam als Legitimation für deren Unterdrückung voraus. Hier müsste man wesentlich mehr Druck machen. P.S. Wo war eigentlich Herr Erdogan?
Herr Erdogan teilt und herrscht wie
alle von ihnen zuvor genannten. Demokratie, Säkularietät oder Menschenrechte mit den Saudis, trotz Doctortitel aus Oxford wird es nicht geben. Wer gibt schon freiwillig sein Mühlespiel auf.
Solange man den USA ÖL liefern kann und auf ihr Stillhalten in Sachen Menschenrechte zählen kann, ändert sich nichts.
Mit keinem Presidenten!
Angie
Vielen Dank Herr Bickel für diesen interessanten Hinweis.
Ist es der achso beliebten Kanzlerin eigentlich bewusst, mit welchen Verbrechern sie auf der Heuchelparade mitmarschiert ?.
Markus Bickel,
einer der Journalisten, die ihr Handwerk ernst nehmen. Meinen Respekt.
Freiheit hin, Freiheit her!
Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Welcher rechtschaffende Mensch wollte dies bestreiten? Wo sie nicht gewährt wird, da sollte Mensch sich dafür einsetzen. Wobei es aber verschiedene Formen der Unterdrückung gibt. Die direkte, wie Schreibverbot. Und die indirekte, wo die Leitmedien von der Politik oder sonstigen Interessensgruppen eingekauft werden und nur noch herrschaftsfreundlich und lobbyfreundlich berichten. Letzteres halte ich noch für gefährlicher, da schwerer zu belegen.