Bagdad Briefing

Bagdad Briefing

Über den neuen Krieg gegen den Terror – und jene, die sich Krieg und Terror entgegenstellen. Von Bagdad bis Benghasi, von Doha bis Damaskus.

Assads vierte Amtszeit

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Das neue Jahr hat gut begonnen für Syriens tief in Kriegsverbrechen verstrickten Machthaber. Amerikas Außenminister John Kerry forderte Baschar al Assad am Mittwoch auf, über die Konsequenzen seines Handelns nachzudenken und „die Bevölkerung an erste Stelle zu setzen“. Eine Aufforderung, sich aus dem Staub zu machen und nach fast vier Jahren Krieg einem Nachfolger Platz zu machen, fehlte. Damit ist der Diktator in Damaskus fast schon wieder rehabilitiert in Washington.

Der realpolitische Sinneswandel ist Folge der verschobenen Verhältnisse auf dem Boden: Noch vor weniger als anderthalb Jahren hatte Kerry Assad mit militärischen Konsequenzen gedroht, nachdem das Regime von der Opposition gehaltene Vororte der Hauptstadt mit Giftgas bombardiert hatte. Doch das Erstarken des „Islamischen Staats“ und des syrischen Al-Qaida-Ablegers Nusra-Front 2014 haben die Koordinaten Amerikas verändert: Lieber ein Frieden mit Assad als weiteren islamistischen Terror, lautet die Devise in Washington.

Still und leise hat die Weigerung Präsident Barack Obamas, die von ihm im August 2012 gezogenen „rote Linie“ beim Einsatz von Chemiewaffen zu bestrafen, zu einem Rückzug Amerikas aus der Syrien-Diplomatie geführt. Russland ist der neue entscheidende Akteur; unbeirrt hält es bislang an Assad als Staatschef fest: Ende Januar sollen Repräsentanten des Regimes mit verhandlungsbereiten Oppositionsvertretern in Moskau zu Gesprächen zusammenkommen.

Auch dem neuen Sondergesandten der Vereinten Nationen, Staffan de Mistura, ist Amerikas Positionswechsel nicht entgangen. Auf einer Pressekonferenz in Genf sagte er am Donnerstag, Assad habe ihm in zwei Gesprächen, die die beiden in Damaskus führten, den Eindruck vermittelt, dass keine Seite den Krieg gewinnen könne. Das sei der Grund, weshalb er zum ersten Mal seit Beginn des Aufstands gegen sein Regime 2011 zu Verhandlungen über eine politische Lösung des Konflikts bereit sein könnte.

Das Kalkül Assads freilich, einer Teilnahme an den Gesprächen in Moskau zuzustimmen, ist eindeutig: Während die Exilopposition in Istanbul und Kairo weiter streitet, ob sie die Einladung annimmt, weckt er den Eindruck, zu Kompromissen bereit zu sein. Doch bereits vor einem Jahr entsandte er Diplomaten nach Genf, nur um sich jedem Gespräch zu verweigern. Auch de Mistura hält nun nichts mehr von einem starren Festhalten an den 2012 im „Genfer Kommuniqué“ festgehaltenen Kompromiss, eine Übergangsregierung unter Einschluss von Regime- und Oppositionsvertretern zu bilden.

Assads Medienberaterin Bouthaina Shaaban hat bereits eine Sprachregelung gefunden, die einen stillen Rückzug der Regimevertreter aus Moskau ohne Gesichtsverlust erlaubt: Um einen „beratenden vorbereitenden Dialog“ handele es sich bei dem Treffen in der russischen Hauptstadt. Um zu wirklichen Entscheidungen zu kommen, müsste jedoch ein anderer Rahmen gefunden werden.

Ein guter Jahresbeginn für die von Kerry in seiner Rehabilitierung Assads bemühte Bevölkerung Syriens ist das nicht. Das weiß auch der UN-Beauftragte de Mistura: „Anfang 2015 stellt der Syrien-Konflikt die größte humanitäre Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg dar“, sagte er am Donnerstag in Genf. Die Chancen, dass Assad nach seiner Wiederwahl 2014 auch eine vierte Amtszeit antritt, scheinen trotzdem besser denn je.


2 Lesermeinungen

  1. HansMeier555 sagt:

    Hat Putin vielleicht recht?
    Vielleicht ist die Assad-Diktatur ja tatsächlich das geringste Übel, und zwar sowohl für Syrien selbst wie für die übrige Welt?
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    Und vielleicht hätten die westlichen Regierungen das von Anfang an einsehen müssen?
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    Mir scheint, dass der “Westen” sich über seine eigenen Möglichkeiten und Wünsche grandios in die Tasche lügt.
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    Diese ewige Propaganda, die immerzu nach einem militärischen Eingreifen schreit, halte ich für unverantwortlich.
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    Niemand im Westen hat ein Recht zu bestimmen, wer wo welches Land regieren darf und wer nicht.
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    Zum eigenen Vorteil sollte die politisch-mediale KLasse des “Westens” endlich einsehen, dass sie nicht der liebe Gott ist.

  2. HansMeier555 sagt:

    Wahrheitspresse
    Will der letzte Absatz eigentlich andeuten, dass ein militärisches westliches Engreifen und ein so herbeigeführter “regime change” in Syrien für die dortige Bevölkerung das beste wäre?
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    Schon wieder so ein Artikel, der dem Leser mit aller Gewalt eine Parteinahme aufnötigen will.
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    Das ist genau der Kampagnen-JOurnalismus, der mich in meiner Meinung von der Wahrheitspresse bestätigt. Agitation statt Information.

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