Die Terrorgruppe Ansar Beit al Maqdis hat mit einer Serie von mindestens vier Anschlägen auf ägyptische Polizei- und Armee-Einheiten den Krieg auf dem Sinai auf eine neue Stufe gehoben. In der Nacht auf Freitag attackierten Kämpfer der sunnitischen Miliz zunächst Stellungen der Sicherheitskräfte nahe der Provinzhauptstadt al Arisch, in Sheikh Zuwayid und in der Grenzstadt zum Gaza-Streifen Rafah. Hier tobt seit Sommer 2013 ein Krieg zwischen staatlichen und paramilitärischen Einheiten, die Militärmachthaber Abd al Fattah al Sisi mit allen Mitteln niederzuschlagen versprach. Raketen und Autobomben kamen zum Einsatz, die Kämpfe zogen sich zum Teil über Stunden hin.
Dass es den Terroristen am Donnerstagabend auch gelang, auf der westlichen Seite des Suez-Kanals zuzuschlagen, zeigt, wie weit das Regime davon entfernt ist, sein Ziel zu erreichen: In Suez am südlichen Ende des Kanals wurde ein Polizist durch eine Autobombe getötet. In Port Said am Mittelmeer wurde ein mutmaßlicher Terrorist festgenommen, der versucht hatte, eine Bombe an einer Stromanlage zu legen.
Verantwortung für die Angriffe übernahm die Terrorgruppe Ansar Beit al Maqdis, die sich im November dem „Islamischen Staat“ Abu Bakr al Bagdadis angeschlossen – und danach in Wilaja Sina (Staat Sinai) – umbenannt hatte. Gegründet nach der Revolution 2011, hat sie seit dem Putsch Sisis gegen den islamistischen Präsidenten Muhammad Mursi ihre Angriffe auf Stellungen der Sicherheitskräfte ausgeweitet, Hunderte kamen seit Mitte 2013 ums Leben. Erst im Oktober wurden auf der Sinai-Halbinsel mehr als dreißig Soldaten bei einem Anschlag geötet. Daraufhin verhängte Sisi den Ausnahmezustand und stattete die Militärjustiz mit weitgehenden Befugnissen aus.
Die Terrorgruppe entscheidend zurückdrängen konnte er dadurch nicht. Allein beim Bombenanschlag auf das Militärhauptquartier in al Arisch und ein angrenzendes Armee-Hotel wurden am Donnerstagabend 25 Menschen getötet und 58 verwundet; in Rafah kam ein Offizier bei einem Angriff ums Leben. Die Armeeführung erklärte auf ihrer Facebook-Seite, dass die Anschläge Folge des erfolgreichen Kampfs der Streitkräfte gegen die Terroristen seien.
Doch das bezweifeln westliche Diplomaten in Kairo. Viemehr sehen sie in Sisis Repressionskurs den Grund für die nicht endende Spirale der Gewalt. 41000 Menschen sind seit seiner Machtergreifung vor anderthalb Jahren inhaftiert worden, darunter angeblich 29000 Muslimbrüder. Von den Tausenden, die allein bei der Niederschlagung zweier Protestlager gegen Sisis Putsch im August 2013 inhaftiert wurden, seien mehr als 7000 immer noch ohne Urteil in Haft, berichtete diese Woche die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Für die Zukunft Ägyptens verspricht das nichts Gutes. Vor allem der Anschlag am Suez-Kanal dürfte ausländischen Firmen zu denken geben: Mitte März plant das Regime eine internationale Investorenkonferenz, die das dringend benötigte Kapital für die am Boden liegende Wirtschaft ins Land locken soll. Der Ferienort Sharm al Sheikh im Süden der Sinai-Halbinsel könnte dazu bald vielleicht nicht mehr der geeignetste Ort sein.