Bagdad Briefing

Bagdad Briefing

Über den neuen Krieg gegen den Terror – und jene, die sich Krieg und Terror entgegenstellen. Von Bagdad bis Benghasi, von Doha bis Damaskus.

Somalia am Mittelmeer

| 7 Lesermeinungen

Am Ende musste Ägyptens Außenminister Samih Shukri einlenken. „Es wird keine Forderung nach einer ausländischen militärischen Intervention geben“, sagte der am Sonntag eigens von Kairo nach New York gereiste Chef des Außenamts am Nil. Genau das durchzusetzen aber war der Grund für seinen Blitztrip über den Atlantik gewesen: die Luftangriffe auf Stellungen des „Islamischen Staats“ (IS) in Derna völkerrechtlich absegnen zu lassen und die Vereinten Nationen zur Aufhebung des Waffenembargos gegen die schwache Regierung Abdullah al Thinnis in Tobruk zu bewegen.

Die Zurückweisung des ägyptischen Begehrens durch die Vetomächte im Sicherheitsrat ist klug. Es stutz die kurssichtige ägyptische Außenpolitik auf das zurück, was sie auch vor der grausamen Enthauptung 21 koptischer Ägypter war: ein Papiertiger, der ohne die finanzielle Hilfe aus den autoritären Golf-Staaten längst bankrott wäre. Dass ein Waffendeal mit Russland, der die Lieferung von Kampffliegern und -hubschraubern in Höhe von 3,5 Milliarden Dollar vorsieht, noch nicht abgeschlossen ist, hängt unter anderem damit zusammen, dass Saudi-Arabien sich ziert, weiter Geld in ein Fass ohne Boden zu schütten.

Die Hoffnung des auch ein dreiviertel Jahr nach seiner Wahl zum Präsidenten ohne nennenswerte Erfolge regierende Abd al Fattah al Sisi, Frankreich zu einem militärischen Abenteuer in Libyen zu bewegen, ist damit schneller vorbei als der einstige Armeechef sie überhaupt artikulieren konnte. Den Verkauf von 24 Rafale-Kampfflugzeugen hatte Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian am Montag in Kairo bestätigt – wenige Stunden, nachdem mehre ägyptische Kriegsflieger Richtung Westen aufbrachen, um Vergeltung für die Tötung der vom „Islamischen Staat“ im Dezember und Januar entführten Kopten zu verüben.

Doch anders als die Führung in Kairo, die seit Monaten in einen Krieg gegen den lokalen Ableger des IS auf der Sinai-Halbinsel verstrickt ist und den Aufstand der Dschihadisten nicht in den Griff kriegt, hat Frankreich kein Interesse, sich erneut in Libyen zu engagieren. Die schräge Gleichung, die Sisi seit seiner Machtergreifung im Sommer 2013 aufmacht, wonach jeder Muslimbruder ein Dschihadist sei, geht schon in Ägypten nicht auf – und ist in Libyen noch falscher.

Zwar soll die Zahl der Kämpfer, die sich nach ihrer Rückkehr aus Syrien und dem Irak rund um die Stadt Derna dem „Islamischen Staat“ angeschlossen haben, in den vergangen Monaten auf mehrere tausend gestiegen sein. Doch die Konkurrenz anderer islamistischer Gruppen wie Ansar al Scharia und dem Verbund „Libyen Morgengrauen“ ist im tribal und lokal gespaltenen Libyen ungleich größer als in den sunnitischen Gebieten des Iraks, wo es dem IS gelungen ist, auch frühere Baath-Partei-Angehörige und ehemalige Offiziere auf seine Seite zu ziehen.

Eine abermalige Intervention von außen wie am Vorabend des Sturzes Machthaber Muammar al Gaddafis 2011 würde nur den Dschihadisten in die Hände spielen – und das schaffen, was sie sich am meisten wünschen: ein unregierbares Somalia am Mittelmeer.


7 Lesermeinungen

  1. spock007 sagt:

    Der Autor hat nichts begriffen
    Lieber Herr Bickel, Sie leben offenbar in der Region und haben dennoch nicht begriffen, wie man dem IS und Konsorten beikommt? Nur mit erbarmungsloser, sprich militaerischer Gewalt. Das muss endlich begriffen werden. Von Ihnen und vielen anderen, vor allem den westlichen Politikern. Aegypten und Jordanien haben begonnen, den IS zu bekaempfen. Doch sind diese beiden Laender zu schwach. Sie koennen es nicht alleine schaffen. Gewiss, die erste Intervention des Westens in Libyen hat zwar Ghaddafi beseitigt, jedoch nicht zum gewuenschten Erfolg gefuehrt. Das heisst aber nicht, dass ein zweiter Einsatz falsch ist. Der Westen (und nach Moeglichkeit alle anderen zivilisierten Laender) muessen endlich massivst und langfristig in Syrien/Irak, Libyen, Somalia, Nigeria und Jemen militaerisch intervenieren und alle Extremisten toeten. Es gibt keine Alternative! Ansonsten wird sich der islamische Extremismus ausbreiten und schliesslich die westlichen Gesellschaften destabilisieren und zerstoeren.

    • MF87 sagt:

      feierliche Rituale ,karikatureske Fassaden
      Dieser Reporter without Borders versteht und deutet superbe!
      Gewiß nicht einfach müssen sie gestehen bei näherer Betrachtung!
      Es dauert ein bisschen sich auszukennen!

  2. Harmlos02 sagt:

    Unregierbares Somalia?
    Somalia ist in mehrere ethnisch getrennte Regionen zerbrochen, die mehrere paralellregierungen hervorgebracht haben. Es herrschen Warlords, Korruption und Anarchie!

    Das alles ist bereits heute in Lybien zu finden. Von daher kann eine ägyptische Intervention nichts mehr verschlimmern, sondern ganz im Gegenteil die Lage wenigstens solange beruhigen, bis wieder Ruhe eingekehrt ist. Eine ägyptische Intervention, könnte die Millizen entwaffnen, oder in die Armee integrieren, die Clanchefs entmachten und einen Einigungsprozess begleiten.

    Alles besser, als einen failed State am Mittelmeer zu haben, der die Schiffahrtsrouten bedroht, einen sicheren Hafen für Krimminelle und Terroristen darstellt und die Region weiter destabilisiert.

  3. MF87 sagt:

    Politisch in dem leeren Weiß
    geografisch üblich die Umgebung kennzeichnen unerforschte Regionen ,genauer gesagt Regionen deren Existenz nicht gesichert ist / Gegenden ohne Zugehörigkeit [ internationale Vereinbarungen]…
    wie dubios der Charakter Berichterstattungen sein könnten oder gefälscht weiß jeder Historiker.wie nützlich und nüchtern sollte hervorgehoben Information sein damit ein bestimmte Gedanken”Viertel ” entstehen kann ,selbstverständlich eine offene .
    Info:
    Committee To Protect Journalists. ( Africa:Egypt)

  4. The_Pharao sagt:

    unstimmige Aussagen
    1.Warum soll die militärische Bekämpfung bzw. Intervention in Iraq, Mali oder Syrien gegen die IS legitim sein, aber in Libyen nicht? IS ist ein Krebsgeschwür, diesen muss man von der Wurzel her eliminieren.
    2. Niemand hat gesagt, dass jeder Muslimbruder ein Dschihadist ist. Nur jeder, der zur Waffe und Bomben gegen friedliche Menschen greift ist ein Terrorist, und das tun einige MB Anhänger => sind diese Terroristen.
    3. Ägypten wird strategisch bedroht von Osten, Westen und Süden, was soll ein Land in so eine gefährliche Situation tun? Zuschauen, Tee trinken und abwarten? Mit den Terroristen verhandeln?
    4. In Libyen ist die legitime Regierung auf der Seite Ägyptens. Die abgewählte Regierung bestehend aus Muslimbrüder haben Milizen wie eben “Ansar Al Sharia” und “Libyen Morgengrauen” terrorisieren die Bevölkerung und kämpfen gegen das Lybische Militär.
    5. Warum kriegt Ägypten Nordsinai nicht im Griff? Weil ständig neue Kämpfer und neue Waffen über die ständig n

  5. vcitoyen1962 sagt:

    Titel eingeben
    Libyen ist das nicht das regimegechangete vormals reichste Land Afrikas?
    Das Land das dank der bombigen Unterstützung der Freunde der Demokratie in gewissen westlichen Metropolen
    für gemässigte, halbgemässigte und wohl weniger gemässigte Freunde der Friedensreligion zu einem Tollhaus mutiert ist?

  6. AlexPaladin sagt:

    Gadhafi hat es prophezeit
    In einem seiner letzten Interviews aus dem Jahr 2011, hat Gadhafi dem Westen genau die jetztige Situation prophezeit. Es werde Chaos in ybien herrschen, wenn man ihn beseitigen wuerde. Terrorbanden wuerden die Kontrolle uebernehmen und ins Mittelmeer wuerden sich Stroeme von Fluechtlingen ergiessen. Wahnwitzig ist aber nicht diese Prophezeihung, sondern die Handhabung der Situation durch die UN. Es passiert… nichts! Man laesst die Banden, Terrorgruppen und Warloards frei aggieren und sagt es sei ein inneres Problem. Schon jetzt erntet Europa die Fruechte dieses Problems und wir stehen erst am Anfang einer Bewegung. Wie lange noch wird es dauern, bis die Aktionen des IS sich auf das europaeische Festland ausdehnen? Italien ist nur einen Katzensprung von Lybien entfernt. Man kann nur mit Fassungslosigkeit reagieren, wenn man sieht wie seelenruhig die UN sich mit dieser Situation befasst. Der Westen ist immer noch nicht aufgewacht, wie viele Anschlaege und Tote brauchen wir noch?

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