Bagdad Briefing

Somalia am Mittelmeer

Am Ende musste Ägyptens Außenminister Samih Shukri einlenken. „Es wird keine Forderung nach einer ausländischen militärischen Intervention geben“, sagte der am Sonntag eigens von Kairo nach New York gereiste Chef des Außenamts am Nil. Genau das durchzusetzen aber war der Grund für seinen Blitztrip über den Atlantik gewesen: die Luftangriffe auf Stellungen des „Islamischen Staats“ (IS) in Derna völkerrechtlich absegnen zu lassen und die Vereinten Nationen zur Aufhebung des Waffenembargos gegen die schwache Regierung Abdullah al Thinnis in Tobruk zu bewegen.

Die Zurückweisung des ägyptischen Begehrens durch die Vetomächte im Sicherheitsrat ist klug. Es stutz die kurssichtige ägyptische Außenpolitik auf das zurück, was sie auch vor der grausamen Enthauptung 21 koptischer Ägypter war: ein Papiertiger, der ohne die finanzielle Hilfe aus den autoritären Golf-Staaten längst bankrott wäre. Dass ein Waffendeal mit Russland, der die Lieferung von Kampffliegern und -hubschraubern in Höhe von 3,5 Milliarden Dollar vorsieht, noch nicht abgeschlossen ist, hängt unter anderem damit zusammen, dass Saudi-Arabien sich ziert, weiter Geld in ein Fass ohne Boden zu schütten.

Die Hoffnung des auch ein dreiviertel Jahr nach seiner Wahl zum Präsidenten ohne nennenswerte Erfolge regierende Abd al Fattah al Sisi, Frankreich zu einem militärischen Abenteuer in Libyen zu bewegen, ist damit schneller vorbei als der einstige Armeechef sie überhaupt artikulieren konnte. Den Verkauf von 24 Rafale-Kampfflugzeugen hatte Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian am Montag in Kairo bestätigt – wenige Stunden, nachdem mehre ägyptische Kriegsflieger Richtung Westen aufbrachen, um Vergeltung für die Tötung der vom „Islamischen Staat“ im Dezember und Januar entführten Kopten zu verüben.

Doch anders als die Führung in Kairo, die seit Monaten in einen Krieg gegen den lokalen Ableger des IS auf der Sinai-Halbinsel verstrickt ist und den Aufstand der Dschihadisten nicht in den Griff kriegt, hat Frankreich kein Interesse, sich erneut in Libyen zu engagieren. Die schräge Gleichung, die Sisi seit seiner Machtergreifung im Sommer 2013 aufmacht, wonach jeder Muslimbruder ein Dschihadist sei, geht schon in Ägypten nicht auf – und ist in Libyen noch falscher.

Zwar soll die Zahl der Kämpfer, die sich nach ihrer Rückkehr aus Syrien und dem Irak rund um die Stadt Derna dem „Islamischen Staat“ angeschlossen haben, in den vergangen Monaten auf mehrere tausend gestiegen sein. Doch die Konkurrenz anderer islamistischer Gruppen wie Ansar al Scharia und dem Verbund „Libyen Morgengrauen“ ist im tribal und lokal gespaltenen Libyen ungleich größer als in den sunnitischen Gebieten des Iraks, wo es dem IS gelungen ist, auch frühere Baath-Partei-Angehörige und ehemalige Offiziere auf seine Seite zu ziehen.

Eine abermalige Intervention von außen wie am Vorabend des Sturzes Machthaber Muammar al Gaddafis 2011 würde nur den Dschihadisten in die Hände spielen – und das schaffen, was sie sich am meisten wünschen: ein unregierbares Somalia am Mittelmeer.

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