Bagdad Briefing

Bagdad Briefing

Über den neuen Krieg gegen den Terror – und jene, die sich Krieg und Terror entgegenstellen. Von Bagdad bis Benghasi, von Doha bis Damaskus.

Geld wie Reis

| 13 Lesermeinungen

Der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) schweißt die autoritären Golf-Staaten immer enger zusammen. Opfer des Schulterschlusses könnte Ägypten werden, das bis zuletzt größte Unterstützung vor allem aus Saudi-Arabien, Kuweit und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) genoss. Seit dem Putsch gegen den Muslimbruder Muhammad Mursi durch den damaligen Armeechef Abd al Fattah al Sisi im Juli 2013 haben Riad, Kuweit und Abu Dhabi dessen Regime mit Milliarden unterstützt.

Doch der Vorwurf des ägyptischen Botschafters bei der Arabischen Liga, Adel Tarek, Qatar unterstütze Terrorismus in Libyen, hat zu einer scharfen Rüge seitens des Golf-Kooperationsrats (GCC) geführt. „Solche Stellungnahmen helfen nicht, die arabische Solidarität in Zeiten zu stärken, in denen sich unsere Vaterländer beträchtlichen Herausforderungen gegenübersehen, die Sicherheit, Stabilität und Souveränität bedrohen“, sagte Abdullatif al Zayani. Qatar berief seinen Botschafter am Mittwoch zurück nach Doha.

Das kursichtige Vorgehen der ägyptischen Außenpolitik in der Libyen-Krise könnte langfristig Konsequenzen haben: Anfang Februar war es Sisi gerade noch gelungen, den Unmut am Golf zu besänftigen, nachdem abgehörte Tonbandaufnahmen ausgestrahlt worden waren, in denen er sich darüber mokierte, dass die GCC-Staaten über „Geld wie Reis“ verfügten. Sisis Stabschef ist mit den Worten zu hören, dass die Golf-Länder „Halbstaaten“ seien, die man „zur Kasse bitten“ müsse, weil sie ein „Luxusleben“ führten „und Berge an Geld“ hätten.

Offenbar gaben von Sisi enttäuschte Angehörige des Regierungsapparats die Aufnahmen an Sender weiter, die die in Ägypten seit mehr als einem Jahr als Terrororganisation verfolgte Muslimbruderschaft unterstützen. Berichte, wonach der neue saudi-arabische König Salman eine Annäherung an die auch in dem wahabitischen Königsreich und den Emiraten geächtete Organisation betreibt, dürfte die Sorge der Machthaber am Nil befördern, bald ohne Finanzspritzen auskommen zu müssen.

Die Deutlichkeit, mit der GCC-Generalsekretär Zayani die ägyptischen Vorwürfe an Qatar als „unbegründet“ und „fernab jeder Realität“ zurückwies, macht deutlich, dass die Geduld mit dem Regime in Kairo bald zu Ende sein könnte. Der qatarische Botschafter hatte zuvor lediglich das unilaterale Vorgehen Ägyptens kritisiert, ohne Rücksprache mit der Arabischen Liga militärisch gegen IS-Stellungen im libyschen Derna vorzugehen.

Dass sich der Wind nach anderthalb Jahren uneingeschränkter Solidarität Riads und Abu Dhabis wechseln könnte, scheint die völlig von seinen eigenen Problemen gefesselte ägyptische Diplomatie nur langsam zu realisieren – wenn überhaupt. Nicht die Bedrohung durch Mursis Muslimbruderschaft, sondern die Kämpfer des „Islamischen Staats“ und der Staatszerfall im Jemen bereiten der GCC-Führungsmacht Saudi-Arabien inzwischen größere Sorgen. Dass am Mittwoch auch der Versuch Außenminister Samih Shukris vor dem Sicherheitsrat in New York kläglich scheiterte, Unterstützung für den Alleingang der Luftwaffe in Libyen zu bekommen, zeigt, wie die Unterstützung für Ägyptens aggressive Außenpolitik schwindet.


13 Lesermeinungen

  1. Muetterchen sagt:

    Oh, die Prinzendiktaturen verlieren die
    Geduld mit dem demokratisch gewählten Sisi. Na sowas,hört, hört!

  2. Harmlos02 sagt:

    Der interne Zwist, der arabischen Staaten ist Dünger für den IS
    Über diesen Streit lachen sich die IS Kader sicherlicht tot (wenn Lachen denn erlaubt wäre). Anstelle einer geeinten Strategie zeigt sich wieder, dass die Golfstaaten ihre Zwistigkeiten höher priorisieren, als den IS (mit dem einige offen sypatisieren) zu bekämpfen.

  3. paracelsus-14 sagt:

    IS ist eben ein muslimisch, arabisches Problem
    Wenn schon diese Länder untereinander sich verdächtigen, die Terroristen zu unterstützen, dann wird da wohl eine Menge dran sein. Insofern sollte sich der Westen da raus halten und die gewähren lassen. Spätestens wenn in Saudi Arabien, Quatar usw. Köpfe abgeschlagen werden, wenn in Erdogans Türkei, dessen Geheimdienst auch im Verdacht steht IS zu unterstützen, Bomben explodieren, werden diese Regime zum Handeln gezwungen sein und dazu endlich einmal Farbe zu bekennen. Nicht wie bisher, vorne so, hinten so. Lasst sie einfach mal alleine machen!

  4. NORJG sagt:

    Getroffene Hunden jaulen
    sagt man und diesem Fall sind es die Golfstaaten und Saudi – Arabien. Voellig zurecht benannt und beschuldigt von Aegypten! Ist es doch mehr als hinlaenglich bekannt, dass die oben genannten Staaten eine aeusserst zwielichtige Rolle beim “Sponsering” von islamistischen Terroristen und radikalen Predigern in aller Welt einnehmen. Aus (Oel-) Gruenden werden sie nach wie vor und unverstaendlicherweise von den USA als Freunde gefuehrt … eigentlich muesste man diese Staaten bannen und mit extrem strengen Sanktionen belegen! Dem Iran, der sehr viel moderater ist, wird dagegen mit Hass und Unvernunft begegnet.

  5. microplan2002 sagt:

    Wie das!?
    Einerseits “[bereiten]…die Kämpfer des „Islamischen Staats“ … der GCC-Führungsmacht Saudi-Arabien inzwischen größere Sorgen … “. Andererseits wird “… das unilaterale Vorgehen Ägyptens kritisiert, ohne Rücksprache mit der Arabischen Liga militärisch gegen IS-Stellungen im libyschen Derna vorzugehen.” Geht es dabei wirklich nur um die “Mitsprache” der GCC!? Oder treffen die ägyptischen Luftangriffe auf Libyen etwa ganz andere als den “IS”?? Denn auf das Ersuchen des (in Tripolis) residierenden libyschen Parlamentspräsident Akleea Saleh Issa bei einer Dinglichkeitssitzung der Arabischen Liga in Kairo vom Januar (“Heute bitte ich die Arabische Liga ganz offiziell einzugreifen”, Zitat “Deutschlandfunk” v. 15.1.15), hat die Liga bis jetzt nicht positiv reagiert. Mir scheint sich die Situation eher so darzustellen, dass “Tripolis” versucht, für die Rückeroberung der der Zentralregierung entglittenen Region um Derna die “IS” zu instrumentalisieren, um so Verbündete zu

  6. Waldi44 sagt:

    Früher hiess es....
    …was wahr ist, darf auch gesagt werden. Heute sieht man nur noch die berühmten drei Affen!
    Klar, fühlen sich die anderen Staaten der Region “angepisst”, zahlen sie doch alle in den selben Schutzgeldfond ein, aus dem sich IS und al-Qaida speisen!

  7. The_Pharao sagt:

    Klarstellung der GCC und verdrehte Tatsachen
    Der GCC-Generalsekretär hat Gestern diese Nachrichten verneint. Er sagte, die Unterstützung der Golfstaaten und GCC an Ägypten gehe definitiv weiter und seine Aussage wurde von “einigen” Medien bewusst nicht richtig weitergegeben. Er bat lediglich Ägypten Beweise für die Beschuldigung an Qatar mit Beweisen zu belegen.
    Tatsache ist auch, dass die “abgehörte Tonbandaufnahmen” von der Zeit kommen als “Sisi” Verteidigungsminister in der Regierung der Muslimbrüder war und nicht als Präsident. Er hat im Namen der damaligen Präsident gehandelt.
    Weitere Tatsache ist, dass Heute die VAE, Kuwait, Bahrain, Oman und Saudi Arabien klargestellt haben, dass sie Ägypten und Sisis weiter unterstützen, gerade in den Kampf gegen IS in Libyen, und deren finanziellen Unterstützung an Ägypten definitiv weitergehe.
    Der Versuch von Ägypten vor dem Sicherheitsrat Unterstützung für den Kampf gegen IS in Libyen, hat nur aufgedeckt, wie weit die Doppelmoral in der Weltpolitik ist.

  8. kkrug sagt:

    Ägypten hätte es in der Hand den Terror zu beenden
    da es als muslimischer Staat in der Hand hätte, den Terrorfinanzieren “ernsthafte Konsequenzen” nicht nur anzudrohen, sondern dies auch umzusetzen-

  9. wolfgang_hebold sagt:

    Geld nach Kairo statt nach Athen
    Die EU täte gut daran, das Geld, das sie ggf. nach Athen überweisen will, nach Kairo zu schicken. Denn die Militärs haben das Land vor einem tiefen Fall in den Islamismus bewahrt. Dass die Europäer gegenüber Siri die Moralisten geben, zeigt ihre komplette Unfähigkeit zu einer Realpolitik im besten Sinne des Wortes. Am Ende wird Ägypten sich an Russland wenden.

  10. LutzBrux sagt:

    Missverständlich
    Aus ihrem Artikel entnehme ich, dass Ägypten einseitig Stellungen des IS in Libyen angegriffen hat und behauptet hat Qatar unterstütze Terroristen. Für beides wurde es von den arabischen Brudernationen gescholten.

    Die Frage ist: halten die Golfstaaten damit gegen den IS zusammen?
    Ich werde aus ihrem Artikel nicht schlau.

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