Es klingt wie eine Wiederholung von Mossul: In Ramadi hat die irakische Armee zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres weitgehend kampflos eine Provinzhauptstadt verloren. Panzer, schwere Waffen und Munition fielen in die Hände des „Islamischen Staats“ (IS). Die sunnitische Terrorgruppe feiert mit der Einnahme fast ganz Anbars ihren größten Erfolg seit Eroberung großer Landstriche in der Ninive-Ebene im Juni 2014.
Doch nicht nur das Versagen der irakischen Regierungseinheiten, sondern auch die Beteuerungen des amerikanischen Präsidenten Barack Obama, nun die Lieferung von Waffen an sunnitische Stämme in der größten irakischen Provinz zu beschleunigen, klingen wie eine Wiederholung aus dem vergangenen Sommer: Man werde sich genau anschauen, wie man die örtlichen Kräfte am besten unterstützen könne, sagte der Sprecher des National Security Council, Alistair Bakley, am Dienstag. 6000 Mann sollen von amerikanischen Spezialkräften ausgebildet werden, heißt es nun in Washington.
Man fragt sich, worüber das Gremium in den vergangenen Monaten eigentlich nachgedacht hat? Denn so wie Mossul nicht über Nacht zur IS-Hochburg wurde, war auch der Fall Ramadis von langer Hand geplant – und die Vorbereitungen für jeden, der es wissen wollte, sichtbar. Bereits im Januar 2014 war die Nachbarstadt am Euphrat, Falludscha, in die Hände der Kämpfer Abu Bakr al Bagdadis gefallen. Seitdem ist auch Ramadi vom IS belagert und es den schwachen Regierungseinheiten zudem nie wieder gelungen, die volle Kontrolle über die Stadt zurückzuerlangen.
Noch vor einem Jahr hatte die US-Administration den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Nuri al Maliki für den Aufstieg des „Islamischen Staats“ zur wichtigsten sunnitischen Miliz des Landes verantwortlich gemacht. Doch obwohl dieser inzwischen durch den gemäßigteren Haider al Abadi ersetzt wurde, hat sich an der grundlegenden Ablehnung der sunnitischen Bevölkerung gegenüber der schiitisch dominierten Regierung nichts geändert: Sowohl die abermals gedemütigte Armee wie die Volksmobilisierungsmilizen (Haschid Schaab) gelten in ihren Augen als Helfershelfer Irans.
Daran ändert auch das Festhalten an überholten Begriffen nichts: Haiders dysfunktionales, die konfessionelle Spaltung des Landes zementierendes Kabinett als „Regierung nationaler Einheit“ zu bezeichnen, ist Augenwischerei. Eigentlich müsste man eher fragen, ob es sich im Irak um einen Staat ohne Armee handelt oder eine Restrumpftruppe ohne Staat?
Das ist aber nur ein Grund für das anhaltende Scheitern der gesamtstaatlichen irakischen Institutionen. So wie in den anderen arabischen Umbruchsstaaten haben es Amerika und die anderen westliche Staaten versäumt, jene Kräfte im Irak zu unterstützen, die sich für gesellschaftliche Teilhabe und politische Transparenz eingesetzt haben. Denn auch im Herbst 2013, unmittelbar vor dem Siegeszug des IS in Anbar, war die sunnitische Massenbewegung in der größten irakischen Provinz noch friedlich geprägt – und die IS-Plakate auf deren Kundgebungen an den Fingern einer Hand abzählbar.
Das hat sich bis auf weiteres unwiderruflich geändert, und zwar deshalb, weil Sicherheitslösungen politische Umbruchprozesse nicht ersetzen können. Die von Amerika geplante Aufrüstung antistaatlicher Gruppierungen wird daran auch nichts ändern.